Grüne wollen in den Politik-Führerstand
Landes-Spitzenkandidatin Franziska Brantner wirbt in Ellwangen um Stimmen
- Die Grünen wollen in den „Führerstand“der Bundespolitik. Diese Parole hat Berthold Weiß, der Vorstandssprecher des Kreisverbands Aalen-Ellwangen der Bündnisgrünen, am Rand der Wahlveranstaltung mit der baden-württembergischen Spitzenkandidatin Franziska Brantner ausgegeben. Die Spitzenpolitikerin der Grünen sprach sich in Ellwangen für einen zielorientierten Politikansatz aus: Der Staat müsse in der Lage sein, die Daseinsvorsorge für die Bürger besser zu leisten als das bisher der Fall sei.
„In diesem Land sind wir viel weiter als die aktuelle Bundesregierung“, stellte Franziska Brantner gegenüber der Presse fest. Der Besuch bei der EnBW ODR in Ellwangen habe sie in dieser Überzeugung bestätigt. Der regionale Energieversorger, der mit dem Netzausbau vorankommen wolle, werde in einigen Punkten durch die Berliner Politik ausgebremst. Man habe Ideen, man habe Know-how, es fehle nicht einmal am Geld, aber an den gesetzlichen Rahmenbedingungen, berichtete die Grünen-Spitzenkandidatin.
In ihrer Rede im voll besetzten Wintergarten des Ellwanger „Taj
Mahal“warb Franziska Brantner angesichts der aktuellen Probleme für einen Politikansatz, bei dem nicht die Frage „Wer ist zuständig?“im Vordergrund stehe, sondern die Frage, wie ein Ziel erreicht werden könne. „Wir haben sehr viel Regulierung, die uns Sicherheit geben soll. Und wenn’s knallt, merken wir, dass die politischen Ebenen nicht so gut kooperieren.“
Brantner sprach in diesem Zusammenhang von „organisierter Verantwortungslosigkeit“und forderte einen Modernisierungs- und Föderalismuskonvent, der Regeln für die Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen festlegen solle. Man müsse den Fokus in Politik und Verwaltung verändern und sehen, wo Bürokratie abgebaut werden könne, damit der Staat „tüchtiger“werde. „Es geht nicht um mehr oder weniger Staat, sondern um einen tüchtigeren Staat, der die Daseinsvorsorge besser leistet.“
Das sei eine große Aufgabe, die sicher nicht von heute auf morgen zu leisten sei, räumte Franziska Brantner ein. „Wir wollen davon wegkommen, dass immer erst gehandelt wird, wenn’s knallt“, sprach sich die Spitzenkandidatin für eine vorausschauendere Politik aus. Das könne man an der Klimakrise, beim Katastrophenschutz und auch beim aktuellen Thema Afghanistan sehen.
Zur Lage in Afghanistan meinte Brantner, die Furcht vor der AfD habe dazu beigetragen, dass die Bundesrepublik erst so spät damit begonnen habe, die Ortskräfte wie Übersetzer oder Fahrer aus dem Land zu holen. Es sei „eine Frage von Anstand und Treue“, sich um diese Menschen zu kümmern. Frankreich habe bereits im Mai angefangen, die Mitarbeiter aus dem Land zu holen.
In Bezug auf die Klimakrise sagte die Grünen-Spitzenkandidatin, es liege an Deutschland und Europa, zu beweisen, dass Klimaschutz und Wohlstand zusammengehen könnten. Deutschland und Europa hätten zudem die Ressourcen, um die hierfür nötigen Techniken und Innovationen zu entwickeln, die dann weltweit genutzt werden könnten: „Wenn wir das nicht schaffen, sind wir irgendwann die verlängerte Werkbank von China.“
Als weiteres zentrales Thema führte Franziska Brantner die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum an. Bildung, Gesundheit und Infrastruktur vor Ort sowie bezahlbaren Wohnraum nannte die Nummer Eins der baden-württembergischen Landesliste als Voraussetzung, dass gut ausgebildete Fachkräfte auch im ländlichen Raum bleiben.
In punkto Landwirtschaft kritisierte die Bundestagsabgeordnete Margit Stumpp, dass der Landesbauernverband in erster Linie die Interessen der Großbauern vertrete und nicht die Familienbetriebe der Region, die neben der Erzeugung von Nahrungsmitteln auch viel für die Arterhaltung und die Landschaftspflege leisteten. „Die Leute machen ihre Arbeit mit Herzblut und wollen das an die nächste Generation weitergeben. Die sagen auch, ihre Kinder würden das gerne weiter betreiben, aber sie müssen eine Perspektive bekommen“, betonte Margit Stumpp.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) habe hier „kläglich“versagt, meinte Stumpp. Anstatt sich mit den Landwirten der Region an einen Tisch zu setzen, posiere sie für Fotos mit dem Chef des Nahrungsmittelkonzerns Nestlé. Dagegen stehe der Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit seinem Ansatz, alle Beteiligten, also die Nestlés, aber auch die kleineren Landwirte, an einen Tisch zu holen, und sie auf ein gemeinsames Ziel zu verpflichten.
Zu ihren persönlichen Ambitionen sagte die baden-württembergische Spitzenkandidatin auf Nachfrage: „Ich übernehme gerne Verantwortung, und zwar da, wo sie dem Team am besten dient.“Es sei jedenfalls alles drin. Das aktuelle ZDF-Politbarometer sieht die Grünen nur zwei Prozentpunkte hinter CDU und SPD, die beide auf 22 Prozent kommen. „So spannend war es noch nie“, schmunzelte Franziska Brantner.