Das Rote Kreuz verpflegt das Ahrtal
Am Rande des Katastrophengebiets ist ein einzigartiger Stützpunkt entstanden – Doch es fehlen Helfer
(dpa) - Mitten in der Nacht beginnen die Helferinnen und Helfer mit den Vorbereitungen für das Mittagessen im Katastrophengebiet an der Ahr. Es gibt Chili. Zwischen 10000 und 13000 Portionen werden in 15 Zelt-Küchen auf einem riesigen Parkplatz in der Gemeinde Grafschaft in Rheinland-Pfalz vorbereitet und gekocht. „Vier Sattelzüge mit Lebensmitteln kommen am Tag an“, sagt Einsatzleiter Uwe Mauch vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). „Das ist das erste Mal, dass in Deutschland so ein Verpflegungszentrum aufgebaut wurde“, berichtet der international erfahrende DRK-Fachmann aus Mannheim. Unwetter mit extrem starken Regenfällen hatten Mitte Juli im Westen Deutschlands eine Hochwasserkatastrophe mit mehr als 180 Toten ausgelöst. Das Ahrtal wurde besonders schwer getroffen.
Rund 110 ehrenamtliche DRK-Helfer und -Helferinnen aus ganz Deutschland sind auf dem Parkplatz des Süßigkeitenherstellers Haribo seit dem 1. August mit der Essensversorgung für die Menschen in der Region beschäftigt. Dazu kommen etwa 60 Helfer im Fahrdienst und zehn Verwaltungskräfte. „Es wird von Woche zu Woche schwerer, genug Personal zu bekommen“, sagt Uwe Mauch.
Viele Ehrenamtliche wollten zwar länger bleiben und gingen mit Tränen in den Augen, wurden aber wegen der Belastungen nach einer Woche erst einmal ausgetauscht. „Wir fangen um 2 Uhr an und kochen bis etwa 8 Uhr“, sagt Uwe Mauch. Nach dem Kochen und Verladen wird geputzt. „Von 14, 15 Uhr bis morgens um 2 Uhr haben die Helfer Zeit, um zu regenerieren.“Sie übernachten in einer Jugendherberge oder einer Rehaklinik.
Die Kosten für das Verpflegungszentrum beziffert Uwe Mauch auf rund 250 000 Euro pro Tag. Das Gros komme aus Spenden und sei für die Lebensmittel. Viele Arbeitgeber berechneten aber auch den Verdienstausfall ihrer Beschäftigten. „Dass die Helfer ein oder zwei Wochen freigestellt werden, ist die Ausnahme.“
Eine 22-jährige KrankenpflegerinAzubi aus Düsseldorf etwa ist ihrem Arbeitgeber dankbar für zwei freie Tage, an den anderen hat sie sowieso frei. Andreas (35) kommt aus dem Sportvertrieb und ist betriebsbedingt ohnehin freigestellt. Michaela Dürr, Schulsekretärin aus Unterfranken, hat gerade Ferien, war aber auch ein paar Tage freigestellt, ebenso wie Peter Matzke, IT-Administrator aus dem hessischen Rheingau-Taunus-Kreis.
Pro Durchgang werden in einer Küche etwa 370 Liter Mittagessen gekocht. „Und drei bis vier Durchgänge gibt es pro Küche“, sagt Uwe Mauch. Eine Standardportion entspreche etwa 350 Millilitern. Für hart körperlich arbeitende Helfer sei das aber zu wenig. „Brückenbauer zum Beispiel brauchen mehr, bis zu 6000 Kalorien am Tag.“Für sie gebe es dann schon mal einen dreiviertel Liter statt der 350 Milliliter – und Powerriegel.
Das fertig gekochte Essen wird in sogenannte Thermophore gefüllt, verladen und mit 25 Fahrzeugen – Sprintern und Kleinbussen – an die 42 Ausgabepunkte im Katastrophengebiet
im Ahrtal gebracht. Zur „Warmverpflegung“kommen Mineralwasser, Brötchen, Obst und verschiedene Lebensmittel als Angebot für Frühstück und Abendessen – ebenfalls jeweils für etwa 13 000 Menschen. „Die Leute sollen sich davon nehmen, was sie möchten, sonst fliegt zu viel weg“, sagt Uwe Mauch. Trinkwasser bringe eine andere Abteilung des DRK in großen Mengen.
Die zu bewältigenden Strecken sind weit. Sie erstrecken sich im Osten auf 20 und im Westen auf 65 Kilometer Luftlinie, wie Uwe Mauch sagt. „65 Kilometer Luftlinie sind aber 143 Kilometer entfernt.“
Putengeschnetzeltes mit Nudeln und Salat stand am Vortag auf dem Speiseplan für das Mittagessen. Am nächsten Tag soll es dank einer größeren Spende von Nürnberger Bratwürsten Currywurstpfanne geben – und für die Vegetarier Kartoffelgulasch. „Wir arbeiten nach internationalen Vorgaben“, erklärt Uwe Mauch. Daher gebe es auch immer eine vegetarische Variante.
An der Essensausgabe am Bahnhof im Stadtteil Ahrweiler warten um kurz vor 12 Uhr schon zwei Rentner und eine Frau mit ihrer kleinen Tochter. Die beiden Männer, denen es noch immer an Wasser und Strom fehlt, waren schon öfter da. „Eine kleine warme Mahlzeit mittags ist wichtig“, sagt Fritz Hardes. „Ich bin sehr dankbar, was man alles bekommt. Keiner muss hungern“, ergänzt Rudolf Siegmund, der dazukommt. An der Ausgabestelle am Marktplatz kritisieren Anwohner die auf zweieinhalb Stunden begrenzten Ausgabezeiten. Dies sei aber im europäischen Lebensmittelrecht so vorgeschrieben, erklärt Uwe Mauch.
Innerhalb kürzester Zeit bildet sich eine lange Schlange – darunter sind viele Helfer aus dem In- und Ausland, manche sprechen kaum Deutsch. „Verpflegezentrum Zehntausend“heißt der DRK-Stützpunkt. Für so viele Essen sei er ursprünglich ausgelegt worden. „Jetzt geht der Bedarf
leicht zurück“, sagt Uwe Mauch. Viele hätten inzwischen zumindest wieder Notstrom, die Wasserversorgung solle bis Mitte Oktober wieder funktionieren. „Am Oberlauf an der Ahr wird das aber noch eine Weile dauern.“