Rückzug vom Rückzug ausgeschlossen
Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Rolle der Bundeswehr in Afghanistan
- Seit rund einem Monat nun ist die Bundeswehr nicht mehr vor Ort in Afghanistan. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU) hatte ob der aktuell wieder drastisch steigenden Greueltaten der Taliban erst am vergangenen Wochenende gefordert, die Kräfte der Bundeswehr wieder zur Verfügung zu stellen. Bundesministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ist derweil überzeugt davon, dass der Kampf der Taliban auch wieder eingesetzt hätte, wenn die Bundeswehr noch vor Ort wäre. Roderich Kiesewetter (CDU), Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Aalen-Heidenheim und Kreisvorsitzender der CDU Ostalb, hatte Kramp-Karrenbauer zu einem virtuellen Austausch eingeladen, bei dem es zu weiten Teilen um diese Thematik gehen sollte.
Kiesewetter, der bis 2009 bei der Bundeswehr gearbeitet hatte, war selbst in Afghanistan, unter anderem Berichterstatter im Bundestag zu Afghanistan und blickte zurück. Man habe damals fälschlicherweise den Schluss gezogen, dass die Bundeswehr, die im ruhigeren Norden stationiert war, beim friedlichen Wiederaufbau helfen solle. Diesen Irrtum habe man im Bundestag deutlich machen wollen. „Das hat das damalige Verteidigungsministerium aber nicht wissen wollen“, so Kiesewetter. Eine Änderung dieser Sichtweise habe erst 2009/2010 stattgefunden. „Wir haben ein hohes Blutopfer gezahlt, weil wir ungeschützt waren“, so der Bundestagsabgeordnete. Er wolle keine Kriege, so Kiesewetter, er wolle im Idealfall Konfliktprävention. „Wenn wir aber in Umfeldern eingesetzt werden, wo dies nicht akzeptiert wird, dann müssen wir unsere Soldaten bestmöglich ausstatten. Das war in Afghanistan anfangs nicht der Fall.“Deswegen widerspreche er auch der Forderung Röttgens, da eine
Rückkehr zu großen Kollateralschäden führen würde. Stattdessen müsse man unter anderem die afghanische Regierung in die Verantwortung nehmen.
Kramp-Karrenbauer hatte sich schon zu einer potenziellen Rückkehr der Bundeswehr in dieses Kriegsgebiet geäußert, sich davon distanziert. Nichtsdestotrotz habe sie dafür Verständnis, dass solche Forderungen nach dem neuerlichen Vormarsch der Taliban laut würden. „Die Bilder, die wir aus Afghanistan sehen, die Raumgewinne der Taliban, das sind bittere Bilder für uns. Das betrifft alle, die in den vergangenen Jahren in Afghanistan im Einsatz waren und es befeuert natürlich die Diskussion um Sinn und Zweck des
Einsatzes dort. Denn man darf nicht vergessen, dass wir dort Menschen verloren haben“, so die Ministerin. Die Bilder aus Afghanistan seien nur schwer zu ertragen, sagt sie „und deswegen kann ich den Impuls auch verstehen, dass wir doch wieder nach Afghanistan müssten, um die dortigen Geschehnisse zu verhindern und einzugreifen.“Wer dies aber fordere, müsse wissen, dass er sich auf einen langen Kampfeinsatz begebe. „Und das wird ein verlustreicher sein. Darüber muss sich jeder klar sein, wenn er diese Forderung erhebt“, so Kramp-Karrenbauer, denn am Ende gehe es um das Leben der Soldatinnen und Soldaten. Man habe die Vorgaben des Bundes erfüllt, Afghanistan sei kein Ausgangspunkt
von internationalem Terrorismus mehr gewesen in den vergangenen 20 Jahren. Man habe es „zumindest einer Generation ermöglicht, in einem anderen Afghanistan aufzuwachsen“.
Die Verteidigungsministerin räumt aber ein: „Die nachhaltige Veränderung des Landes im positiven Sinne ist uns nicht gelungen. Das ist eine bittere Erkenntnis, die wir heute haben, und muss uns eine Lehre für künftige Einsätze sein.“Noch am selben Tag hatte sich die Ministerin mit Soldaten bei einem Besuch im Sanitätskommando in Weißenfels (Sachsen-Anhalt) unterhalten können. Der Einsatz in Afghanistan sei an keiner Soldatin und an keinem Soldaten spurlos vorbeigegangen.