CDU und CSU erhöhen Druck auf Laschet
Union grenzt sich von Liberalen ab – FDP-Landeschef sieht darin „Verzweiflungstat“
Von Claudia Kling, Theresa Gnann und Agenturen
- Angesichts schwacher Umfragewerte gerät Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) innerhalb seiner Partei zunehmend unter Druck. Wie die „Bild“berichtete, erntete Laschet in einer virtuellen Fraktionssitzung der Bundestagsabgeordneten am Freitag heftige Kritik.
So sagte Axel Müller, Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Ravensburg, demnach: „Mit einem Wort: Es ist beschissen!“Müller griff laut „Bild“auch die Parteizentrale der CDU an und verglich sie indirekt mit dem sogenannten „Volkssturm“am Ende des Zweiten Weltkriegs: „Das Adenauerhaus kommt mir manchmal wie die Reichskanzlei im April/Mai 1945 vor, ihr arbeitet mit Divisionen, die es nicht mehr gibt und schickt Rentner und die JU auf die Straße.“
Anschließend entschuldigte er sich für den „unglücklichen Vergleich“, nicht aber für die Kritik. „Mitnichten habe ich den Rücktritt unseres Spitzenkandidaten gefordert, aber wir müssen doch ehrlich sein: Wenn die CDU in keiner relevanten Umfrage, fünf Wochen vor der Wahl, bei über 30 Prozent liegt, dann haben wir die letzten Wochen nicht alles richtig gemacht“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“.
Kritik kam auch von der Schwesterpartei CSU. „Ich halte es schon für dringend notwendig, dass wir jetzt auch als Union deutlich machen, dass der Kanzlerkandidat sagt, welchen Weg er für Deutschland will“, forderte CSU-Generalsekretär Markus Blume.
Führende Unionspolitiker befürchten angesichts der sinkenden Zustimmung der Wähler, Stimmen an die FDP zu verlieren. „Jeder, der die FDP wählt, muss wissen: Der kann dann am Ende auch aufwachen mit SPD und Grünen“, sagte etwa CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mit Blick auf eine mögliche Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP.
Michael Theurer, der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag und baden-württembergische Spitzenkandidat der FDP bei der Bundestagswahl, bezeichnet diese Attacken der Union als „Verzweiflungstat“. In Baden-Württemberg habe sich die CDU vor den Grünen bei den Koalitionsverhandlungen sogar „geradezu in den Staub geworfen“, sagte Theurer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Und im Bund tragen vier Jahre Groko inhaltlich eindeutig die Handschrift der SPD.“
Laschet selbst will in der heißen Wahlkampfphase stärker als bisher auf ein Team setzen. „Wir müssen und werden mehr Köpfe zeigen und machen so deutlich, dass wir ein starkes Team sind“, wurde der CDU-Chef am Freitag nach Angaben von Teilnehmern in der Online-Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag zitiert.
In Umfragen hatte die Union zuletzt verloren, während die SPD zulegte und zum Teil an den Grünen vorbei auf Platz zwei zog.
- „Besser nicht regieren, als falsch zu regieren“– nach der Bundestagswahl 2017 ließ FDPChef Christian Lindner die Verhandlungen um eine Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und Liberalen platzen. Die Partei ging in die Opposition. Diesmal soll es anders laufen. Michael Theurer, Spitzenkandidat der FDP Baden-Württemberg, erklärt im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, warum die FDP nach der Bundestagswahl in Regierungsverantwortung will und welche Themen dabei nicht verhandelbar sind.
Herr Theurer, Sie haben sich in letzter Zeit im Wahlkampf etwas zurückgenommen. Warum?
Die viel zu frühe Geburt unserer Tochter vor rund drei Wochen rückt viele Dinge in ein anderes Verhältnis. Wenn ich diesen kleinen Menschen, diese zwei Handvoll Leben, im Brutkasten sehe, zwingt mich das zu einer ganz anderen Perspektive. Ich habe die Fragilität des Lebens und die damit verbundene eigene Hilflosigkeit noch nie so aufgezeigt bekommen. Dabei empfinde ich Demut und große Ehrfurcht. Für mich ist meine Frau der wunderbarste und bewundernswerteste Mensch. Sie hat eine unglaubliche Kraft und wir tun als Eltern, was wir können. Wir hoffen, bangen und beten und auch unsere Familie unterstützt uns nach Kräften. Auch das Ärzte- und Pflegeteam kümmert sich nicht nur fachlich exzellent, sondern mit einer aufopferungsvollen Hingabe und einem großen Einfühlungsvermögen. Ich hatte vorher schon eine Vorstellung, was in unseren Kliniken geleistet wird. Aber jetzt erlebe ich das hautnah. Wir haben einen hohen Standard in Deutschland, auf den wir stolz sein können. Aber angesichts von vielen unbesetzten Stellen in den Kliniken glaube ich, dass wir den Standard nur halten können, wenn sich strukturell etwas verändert.
Was bedeutet das für Ihren weiteren Wahlkampf?
