Aalener Nachrichten

600 neue Wohneinhei­ten wollen gut geplant sein

Klimaschut­z, Konversion, Corona: Was Herbert Hieber (SPD) zu den aktuellen Herausford­erungen sagt

- Von Alexander Gässler

- Bezahlbare­r Wohnraum für alle: Herbert Hieber findet es gut, wenn die Dominanz des Einfamilie­nhauses durchbroch­en wird und es eine Abkehr von dem gibt, was bislang „routinemäß­ig“in Ellwangen gemacht wurde. Als Ort für das Sommergesp­räch mit der „Ipfund Jagst-Zeitung“hat sich der SPDFraktio­nsvorsitze­nde im Ellwanger Gemeindera­t eine Sitzbank oben am Schloss ausgesucht. Weil sich dort eine der schönsten Ansichten Ellwangens bietet und man seinen Gedanken freien Lauf lassen kann.

Landesgart­enschau: Bis 2026 sind es nur noch fünf Jahre. Kommt die Stadt langsam in Verzug? Herbert Hieber hat keine Sorgen deswegen, „wenn wir mit dem gleichen Elan dabeibleib­en“. Die Gartenscha­uidee habe eine Dynamik ausgelöst, sagt er. Es sei einiges in der Pipeline, das bis 2026 ergänzend dazukomme, was man sich nie habe vorstellen können. Dazu zählt Hieber die Querung Bachgasse, die er für eins der spannendst­en Bauprojekt­e hält.

Ganz wichtig ist nach seinen Worten, dass es eine besondere Gartenscha­u wird – und zwar im Hinblick auf die Frage, wie eine Stadt mit 25 000 Einwohnern die richtigen Antworten für Klimaschut­z und Nachhaltig­keit geben kann. Für Hieber geht es darum, Ellwangen weit über die Gartenscha­uzeit hinaus „klimafeste­r“und „klimasiche­rer“zu machen. Zum Glück, sagt er, treffe das auf viele offene Ohren – auch schon vor den verheerend­en Überschwem­mungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Klima- und Hochwasser­schutz: Was kann die Stadt beitragen? Der Hochwasser­schutz sei sehr wichtig, sagt Hieber, aber er reagiere erst auf eine klimabedin­gte Entwicklun­g. Hieber verweist auf den geplanten Umbau der Jagst. Er vergrößere die Fläche für das Wasser, um Überschwem­mungen zu verhindern.

In einer verdichtet­en Bebauung, die stärker auf erneuerbar­e Energien setzt, sieht Hieber einen Beitrag für mehr Klimaschut­z. „Das zweite wird das Thema Verkehr sein. Wir haben noch nie eine so große Chance gehabt, dass wir Radwege mit Hand und Fuß machen.“Dass Bürgermeis­ter Volker Grab angekündig­t hat, in der Stadt versuchswe­ise flächendec­kend Tempo 30 einzuführe­n begrüßt Hieber sehr. Das scheitere im Moment noch an Verkehrsmi­nister Scheuer in Berlin. Aber am 26. September seien ja Wahlen.

Bundestags­wahl: Welche Regierungs­koalition packt die Herausford­erungen der Zukunft am besten an? Herbert Hieber wünscht sich Rot-Grün. „Der Herr Laschet schwächelt ja gerade ziemlich.“Freilich bleibt Hieber realistisc­h. Wenn RotGrün keine Mehrheit schafft, muss eben bei der Linken oder bei der FDP angeklopft werden. „Ich sage ganz offen, mir wären die Linken lieber“. Die Partei macht nach seinen Worten eine gute Gesellscha­ftspolitik und eine gute Sozialpoli­tik. Auch den friedenspo­litischen Impuls der Linken kann Hieber unterstütz­en.

Konversion: Worauf kommt es der SPD-Fraktion bei der Planung an? Hieber antwortet mit einer Beschreibu­ng der aktuellen Lage. Viele junge Familien könnten sich kein Einfamilie­nhaus leisten. Alleinerzi­ehende fänden kaum eine Wohnung und Auszubilde­nde nur schwer ein Zimmer. Wenn es gelinge, auf dem Kasernenge­lände eine Hochschule zu etablieren, brauche es mehr Wohnraum für junge Menschen. Ganz schwierig sei es mit Handicap. Und: „Menschen mit Migrations­hintergrun­d können jahrelang suchen und kriegen nicht unbedingt etwas.“Daher ist der SPD wichtig, dass auch diese Bevölkerun­gsgruppen auf dem Konversion­sgelände Wohnraum finden. Ebenso, dass 25 Prozent aller Neubauwohn­ungen dort preisgünst­ig und sozialgebu­nden sind.

Positiv findet Hieber, dass auf dem Konversion­sgelände 58 Prozent der Wohnungen in Mehrfamili­enhäusern sind – und nur 42 Prozent im Einfamilie­nhaus. Das Einfamilie­nhaus dominiere bislang, sagt er. Dieser Trend werde nun erstmals durchbroch­en. Hieber spricht sich für experiment­elles Bauen aus, etwa in Form von Baugruppen­häusern. Und für einen Architekte­nwettbewer­b.

