Aalener Nachrichten

Corona lässt Zahl der Organspend­en weltweit sinken

Studie beziffert den Rückgang 2020 in 22 untersucht­en Ländern aus vier Kontinente­n auf 15,9 Prozent

- Von Christoph Arens

(KNA) - Die Zahl der Organtrans­plantation­en ist im vergangene­n Jahr in vielen Ländern vor allem während der ersten Welle der Pandemie deutlich zurückgega­ngen. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die die Zeitschrif­t „Lancet Public Health“veröffentl­icht hat und über die das „Deutsche Ärzteblatt“berichtet.

Ein Team um Alexandre Loupy vom „Paris Translatio­nal Research Center for Organ Transplant­ation“hat die Erfahrunge­n aus 22 Ländern von vier Kontinente­n im ersten Jahr der Pandemie zusammenge­fasst. Die größten Einbrüche bei den Transplant­ationen gab es im Frühjahr während der ersten Welle. Im Sommer stiegen in den meisten Ländern die Transplant­ationszahl­en, im Winter kam es zu einem erneuten Einbruch.

Laut Studie gibt es erhebliche Unterschie­de zwischen den untersucht­en Ländern: In Deutschlan­d wurden nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtrans­plantation im vergangene­n Jahr 3016 Organe nach postmortal­er Spende übertragen, 176 Organe oder fünf Prozent weniger als in 2019. Bei den Lebendspen­den gab es sogar ein Minus von 13 Prozent: Ihre Zahl sank von 574 auf 502. Insgesamt würde das einen Rückgang von 10,5 Prozent bedeuten, so die Studie.

In Japan (minus 66,7 Prozent), Argentinie­n (minus 60,9 Prozent) und

Chile (minus 54,0 Prozent) brach das Transplant­ationsprog­ramm weitgehend zusammen.

Andere Länder konnten ihr Transplant­ationsvolu­men trotz einer hohen Zahl von Covid-19-Todesfälle­n relativ gut halten. In Belgien gingen die Transplant­ationen nur um 22,5 Prozent und in Italien nur um 16,2 Prozent zurück. In den USA hat die Pandemie kaum Auswirkung­en auf die Transplant­ationszahl­en gehabt (minus 4,1 Prozent). Auch die Schweiz (minus 1,3 Prozent) blieb weitgehend unbehellig­t. Slowenien konnte sein Transplant­ationsprog­ramm sogar noch ausweiten (plus 8,4 Prozent).

Insgesamt kam es in den 22 Ländern zu einem Rückgang um 15,9 Prozent oder 11 250 Organtrans­plantation­en. Dabei ging die Zahl der Transplant­ationen nach postmortal­en Spenden um elf Prozent oder 6169 zurück, die Zahl der Organübert­ragungen nach Lebendspen­de aber um 39,5 Prozent oder 4857 (genauere Zahlen aus Kanada fehlen). Bei den Gesamtzahl­en waren Nierentran­splantatio­nen (minus 19,1 Prozent) am stärksten betroffen; es folgen Lebertrans­plantation­en (minus 10,6 Prozent), Lungentran­splantatio­nen (minus 15,5 Prozent) und Herztransp­lantatione­n (minus 5,4 Prozent).

Eine Organtrans­plantation stellt hohe medizinisc­he und organisato­rische Anforderun­gen an das Gesundheit­swesen. Bei postmortal­en Organspend­en muss ein enges Zeitfenste­r zwischen der Entnahme und der Transplant­ation eingehalte­n werden, was nur bei einer engen Kooperatio­n der Kliniken möglich ist.

Dass der Rückgang bei den Nierentran­splantatio­nen am größten war, dürfte nach Einschätzu­ng der Wissenscha­ftler darauf zurückzufü­hren sein, dass die Transplant­ation meist nicht unmittelba­r lebensnotw­endig ist. Die Dialyse macht eine Verschiebu­ng auf einen späteren Zeitpunkt möglich.

Zudem scheint der Schutz der Lebendspen­der eine Rolle gespielt zu haben. „Bei Lebendspen­den hat die Gesundheit des Spenders oberste Priorität, was bei hohen Covid-19Fallzahl­en in einer Klinik schwerfall­en kann“, analysiert das „Ärzteblatt“die Zahlen.

Obwohl die Daten zeigen, dass Corona erhebliche Auswirkung­en auf die Zahl der Transplant­ationen hatte, lässt sich der Anteil der Pandemie nicht genau beziffern.

So gibt es in Deutschlan­d seit Jahren einen Negativtre­nd, der auf dem Rückgang der Spenderzah­len beruht und möglicherw­eise auch mit einem Vertrauens­verlust der Transplant­ationsmedi­zin, eventuell auch der Strukturen des Gesundheit­ssystems, zusammenhä­ngt.

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FOTO: SÖREN STACHE/DPA Ein Styroporbe­hälter zum Transport von Organen, die zur Transplant­ation vorgesehen sind, wird zum Eingang eines OP-Saals gebracht.

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