Als Spitzenkandidat der FDP BadenWürttemberg komme ich meinen Verpflichtungen den Wählerinnen und Wählern gegenüber selbstverständlich nach. Aber in der Situation, in der wir gerade sind, hat die Familie oberste Priorität. Meine Frau und ich tun alles, was wir können, um unserer Tochter zu helfen, ins Leben zu kommen.
Die Union greift die FDP an und
sagt: Wer FDP wählt, wacht mit den Grünen und der SPD auf. Wird der Wunschpartner jetzt zum Gegner?
Die CDU weiß ja, wie es ist, mit den Grünen zu regieren. Hier in BadenWürttemberg
hat sich die CDU vor den Grünen bei den Koalitionsverhandlungen sogar geradezu in den Staub geworfen. Und im Bund tragen vier Jahre GroKo inhaltlich eindeutig die Handschrift der SPD. Vor diesem Hintergrund finde ich die Attacken der Union unglaubwürdig. In meinen Augen ist das eine Verzweiflungstat. Trotzdem glaube ich, dass Armin Laschet am Ende die Nase vorn haben wird, wenn er jetzt keine weiteren Fehler macht. Für uns als FDP ist aber sowieso etwas anderes entscheidend. Wir liegen bei Umfragen deutlich zweistellig und wir haben alle Chancen, so stark zu werden, dass wir unsere Inhalte in Verhandlungen über eine Regierungsbildung einbringen können, weil wir gebraucht werden.
Halten Sie eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP im Bund denn für denkbar?
Geordnete Staatsfinanzen bilden die Grundlage für ein funktionsfähiges Staatswesen. Außerdem brauchen wir dringend ein Ende des verfassungsmäßigen Ausnahmezustandes. Das ist uns zentral wichtig. Und dann wollen wir natürlich die Wachstumsbremse lösen. Wir wollen Fortschritt und Innovation durch Technologie. Das ist die Antwort auf die Coronaund die Klimakrise.
Kritiker sprechen hierbei von Voodoo-Politik. Einerseits soll es Steuerentlastungen geben, gleichzeitig aber Investitionen, etwa in Bildung und digitale Infrastruktur. Ein echtes Finanzierungskonzept aber fehlt …
Die FDP-Fraktion im Bundestag hat durch konkrete Haushaltsanträge bewiesen, dass wir im vergangenen Jahr mit der Hälfte der Neuverschuldung hätten auskommen können. Ähnlich sieht es in Baden-Württemberg aus. Man hat für alles und jeden Geld, aber nicht für die Entlastung der arbeitenden Mitte oder der mittelständischen Wirtschaft. Wir wollen einen Teil der Fiskalspielräume nutzen für Investitionen in Digitalisierung, Bildung und Infrastruktur. Und vor allen Dingen wollen wir entfesseln. Das günstigste Konjunkturprogramm ist doch, unnötige Bürokratie abzubauen.
Bislang stellt die FDP offiziell zwei Bedingungen: keine Steuererhöhungen und das Festhalten an der Schuldenbremse. Welche Themen sind für Sie außerdem nicht verhandelbar?
Geordnete Staatsfinanzen bilden die Grundlage für ein funktionsfähiges Staatswesen. Außerdem brauchen wir dringend ein Ende des verfassungsmäßigen Ausnahmezustandes. Das ist uns zentral wichtig. Und dann wollen wir natürlich die Wachstumsbremse lösen. Wir wollen Fortschritt und Innovation durch Technologie. Das ist die Antwort auf die Corona- und die Klimakrise.
Kann sich die FDP überhaupt leisten, noch mal eine Regierungsoption auszuschlagen?
Aber ja. Wenn etwa Frau Baerbock eine grün geführte Regierung installieren will, muss sie Partner finden und ihnen inhaltliche Zugeständnisse machen. Ohne Mehrheit gibt es nun mal keine Kanzlerschaft. Warum müssen wir erklären, was wir von unserem Programm aufgeben, um andere in Regierungsämter zu wählen? Wir müssen nicht um jeden Preis regieren. Wir wollen unsere Inhalte umsetzen. Und dazu haben wir angesichts der Umfragewerte alle Chancen. Also muss man vielleicht eher fragen: Sind die potenziellen Partner bereit, eine Brücke zur FDP zu bauen?
Angenommen, es kommt zu einer Regierungskoalition mit der FDP. Sehen wir dann vielleicht auch einen Minister Theurer?
Ich bin gerne in der Spitze der Fraktion im Bundestag tätig. Aber ein Regierungsamt würde mich natürlich schon reizen. Das Saarland, das Münsterland und auch Bayern haben je drei Minister in Berlin. Ich fände es wichtig, dass auch BadenWürttemberg in Zukunft wieder mit mindestens einem Ressortminister am Kabinettstisch vertreten ist.
Für die Bundes-FDP ist der Südwesten normalerweise eine sichere Bank. Wie viel Prozent der Wähler kann die FDP diesmal mit ihren Themen überzeugen?
Eine starke Bundes-FDP erfordert eine starke Südwest-FDP. Wir wollen in Baden-Württemberg überdurchschnittlich abschneiden und damit einen wesentlichen Beitrag zum Gesamterfolg leisten. Wenn wir bundesweit auf 12 Prozent kommen, schaffen wir in Baden-Württemberg 15.