Normales Leben nur mit Piks möglich
Die Corona-Verordnung stößt vielen sauer auf.
- Nicht-Geimpfte oder Impfgegner fühlen sich durch die seit Montag geltende 3G-Regel unter Druck gesetzt. Auch auf Facebook hagelt es massive Kritik an der neuen Corona-Verordnung des Landes. Dadurch werde man vor die Wahl gestellt, sich impfen zu lassen oder den PCR-Test und ab Oktober auch den Antigen-Schnelltest aus eigener Tasche zu bezahlen. Diese Impfpflicht durch die Hintertür sei eine Frechheit und nicht rechtens, meinen viele User. Dass eine Impfung die einzige Möglichkeit sei, die Pandemie in den Griff zu bekommen, meint indes Peter Schmidt vom Kreisimpfzentrum.
Seit 22. Januar ist Peter Schmidt jeden Tag im Kreisimpfzentrum (KIZ) in der Ulrich-Pfeifle-Halle. Er ist einer der ärztlichen Leiter und bildet gemeinsam mit Hariolf Zawadil das ärztliche Leitungsteam. Ein Urlaub im Sommer ist für ihn nicht in Sicht. Bis 30. September ist er im KIZ noch eingespannt, dann will das Land voraussichtlich alle Kreisimpfzentren im Land schließen. Solange laufen parallel noch die Pop-up-Impfaktionen vor Ort in den Städten und Gemeinden des Ostalbkreises. Ab 1. Oktober können sich Bürger dann nach wie vor bei niedergelassenen Ärzten oder Betriebsärzten gegen Covid-19 impfen lassen.
Von Engpässen an Impfdosen wie Anfang des Jahres kann keine Rede mehr sein. Im Gegenteil. „Wir haben alles da und jeder kann sich aus dem vorhandenen Büfett den Impfstoff aussuchen, den er gerne möchte“, sagt Peter Schmidt. Er rät allerdings prinzipiell zu einem MRNA-Impfstoff, also zu Biontech oder Moderna. Denn bei Vektorimpfstoffen wie Astrazeneca oder Johnson & Johnson sei die Wirksamkeit gemäß Robert-Koch-Institut (RKI) geringer und es könne sein, dass im Herbst nachgeimpft werden müsse. Wer allerdings Angst vor Spritzen hat und sich nur einmal den Piks verpassen lassen will oder kurzfristig in den Urlaub möchte und insofern die Zweitimpfung nicht wahrnehmen kann, tendiere zu Johnson&Johson. Astrazeneca sei hingegen so gut wie nicht mehr gefragt. Auch bei den niedergelassenen Ärzten stünden diese mehr in den Kühlregalen als dass sie tatsächlich zum Einsatz kommen.
Vorbei sind im KIZ auch die Zeiten, in denen die Bürger keinen Termin bekommen haben. „Vielmehr kann jeder, der sich impfen lassen will, täglich von 9 bis 21 Uhr ohne Termin vorbeikommen“, sagt Schmidt. Obwohl diese Möglichkeit nahezu täglich in der Presse und in den sozialen Medien kommuniziert werde, wüssten viele Bürger immer noch nichts von diesem Angebot. Um dieses noch mehr publik zu machen, sei geplant, den Einzelhandel mit Plakaten mit der Aufschrift „Corona-Schutzimpfung. Sofort und ohne Termin in Aalen“auszustatten, die bereits in Tafelläden aushängen. Gespräche mit dem Innenstadtverein Aalen City aktiv habe es bereits gegeben, sagt Schmidt, der Bereitschaft signalisiert habe. Immerhin stünden Impfung und Lockdown-Gefahr für den Handel in einem Zusammenhang. Auch Citymanager Reinhard Skusa findet die Plakataktion eine gute Idee, um noch mehr Menschen dazu zu motivieren, sich impfen zu lassen.
