Corona lässt Zahl der Organspenden weltweit sinken
Studie beziffert den Rückgang 2020 in 22 untersuchten Ländern aus vier Kontinenten auf 15,9 Prozent
(KNA) - Die Zahl der Organtransplantationen ist im vergangenen Jahr in vielen Ländern vor allem während der ersten Welle der Pandemie deutlich zurückgegangen. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die die Zeitschrift „Lancet Public Health“veröffentlicht hat und über die das „Deutsche Ärzteblatt“berichtet.
Ein Team um Alexandre Loupy vom „Paris Translational Research Center for Organ Transplantation“hat die Erfahrungen aus 22 Ländern von vier Kontinenten im ersten Jahr der Pandemie zusammengefasst. Die größten Einbrüche bei den Transplantationen gab es im Frühjahr während der ersten Welle. Im Sommer stiegen in den meisten Ländern die Transplantationszahlen, im Winter kam es zu einem erneuten Einbruch.
Laut Studie gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern: In Deutschland wurden nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation im vergangenen Jahr 3016 Organe nach postmortaler Spende übertragen, 176 Organe oder fünf Prozent weniger als in 2019. Bei den Lebendspenden gab es sogar ein Minus von 13 Prozent: Ihre Zahl sank von 574 auf 502. Insgesamt würde das einen Rückgang von 10,5 Prozent bedeuten, so die Studie.
In Japan (minus 66,7 Prozent), Argentinien (minus 60,9 Prozent) und
Chile (minus 54,0 Prozent) brach das Transplantationsprogramm weitgehend zusammen.
Andere Länder konnten ihr Transplantationsvolumen trotz einer hohen Zahl von Covid-19-Todesfällen relativ gut halten. In Belgien gingen die Transplantationen nur um 22,5 Prozent und in Italien nur um 16,2 Prozent zurück. In den USA hat die Pandemie kaum Auswirkungen auf die Transplantationszahlen gehabt (minus 4,1 Prozent). Auch die Schweiz (minus 1,3 Prozent) blieb weitgehend unbehelligt. Slowenien konnte sein Transplantationsprogramm sogar noch ausweiten (plus 8,4 Prozent).
Insgesamt kam es in den 22 Ländern zu einem Rückgang um 15,9 Prozent oder 11 250 Organtransplantationen. Dabei ging die Zahl der Transplantationen nach postmortalen Spenden um elf Prozent oder 6169 zurück, die Zahl der Organübertragungen nach Lebendspende aber um 39,5 Prozent oder 4857 (genauere Zahlen aus Kanada fehlen). Bei den Gesamtzahlen waren Nierentransplantationen (minus 19,1 Prozent) am stärksten betroffen; es folgen Lebertransplantationen (minus 10,6 Prozent), Lungentransplantationen (minus 15,5 Prozent) und Herztransplantationen (minus 5,4 Prozent).
Eine Organtransplantation stellt hohe medizinische und organisatorische Anforderungen an das Gesundheitswesen. Bei postmortalen Organspenden muss ein enges Zeitfenster zwischen der Entnahme und der Transplantation eingehalten werden, was nur bei einer engen Kooperation der Kliniken möglich ist.
Dass der Rückgang bei den Nierentransplantationen am größten war, dürfte nach Einschätzung der Wissenschaftler darauf zurückzuführen sein, dass die Transplantation meist nicht unmittelbar lebensnotwendig ist. Die Dialyse macht eine Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt möglich.
Zudem scheint der Schutz der Lebendspender eine Rolle gespielt zu haben. „Bei Lebendspenden hat die Gesundheit des Spenders oberste Priorität, was bei hohen Covid-19Fallzahlen in einer Klinik schwerfallen kann“, analysiert das „Ärzteblatt“die Zahlen.
Obwohl die Daten zeigen, dass Corona erhebliche Auswirkungen auf die Zahl der Transplantationen hatte, lässt sich der Anteil der Pandemie nicht genau beziffern.
So gibt es in Deutschland seit Jahren einen Negativtrend, der auf dem Rückgang der Spenderzahlen beruht und möglicherweise auch mit einem Vertrauensverlust der Transplantationsmedizin, eventuell auch der Strukturen des Gesundheitssystems, zusammenhängt.