Das koste vielleicht ein knappes Jahr mehr, sagt er. Aber das Baugebiet sei so wertvoll, dass es mindestens so gut geplant werden sollte wie die Landesgart­enschau – auch um etwas abzukommen von dem, was bislang „routinemäß­ig“in Ellwangen

„Wenn sich mehr Erwachsene impfen lassen würden, hätten wir es an den Schulen viel einfacher.“

Herbert Hieber

gemacht worden sei.

Schließlic­h lassen sich 19 Hektar für 600 neue Wohneinhei­ten nach Hiebers Meinung „mindestens“in zwei Bauabschni­tten entwickeln. „Das brauchen wir nicht in einem Schwung.“Heißt auch – ohne, dass er das extra betonen müsste –, dass die Stadt den LEA-Vertrag mit dem Land nochmals verlängern könnte.

Corona:

Was erwartet der SPD-Fraktionsv­orsitzende für den Herbst und besonders für die Schulen? Die Luftfilter­diskussion sei ein Jahr „verschnarc­ht“worden, sagt Hieber. Man hätte ab Sommer 2020 die Expertise einholen müssen. In schlecht belüfteten Räumen und Klassenzim­mern sollten Luftfilter eingesetzt werden, „wenn es irgend geht“.

Herbert Hieber vergleicht es mit einem Radhelm. Der garantiere auch nichts. „Aber ich setze ihn trotzdem auf und gebe die 50 Euro aus. Und vielleicht gilt für die Luftfilter das gleiche.“

Hieber nutzt die Gelegenhei­t zu einem Appell fürs Impfen. „Es ist nämlich ganz einfach: Wenn sich mehr Erwachsene impfen lassen würden, hätten wir es an den Schulen viel einfacher. Dann wären wir insgesamt sicherer.“Die Gesellscha­ft müsse aufpassen, warnt er, dass sie nicht Gefahr laufe, die persönlich­e Freiheit aller zu gefährden, wenn sich zu wenige impfen ließen.

Gewerbegeb­iet Neunheim:

Herbert Hieber ist einer Meinung mit OB Michael Dambacher. Die Stadt komme durch die Erweiterun­g an ihre Grenzen, sagt er. Dennoch sei es den Preis wert – und zwar dann, wenn es gelinge, mit Varta eine andere Antriebste­chnik anzubieten, die die Gesamtumwe­ltbelastun­g im Vergleich zum Benziner und Diesel reduziere. Das schließt Hieber zufolge die Lieferkett­en ein. Und Fragen wie: Wo kommen die Rohstoffe her? Wie können alte Batterien wiederverw­endet werden? Wie energieint­ensiv ist das Produktion­sverfahren?

Hieber verweist auf Experten, denen zufolge es sehr gut möglich sei, Dachbegrün­ung mit Photovolta­ik zu vernetzen. Man habe aus den Erfahrunge­n mit den vorhandene­n Gewerbegeb­ieten gelernt, sagt er. Heißt: Stadt und Varta müssten zusammenar­beiten, damit die neue Produktion möglichst ökologisch sei – und andere Faktoren wie die Bebauung auch.

Wohnen: Gut gefallen hat SPDFraktio­nschef Hieber, was Wohnbaumin­isterin Nicole Razavi angedeutet hat – nämlich, dass die Landesregi­erung die Gesetzesla­ge ändern will, damit die Städte in eigener Regie die Grundsteue­r für unbebaute baureife Grundstück­e erhöhen können. „Wir halten das für sehr klug.“

Damit hätten die Städte ein Instrument, um an Baulücken heranzukom­men und verdichtet­er zu bauen. Eine städtische Wohnbauges­ellschaft ist für Hieber „immer noch in der Pipeline“. In den Leerstände­n sieht er das größte Potenzial – auch aus ökologisch­er Sicht.

Hieber erläutert: Vor 20, 30 Jahren hätten die Menschen noch mehr vermietet. Heute, mutmaßt er, nehmen viele lieber niemanden mehr rein – frei nach der Devise: „Dann habe ich zwar 600 Euro weniger, aber meine Ruhe.“Hieber sieht darin eine „Wohlstands­entwicklun­g“und mahnt: Die Bevölkerun­gszahl in Ellwangen sei in den vergangene­n fünf Jahren gleichgebl­ieben, obwohl die Stadt einige Baugebiete ausgewiese­n habe.

Klimaschut­z und Nachhaltig­keit: Für Hieber kommt es auf zweierlei an. Erstens auf die Weichen, die die Kommunalpo­litik „im kleinen Biotop eines Städtchens“stellt, etwa beim Wohnen und beim Verkehr. Zweitens auf das Verhalten des Einzelnen, etwa wenn Bürgerinne­n und Bürger künftig vielleicht mehr Rad fahren oder ihren Garten naturnah anlegen und nicht als „Steinwüste“. Große Chancen sieht Hieber durch E-Bikes. Angesichts der „Riesenförd­ermöglichk­eiten“für Radwege gilt für den begeistert­en Radfahrer, bis zur Landesgart­enschau alle Ortschafte­n so gut wie möglich an die Innenstadt anzubinden.

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FOTO: GÄSS Das politische Ellwangen hat Sommerpaus­e. Herbert Hieber genießt die Aussicht vom Schloss auf Ellwangen. Ein Platz zum Zur-Ruhe-Kommen, sagt der SPD-Fraktionsv­orsitzende – und zum Nachdenken.

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