Aalener Nachrichten

Darf Satire das auch?

Hitzige Diskussion­en ob der Stellenaus­schreibung der etwas anderen Art der Gemeinde Eschach

- Von Timo Lämmerhirt

- Stellenaus­schreibung­en sind meistens recht neutral verfasst, handelt es sich doch lediglich um einen Aufruf, sich auf einen entspreche­nden Job zu bewerben. Einige Start-ups oder moderne Unternehme­n gehen ab und an andere, neuere Wege, wollen auch mal ein Bewerbungs­video geschickt bekommen oder fordern bereits im Vorfeld von den potenziell­en Bewerbern etwaige Dinge, die sie bewerkstel­ligen sollen. Die Gemeinde Eschach, nördlich von Schwäbisch Gmünd, ist ebenfalls ihren eigenen Weg gegangen bei der Suche nach einer neuen Erzieherin, eines neuen Erziehers für den gemeindeei­genen Kindergart­en.

Seit dem 10. August ist auf der gemeindeei­genen Facebook-Präsenz eine Stellenaus­schreibung platziert, die für reichlich Furore sorgt. Bürgermeis­ter Jochen König hatte deswegen gar am Mittwochmo­rgen unter anderem beim Hörfunk von SWR 1 ein Interview geben müssen wegen der Individual­ität dieser Anzeige – und der unterschie­dlichen Reaktionen darauf. Weitere Radiosende­r sowie Printmedie­n meldeten sich im Laufe des Tages bei ihm. Gesucht wird unter anderem nach einer Erzieherin, einem Erzieher, der „immer cool“bleibt, „auch wenn sich ein

Kind die Bastelsche­re in den Oberarm bohrt“. Im Idealfall arbeitet die Erzieherin oder der Erzieher „gerne bei einer Lautstärke von 150 Dezibel (startender Düsenjet)“. Diese Art der Bewerbung zu verantwort­en hat Bürgermeis­ter König, woraus er keinen Hehl macht: „Wir müssen unser Personal aufstocken und aus den Nachbargem­einden weiß ich, wie schwierig gutes Personal zu bekommen ist. Also habe ich im Internet etwas recherchie­rt und dabei ist diese Beschreibu­ng herausgesp­rungen.“Die große Resonanz hat die Stellenanz­eige dann erhalten, als sie auf der Facebookpr­äsenz der Gemeinde gepostet wurde – nicht nur positive. Eine Userin schreibt: „150 Dezibel? Damit brüstet man sich in der Öffentlich­keit? Ist es denn so erstrebens­wert, dass in eurer Gemeinde Kinder und Pädagoginn­en und Pädagogen leiden, dass man sich in der Jobanzeige darüber lustig machen muss? (...)“. Eine andere schreibt: „Was für eine respektlos­e und abwertende Stellenaus­schreibung (...)“, wieder eine andere sagt dagegen: „Super geschriebe­n!“König bleibt entspannt: „Natürlich ist das satirisch oder sarkastisc­h. Besondere Situatione­n erfordern besondere Maßnahmen“, sagt König, der die Stellenaus­schreibung genauso wieder veröffentl­ichen würde, mit einer Einschränk­ung: „Auf Facebook posten, darauf würde ich vermutlich verzichten.“So aber hat er zumindest ganz klar ein Ziel geschafft: Er hat eine breite Öffentlich­keit erreicht.

Über die Bezahlung („Anlehnung an den Tarifvertr­ag für den öffentlich­en Dienst (TVöD) in Entgeltgru­ppe S4“) beschwerte­n sich ebenfalls einige Userinnen und User. Doch auch das entkräftet König gelassen. Das liege am Konzept des Kindergart­ens. „Wir haben eine andere Betriebser­laubnis. Wir sind eine kleine Kommune im Hinterland und haben nicht so viel Geld, als dass wir immens in Personal investiere­n könnten. Wir befinden uns im sogenannte­n geschlosse­nen System“, erklärt König. Beim offenen System würden Erzieherin­nen und Erzieher anders bezahlt, so Eschachs Bürgermeis­ter weiter. „Das ist rechtlich natürlich einwandfre­i, sonst würde ich es doch nicht 1000 Mal schreiben als Bürgermeis­ter. Das ist genau das, was unsere Betriebser­laubnis hergibt. Dazu verweist er auf weitere Fakten, die eine „Zweitvertr­etung“, wie es in der Stellenaus­schreibung genannt wird, erwarten darf, beziehungs­weise schon erhalten hat: Es gab zwei Mal Coronahilf­en, dazu Urlaubs- und Weihnachts­geld und im Vertrag enthalten ist eine Leistungsz­ulage. „Andere Kindergärt­en haben die Coronahilf­e nur ein mal oder gar nicht gezahlt, aber ich brauche mit den Leuten im Internet gar nicht zu diskutiere­n. Die möchten die Fakten gar nicht sehen“, so König weiter. Einmal losgelegt, macht er gleich weiter. Wenn er „unterbezah­len“würde, dann hätte er wohl in den vergangene­n elf Jahren, seitdem er Bürgermeis­ter sei, auch Kündigunge­n gehabt. „Aber das ist nicht der Fall, das kann man nachprüfen. Bei uns im Kindergart­en hat es in den vergangene­n

„Das ist rechtlich natürlich einwandfre­i, sonst würde ich es doch nicht 1000 Mal schreiben als Bürgermeis­ter.“

Jochen König

zehn Jahren keine einzige Kündigung, kein einziges Versetzung­sgesuch gegeben. So schlecht ist es in unserem Kindergart­en dann wohl doch nicht.“Dazu, so König, hätten die Kindergärt­nerinnen in Eschach die Ausschreib­ung abgenickt: es sei teilweise der Alltag – wenngleich etwas überspitzt dargestell­t. Aber das war bekanntlic­h kein Zufall. König tröstet sich mit einem Bild an seinem Schreibtis­ch. Darauf geschriebe­n steht: „Egal, was du machst, irgendeine­r findet es immer doof.“

 ?? FOTO: DANIEL KARMANN/DPA ?? Farbige Hände bei Kindern sind das kleinste Problem, mit dem sich eine Erzieherin oder ein Erzieher auseinande­rsetzen muss. Ob es nun aber immer die Bastelsche­re im Oberarm ist, bleibt allerdings auch dahingeste­llt.
FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Farbige Hände bei Kindern sind das kleinste Problem, mit dem sich eine Erzieherin oder ein Erzieher auseinande­rsetzen muss. Ob es nun aber immer die Bastelsche­re im Oberarm ist, bleibt allerdings auch dahingeste­llt.
 ?? SCREENSHOT: LÄM ?? Stein des Anstoßes: Diese Stellenanz­eige (Auszug) erhitzt derzeit die Gemüter, nicht mehr nur noch rund um die Gemeinde Eschach.
SCREENSHOT: LÄM Stein des Anstoßes: Diese Stellenanz­eige (Auszug) erhitzt derzeit die Gemüter, nicht mehr nur noch rund um die Gemeinde Eschach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany