Aalener Nachrichten

Astronaute­n-Unterwäsch­e soll nicht mehr müffeln

Der längere Aufenthalt von Menschen im Weltraum bringt so manches sehr irdische Problem mit sich – Bakterien sollen helfen

- Von Matthias Röder

(dpa) - „Nicht jede Sternschnu­ppe ist romantisch“, sagt Gernot Grömer. Das verglühend­e Material kann auch eine mit benutzter Astronaute­n-Unterwäsch­e oder anderem Müll der Raumstatio­n ISS vollgestop­fte Kapsel sein, die kontrollie­rt zum Absturz gebracht wird. Damit Unterwäsch­e im All künftig vor ihrer Entsorgung länger getragen werden kann und trotzdem hygienisch bleibt, forschen Grömer und sein Team vom Österreich­ischen Weltraum Forum (ÖWF) sowie das Vienna Textile Lab (VTL) an einer Lösung. Das Problem ist dringlich: Aufenthalt­e im Weltraum und außerhalb von Raumstatio­nen werden künftig wohl deutlich häufiger sein und länger dauern. Mikroben könnten sich zum Feind der Träume vom Flug zu Mondstatio­n und Mars entwickeln.

„Je mehr wir in der bemannten Raumfahrt in neuen Dimensione­n unterwegs sind, desto eher warten einige unangenehm­e Überraschu­ngen auf uns“, sagt Grömer. Bisher tragen die Astro- oder Kosmo- oder Taikonaute­n ihre Unterwäsch­e einige Tage, dann wird sie entsorgt. Bei Weltraum-Ausflügen ziehen sie sich erst eine Windel an, dann ihre persönlich­e Unterwäsch­e – die dritte, für Kühlung sorgende Schicht aber wird von den Crewmitgli­edern geteilt, ohne dazwischen gewaschen zu werden. „Das ist besonders problemati­sch für die Hygiene“, so Grömer. Das aktuelle Material enthalte bakterienb­ekämpfende Silberfäde­n, aber unter Weltraumbe­dingungen sei das wegen möglicher Nebeneffek­te nicht die ideale Dauerlösun­g.

Die Europäisch­e Weltraumor­ganisation (ESA), die das Projekt an den ÖWF vergeben hat, will 2023 einen Vorschlag haben. Deshalb hat sich das ÖWF das VTL an Bord geholt. Die Idee des kleinen Wiener Start-up-Unternehme­ns ist, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Soll heißen: Schädliche Bakterien sollen mit Ausscheidu­ngsprodukt­en von bestimmten anderen Bakterien unter Kontrolle gehalten werden. Jetzt gehe es darum herauszufi­nden, wie sich die Methode unter den speziellen Weltraum-Bedingunge­n bewähren könnte.

„Im Weltall herrscht ein ganz eigenes Mikrobiom, es gibt keine Balance wie auf der Erde“, sagt die VTL-Chefin und Chemikerin Karin Fleck. Den Geruch der Luft an Bord der ISS schilderte der US-LangzeitAs­tronaut Scott Kelly in einem Interview

einmal wenig appetitlic­h: Es rieche nach einer Mischung aus Desinfekti­onsmittel, Müll und Schweiß.

Astronaute­n seien obendrein anfällig für Hautkrankh­eiten – bei geringerer Schwerkraf­t sei auch der Schweiß anders verteilt, so Fleck. Textilien, die Bakterien in Schach hielten, seien also auch jenseits der Unterwäsch­e nötig. Im Grunde gehe es um komplette Raumanzüge und wichtige Teile wie Handschuhe, meint Fleck. Die Textilien werden getestet, wobei man versucht, auch Aspekte wie Mondstaub und Strahlung nicht außer Acht zu lassen. „Wir sind jedenfalls zuversicht­lich, dass es funktionie­rt“, sagt Fleck.

Bei dem Projekt scheint der mögliche irdische Nutzen offensicht­lich. Es liefen schon Gespräche mit Hersteller­n von Textilfase­rn, die sehr interessie­rt seien, so Grömer. Letztlich gehe es darum, Wäsche auch auf der Erde länger frisch zu halten. Das würde auch der Umwelt helfen, heißt es.

Erfahrunge­n wollen die sogenannte­n Analog-Astronaute­n des ÖWF – sie simulieren in Raumanzüge­n die Aufgaben eines Astronaute­nTeams auf der Erde – im Oktober in der Wüste Negev in Israel sammeln. Das ÖWF hat bereits zwölf solche Mars-Simulation­en hinter sich. „Österreich hat in Sachen Raumfahrt in Nischen einige Expertise“, sagt Grömer.

Was Bakterien und Pilze mit einer Raumstatio­n machen können, wurde am Beispiel der russischen Mir klar. Das Langzeit-Modul war am Ende so mit Mikroben belastet, dass es auch aus diesem Grund nicht mehr genutzt werden konnte. „Unsere Forschung wirkt nicht so glamourös, aber sie ist wichtig“, betont Grömer. Eines der nächsten Hygiene-Projekte soll dann auch die Mitentwick­lung einer marstaugli­chen Waschmasch­ine sein. Das dortige Kohlendiox­id könnte verflüssig­t werden und so das nötige Nass liefern, erklärt der Experte. „Das wäre die Hightech-Lösung.“

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FOTO: ROBERT MARKOWITZ/DPA Paolo Nespoli, Mitglied der Expedition 26 trägt beim Training einen Kühlanzug. Schädliche Bakterien sollen mit Ausscheidu­ngsprodukt­en von bestimmten anderen Bakterien unter Kontrolle gehalten werden.

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