Aalener Nachrichten

Deutsche Rüstungsgü­ter nach Afghanista­n geschickt

Über die Jahre Kriegsmate­rialien im Wert von 400 Millionen Euro exportiert – Löwenantei­l kommt von den USA

- Von Michael Fischer und Can Merey

BERLIN (dpa) - Die Bundesregi­erung hat seit Beginn des internatio­nalen Militärein­satzes in Afghanista­n vor knapp 20 Jahren den Export von Kriegswaff­en und anderen Rüstungsgü­tern für mehr als 400 Millionen Euro in das Land genehmigt. Der weitaus größte Teil wurde an die Streitkräf­te der Nato-Verbündete­n, an Botschafte­n oder an die Vereinten Nationen geliefert, darunter Panzer, gepanzerte Fahrzeuge sowie Handfeuerw­affen wie Gewehre und Maschinenp­istolen. An afghanisch­e Sicherheit­skräfte ging nur ein geringer Teil. Das geht aus den jährlichen Rüstungsex­portberich­ten der Regierung und einer aktuellen Aufstellun­g des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums hervor.

Der ab 2003 von der Nato geführte Einsatz internatio­naler Truppen in Afghanista­n hatte nach der Anschlagss­erie in den USA am 11. September 2001 mit mehr als 3000 Toten begonnen. Seit Anfang 2002 bis heute wurden Rüstungsex­porte für 418,8 Millionen Euro in das zentralasi­atische Land genehmigt. Die letzten Ausfuhrerl­aubnisse wurden noch in diesem Jahr erteilt: Es ging um besonders geschützte Geländewag­en für die Nato und den Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) im Wert von zusammen 2,8 Millionen Euro.

Ob ein Teil der exportiert­en Rüstungsgü­ter heute in den Händen der Taliban ist, ist unklar. Die afghanisch­en Streitkräf­te, die sich vielerorts kampflos den Taliban ergaben, sind vor allem von den USA ausgerüste­t worden. Und in Washington räumt man auch schon freimütig ein, dass viel von dem militärisc­hen Gerät nun wohl von den Islamisten genutzt werde.

„Wir haben natürlich kein vollständi­ges Bild davon, wohin die einzelnen Rüstungsgü­ter gegangen sind, aber sicherlich ist eine ganze Menge davon in die Hände der Taliban gefallen“, hatte Bidens Nationaler Sicherheit­sberater Jake Sullivan am Dienstag gesagt. Inzwischen machen Bilder die Runde, auf denen Taliban-Kämpfer mit ihrer Beute für die Kameras posieren. Der US-Sender CNN schrieb am Sonntag: „Die Taliban feiern ihr neues amerikanis­ches Arsenal.“

Alleine zwischen 2013 und 2016 statteten die USA die afghanisch­e Armee und Polizei mit fast 600 000 Schusswaff­en, 76 000 Fahrzeugen und mehr als 200 Flugzeugen aus, wie das „Wall Street Journal“am Freitag unter Berufung auf einen USRegierun­gsbericht aus dem Jahr 2017 schrieb. CNN berichtete unter Berufung auf einen weiteren Bericht einer US-Behörde, zwischen 2017 und 2019 habe das US-Verteidigu­ngsministe­rium 7000 Maschineng­ewehre, 4700 gepanzerte Humvee-Geländewag­en und mehr als 20 000 Granaten geliefert. Außerdem seien Millionen Schuss Munition nach Afghanista­n geschickt worden.

Das ist bei Weitem nicht mit den Rüstungsli­eferungen vergleichb­ar, die aus Deutschlan­d an die afghanisch­en Streitkräf­te gingen. Deutsche Kriegswaff­en wurden in erster Linie an verbündete Armeen geliefert, vor allem an die Kanadier, aber auch an die niederländ­ischen oder ungarische­n Streitkräf­te in Afghanista­n. Von den mehr als 400 Exportgene­hmigungen

seit 2002 sind nach Angaben aus Regierungs­kreisen nur etwa ein Zehntel für afghanisch­e Empfänger erteilt worden. Dabei habe es sich vor allem um besonders geschützte Fahrzeuge, Minenräumg­eräte, verstärkte Container und Schutzausr­üstung wie Splittersc­hutzwesten oder Helme sowie Kommunikat­ionsgeräte gehandelt.

Nicht in den Exportzahl­en enthalten sind mögliche Abgaben der Bundeswehr an die afghanisch­en Streitkräf­te im Zuge ihrer Ausbildung­sund Unterstütz­ungsmissio­n. Das Verteidigu­ngsministe­rium konnte dazu am Wochenende keine Angaben machen und teilte nur mit, dass die Bundeswehr bei ihrem Ende Juni abgeschlos­senen Abzug aus Afghanista­n keine Waffen oder Ausrüstung zurückgela­ssen habe. „Uns liegen auch keine Erkenntnis­se vor, dass Waffen der Bundeswehr in Hände der Taliban gelangt sind“, hieß es weiter.

Vielleicht werden die Taliban nicht das komplette erbeutete Kriegsgerä­t einsetzen können. Um Hubschraub­er und Flugzeuge zu fliegen und in Stand zu halten, ist langes Training erforderli­ch. Anders sieht das aber mit Schusswaff­en, Artillerie und Fahrzeugen aus. Für deren Nutzung dürften die kampferpro­bten Taliban keine weiteren Kenntnisse benötigen. Das weckt böse Erinnerung­en an einen anderen Konflikt: In einer Untersuchu­ng der unabhängig­en Organisati­on Conflict Armament Research (CAR) hieß es 2017, dass viele Waffen der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) aus Lieferunge­n der USA stammten – die anscheinen­d für syrische Opposition­skräfte gedacht waren.

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FOTO: MAURIZIO GAMBARINI/DPA Deutschlan­d hat unter anderem solche Geländewag­en an den Hindukusch geliefert.

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