Die Impf-Bereitschaft habe in den vergangenen Wochen nachgelassen. „Im KIZ haben wir einen geringeren Tagesschnitt als noch vor ein paar Wochen, sagt Schmidt. Doch immer noch würden von anfangs acht Bahnen zwischen drei und vier Stück gefahren. Jede Bahn hat fünf Stationen: Registrierung, Wartebereich mit Aufklärungsvideo, ärztliches Gespräch, die Impfkabine und den Ruhebereich zur 15-minütigen Nachbeobachtung. Die Klientel, die kommt, sei bunt gemischt und reiche von älteren Menschen und Erwachsenen über Jugendliche bis zu Kindern, die sich in Begleitung ihrer Eltern impfen lassen.
Verschiedene, mitunter unsachliche Argumente von Impfgegnern wie durch die 3G-Regel zu Menschen zweiter Klasse zu werden, möchte Schmidt nicht kommentieren. „Wer sich nicht impfen lassen möchte, muss das auch nicht. Es ist seine freie Entscheidung. Doch wenn wir die Pandemie überwinden wollen, führt an einer Impfung kein Weg vorbei“, sagt Schmidt und nennt analog zum RKI den Begriff der Herdenimmunität.
Den Erfolg der Impfung sehe man bei der Gruppe der über 70- und 80Jährigen, von denen der Großteil geimpft sei. Seither habe es nur noch vereinzelt, in einer vernachlässigenden Zahl Corona-Fälle in Altenheimen gegeben, sagt Schmidt und denkt etwa an die Tragödie im Februar diesen Jahres, als in einem Altenpflegeheim in SchwäbischGmünd-Wetzgau 29 Bewohner verstorben sind. Überdies zeigten die Zahlen des RKI, dass die höchste Inzidenz derzeit bei den Jüngeren, als der Gruppe der Ungeimpften, liegt.
„Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch seine Umwelt und vermeidet eine angespannte Situation auf den Betten der Intensivstationen in den Kliniken“, sagt Schmidt. Darüber hinaus erlange er angesichts der 3G-Regel ein Stück Freiheit zurück. Denn Geimpfte wie Genesene haben mit der neuen Corona-Verordnung so gut wie keine Einschränkungn mehr zu befürchten. Nicht-Geimpfte müssen indes in den sauren Apfel beißen und ab sofort den PCR-Test, der für einen Disco- oder Club-Besuch gefordert wird, selbst bezahlen. Mitte Oktober wird überdies der AntigenSchnelltest kostenpflichtig, der etwa im Innenbereich von Gastronomiebetrieben, beim Friseur oder bei Anbietern von körpernahen Dienstleistungen gefordert wird.
Mit der Angst der Bürger mit Blick auf die Nebenwirkungen einer Impfung werde auch Schmidt täglich im KIZ konfrontiert. Doch bei einer Impfung gegen Covid-19 sei es wie bei einer Grippeschutzimpfung. „Mit der Impfung treten gelegentlich Symptome eines grippalen Infekts auf. Das muss aber nicht sein.“Es gebe keinen Vorhersagefaktor. Die einen würden die Impfung besser vertragen, die anderen weniger. „Wir raten Bürgern, nach der Covid-19-Impfung allerdings 48 Stunden lang körperliche Belastungen in Form von Sport und anstrengenden Tätigkeiten zu vermeiden, damit das Immunsystem nicht noch zusätzlich strapaziert wird“, sagt Schmidt. Das sei der beste Schutz vor möglichen Nebenwirkungen.
Das Argument von Impfgegnern, dass auch Geimpfte das Corona-Virus verbreiten können, kann Schmidt nicht vollends entkräften. Aber Studien hätten nachgewiesen, dass die Verbreitung des Virus´ von Geimpften deutlich herabgesetzt sei. Überdies würden Geimpfte nicht mehr so schwer an Covid-19 erkranken wie Nicht-Geimpfte. Am Montagmittag hat sich die Ständige Impfkommission auch für Coron-Impfungen für alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren ausgesprochen. Sie sei zu dem Schluss gekommen, dass die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenwirkungen überwiegen würden.
„Wenn wir die Pandemie überwinden wollen, führt an einer Impfung kein Weg vorbei“, sagt Peter Schmidt.