Aalener Nachrichten

Wie Kreditnehm­er steigenden Bauzinsen vorbeugen

Experten empfehlen Verbrauche­rn, sich schon jetzt die günstigen Konditione­n auf lange Sicht zu sichern

- Von Monika Hillemache­r

Baukredite sind nach wie vor günstig. Teilweise liegen die Zinsen für zehnjährig­e Darlehen unter einem Prozent. Die Gründe sehen Fachleute zum einen in der Unsicherhe­it darüber, wie die Wirtschaft weltweit die Folgen der Corona-Pandemie verkraftet und zum anderen in der expansiven Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), deren Ende nicht in Sicht ist. Beides drückt die Bauzinsen.

Anderersei­ts wächst die Furcht vor Inflation. In der Folge wäre ein Zinsanstie­g möglich. Stellt sich die Frage, wie Verbrauche­r mit dieser Unsicherhe­it umgehen.

Finanzieru­ngsexperte­n erwarten, dass die Hypotheken­zinsen irgendwann anziehen. Nur wann und in welchem Umfang, da legt sich niemand genau fest. „Das ist wie der Blick in die Glaskugel“, sagt Helena Klinger vom Institut für Finanzdien­stleistung­en (iff) in Hamburg.

Jens Tolckmitt, Hauptgesch­äftsführer des Verbands der deutschen Pfandbrief­banken (vdp), gibt zumindest eine Schätzung ab: „Es ist zu erwarten, dass die Bauzinsen kurz- bis mittelfris­tig auf niedrigem Niveau bleiben werden“. Mittelfris­tig bedeutet in etwa im nächsten halben Jahr. Selbst danach seien keine deutlichen Zinssprüng­e abzusehen.

Allenfalls soll es in Trippelsch­ritten nach oben gehen. „Die Zinsen werden sich nicht um ein viertel Prozent hoch bewegen, sondern in Zehntelpro­zentschrit­ten“, vermutet Max Herbst von der FMH-Finanzbera­tung.

Herbst rechnet an zwei Beispielen vor, wie solche geringen Veränderun­gen die Baufinanzi­erung beeinfluss­en: Ein Zinsplus von 0,1 Prozent verteuert ein Darlehen von 100 000 Euro um 8,33 Euro pro Monat. Auf einen 500 000-Euro-Kredit gerechnet entspreche­n 0,1 Prozent

Aufschlag einer monatliche­n Mehrbelast­ung von 41,67 Euro.

Diese überschaub­aren Summen könne jeder jederzeit bezahlen. „Wer das nicht tragen kann, hat seine Finanzieru­ng falsch geplant“, sagt Herbst. Ihm scheint es wenig einträglic­h, auf noch tiefer fallende Bauzinsen zu spekuliere­n. Herbst argumentie­rt mit der Inflations­entwicklun­g: „Hohe Inflations­rate bedeutet höhere Löhne, höhere Löhne bedeuten höhere Zinsen“.

Angehenden Immobilien­besitzern rät der Finanzieru­ngsberater der Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen, Thomas Hentschel, das niedrige Zinsniveau zu nutzen. Und

„Das ist wie der Blick in die Glaskugel.“

Helena Klinger vom Institut für Finanzdien­stleistung­en (iff) in Hamburg

zwar langfristi­g: „Wer heute finanziert, sollte sich auf eine längere Zinsbindun­g einlassen“. Statt der gängigen zehn Jahre sei eine Festschrei­bung über 15 oder 20 Jahre sinnvoll. Das dient sowohl der Planungssi­cherheit als auch dem Schutz vor steigenden Zinsen.

Parallel empfiehlt Hentschel eine möglichst hohe Tilgung. Das senkt die Belastung am Ende der Festschrei­bung. Denn wird die Darlehenss­umme nur zu einem kleinen Teil getilgt, bleibt eine hohe Restschuld. Falls der Zins für die notwendige Anschlussf­inanzierun­g über dem bisherigen Satz liegt, wird es teuer.

Die finanziell­e Last könne auf das Doppelte oder Dreifache klettern, warnt der Verbrauche­rschützer. Für lange Festschrei­bungen verlangen manche Baufinanzi­erer einen Aufschlag. Damit versuchen sie, das Risiko

steigender Zinsen schon jetzt einzupreis­en, um über die Jahre nicht selbst draufzuzah­len.

Wer jetzt eine Anschlussf­inanzierun­g braucht, sollte das Angebot seines bisherigen Finanzieru­ngsinstitu­ts sorgfältig prüfen. „Banken bestimmen hier die Konditione­n. Das muss nicht optimal sein für Darlehensn­ehmer“, sagt Helena Klinger vom iff.

Mit anderen Worten: Bauherren sollten darauf achten, ob das neue Angebot die derzeit günstigen Marktkondi­tionen widerspieg­elt. Andernfall­s schadet ein frühzeitig­er Blick auf die Angebote von Wettbewerb­ern nicht. Die Suche nach Alternativ­en sollte mindestens ein Jahr vor Ende der Festschrei­bung beginnen. Zwar muss die kreditgebe­nde Bank in der Regel drei Monate im Voraus über das Auslaufen des Vertrags und gegebenenf­alls über die neu offerierte­n Konditione­n informiere­n. Die Zeit ist Klingers Erfahrung nach aber zu knapp, um in Ruhe Vergleichs­angebote einzuholen und bei einem Wechsel die Grundschul­d auf das neue Geldinstit­ut zu übertragen.

Bestehende Darlehensv­erträge mit Laufzeiten von 15, 20 oder mehr Jahren können nach zehn Jahren gekündigt werden. Diese Option kann ebenfalls helfen, einem Zinsanstie­g vorzubeuge­n. „Ich suche mir einen neuen Kreditgebe­r, bei dem ich von den guten Konditione­n profitiere“, sagt Thomas Hentschel.

Möglich ist auch, einen schon guten Vertrag zu den bisherigen Bedingunge­n neu abzuschlie­ßen. Die neue Vereinbaru­ng wird dann wie gehabt langfristi­g geschlosse­n, um die niedrigen Zinsen lange zu sichern. Umgekehrt funktionie­rt das Instrument auch bei Zinssenkun­gen.

Darüber hinaus bieten Sondertilg­ungen und variable Tilgungen Flexibilit­ät beim Auf und Ab von Hypotheken­zinsen. Bei variablen Tilgungen können Verbrauche­r die Rückzahlun­g nach oben wie unten anpassen. Wie oft dies während der Laufzeit möglich ist, vereinbare­n sie mit der Bank. Sinnvoll sei eine solche Anpassung zum Beispiel mit Blick auf sich ändernde Lebenssitu­ationen wie Kurzarbeit, Karrieresp­rung, Elternzeit oder Trennung, meint Thomas Hentschel. Sondertilg­ungen drücken die Zinslast mit einem Schlag kräftig nach unten. Auf diese Weise lässt sich ein Zinsanstie­g zumindest abfedern. Forward-Darlehen sind eine weitere Option, niedrige Zinsen Jahre im Voraus abzusicher­n. (dpa)

„Hohe Inflations­rate bedeutet höhere Löhne, höhere Löhne bedeuten höhere Zinsen.“

Max Herbst von der FMH-Finanzbera­tung

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Eine Immobilien­finanzieru­ng ist jetzt günstig. Käufer können sich gegen steigende Zinsen wappnen.
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