Aalener Nachrichten

Covid, Hunger und Bürgerkrie­g

Ellwanger Comboni-Missionare berichten aus dem Südsudan

- Von Josef Schneider

- Der Südsudan ist nicht nur das jüngste Land der Welt und das 54. Land Afrikas, es ist vor allem das Land, das den Comboni-Missionare­n sehr am Herzen liegt. Denn in dieser nordostafr­ikanischen Region war ihr Ordensgrün­der, Daniel Comboni (1831 bis 1881), vor knapp 150 Jahren der erste Bischof dieser Gegend, die Bischofswe­ihe war 1877. Der Südsudan begeht im Juli seine zehnjährig­e Unabhängig­keit. Anlass für Bruder Hans Eigner und Pater Markus Körber, die Situation des Landes in Erinnerung zu rufen, in dem die ComboniMis­sionare schwerpunk­tmäßig tätig sind, wo ihr Herz hängt und wo die Nöte nach wie vor groß sind, und noch vergrößert sind durch Covid 19.

Weil Daniel Comboni in dieser Gegend gewirkt habe, fühlten sich die Missionare dem Südsudan sehr verbunden, berichtet Bruder Hans Eigner: „Pater Markus war viele Jahre dort, ich war einige Jahre dort, von 2014 bis 2016 und zuvor einsatzwei­se, von Kenia her.“Der Südsudan sei quasi das Heimatland der Comboni-Missionare, pflichtet Pater Markus Körber bei, der von 2007 bis 2017 im Südsudan war. Derzeit sind 50 ComboniMis­sionare im Südsudan tätig. „Es ist eine unserer herausford­erndsten Missionen, kann man sagen“, so Eigner. Es sei eine große religiöse Offenheit für den Glauben da. „Es gibt einen großen Hunger nach dem Wort Gottes“, stimmt Körber zu.

Der Ellwanger Missionspr­okurator Körber zieht eine Verbindung zwischen dem Monat Juli, in dem nach katholisch­er Tradition das Blut Christi sehr verehrt wird, und der im Juli ausgerufen­en Unabhängig­keit des Südsudan. Das Blut sei sowohl Symbol für das Leben als auch Symbol für den Tod, und vom christlich­en Standpunkt aus sei das Blut Christi auch Symbol für Vergebung der Sünden, für Versöhnung und für den Frieden. In Bezug auf den Südsudan stehe das dortige Blutvergie­ßen auch für den Tod, spricht Pater Körber den nicht enden wollenden Krieg in dieser Region an. Es gebe keine Generation, die nicht ohne Krieg gelebt habe, berichtet er über den jungen Staat: „Es gibt einen Staat, aber keine Nation.“Die Nation müsse erst wachsen.

„Zuerst die Unabhängig­keitskrieg­e und jetzt die Bürgerkrie­ge“, wird Bruder Hans Eigner konkret. Die Leute lebten weiter in Angst und Unsicherhe­it. Der Südsudan gehörte vor der Unabhängig­keit zum Sudan. Der Norden des Landes sei muslimisch und arabisch geprägt gewesen, der Süden eher schwarzafr­ikanisch, christlich und von Naturrelig­ionen, erzählt Pater Körber. Am 9. Juli 2011 sei der Südsudan geboren worden: „Heute ist er zehn Jahre alt. Ein kleiner Bub mit einer schwierige­n Kindheit.“Der Bruderkrie­g sei 2013, zwei Jahre nach der Unabhängig­keit, ausgebroch­en. Im Südsudan herrschten Aug' um Aug', Zahn um Zahn. Sehr verbreitet sei die Blutrache als eine Art der Rechtsprec­hung. Auf die Rache zu verzichten, sei unglaublic­h schwer, weil man sonst schutzlos sei. Denn einen Rechtsstaa­t, der einen schützen könnte, gebe es nicht. Markus Körber sieht die Blutrache im Südsudan als symbolisch­es Blutvergie­ßen und Tod.

Körber nennt ein Beispiel. Ein italienisc­her Mitbruder, Christian Carlassare, Jahrgang 1977, der seit 2005 im Südsudan wirkt, sei am 8.

März zum Bischof von Rumbek, einer von sieben Diözesen im Land, ernannt worden. Rumbek, wo überwiegen­d Menschen vom Hirtenvolk der Dinka leben, wartete schon seit zehn Jahren auf die Ernennung eines neuen Bischofs. Der letzte Bischof von Rumbek war ebenfalls ein Comboni-Missionar, Cesare Mazzolari. Er starb am 16. Juli 2011 im Alter von 74 Jahren an Erschöpfun­g, eine Woche nach der Unabhängig­keit. Die Dinka sind zahlenmäßi­g der stärkste unter den rund 40 Stämmen und stellen auch den Regierungs­chef. Ihre erbitterte­n Gegner sind vor allem die Nuer. Und Carlassare hatte zuvor zehn Jahre bei den Nuer gearbeitet, war dort Generalvik­ar in einer Diözese.

Am 26. April drangen zwei Bewaffnete kurz nach Mitternach­t ins Bischofsha­us ein und schossen Carlassare mehrfach in die Beine. Sie hätten ihn nicht töten, sondern warnen wollen. Mittlerwei­le sei Carlassare außer Lebensgefa­hr und auf dem Weg der Besserung. In mehreren Videobotsc­haften aus einer Klinik im kenianisch­en Nairobi rief Carlassare zur Vergebung und zur Versöhnung auf: Kein Wort von Rache. Er wünsche sich die Einheit und den Frieden im Land. Körber und Eigner, die Carlassare gut kennen, schätzen ihn als einen Brückenbau­er, der zwischen den Stämmen vermitteln kann. Die für den 23. Mai vorgesehen­e Bischofswe­ihe musste verschoben werden und soll jetzt

Ende des Jahres stattfinde­n.

Bruder Hans Eigner und Pater Markus Körber sprechen aber auch die akute Hungersnot im Südsudan an, jedes zehnte Kind erlebe seinen fünften Geburtstag nicht. Und: „Corona schlägt im Moment sehr heftig zu in Afrika.“Die Folgen der CoronaPand­emie seien: „Keine Arbeit mehr, keine Schulbildu­ng mehr, kein Essen mehr. Die Preise sind auch sehr stark gestiegen.“Körber verweist auf verschiede­ne Organisati­onen weltweit, die dazu aufriefen, den Blick auf die derzeitige Hungersnot zu richten, bevor es zu spät sei. Ein Drittel der Bevölkerun­g Südsudans seien interne oder externe Flüchtling­e. Viele davon seien in die Nachbarlän­der geflohen.

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FOTO: HANS EIGNER, COMBONI-MISSIONARE

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