Körperschmuck ist nun doch erlaubt
Nach Diskriminierungsvorwurf: Nördlinger Schule nimmt jetzt auch Gepiercte.
- Die Fachakademie für Sozialpädagogik Maria Stern in Nördlingen darf jetzt auch von Schülerinnen und Schülern mit Körperschmuck besucht werden. Vorausgegangen war der Fall einer Aalenerin, die die Einrichtung wegen ihrer Tattoos und Piercings im vergangenen Jahr verlassen musste. Daraufhin warf sie der Schule Diskriminierung vor.
Der „Fall Lisa Lang“, über den die „Ipf- und Jagst-Zeitung / Aalener Nachrichten“im Oktober 2020 zuerst berichtet hatte, schlug medial hohe Wellen. Auch die WDR-Talksendung „Die letzte Instanz“mit Moderator Steffen Hallaschka griff das Schicksal der heute 24-Jährigen auf und machte es zum Aufhänger für eine Diskussion rund um Körperschmuck in pädagogischen Einrichtungen.
Die Aalenerin berichtete damals, dass sie von der Schulleiterin der Nördlinger Fachakademie vor die Wahl gestellt worden sei. Entweder hätte sie ihre Tattoos abdecken und die Piercings entfernen oder ansonsten die Schule wieder verlassen sollen. Lang zog die Konsequenz und suchte sich eine neue Einrichtung, an der sie ihre Erzieherausbildung absolvieren konnte.
Auf Anfrage pochte die Schulleitung auf die gültige Hausordnung. Außer einem Nasenstecker waren keinerlei Piercings gestattet. Lisa Lang jedoch besaß insgesamt drei Piercings sowie einen Ohrtunnel und mehrere Tätowierungen. UtaMaria Steybe, Beauftragte für Chancengleichheit der Stadt Aalen, urteilte damals, nachdem sie von Lisa Lang erfahren hatte: „Ein eindeutiger Verstoß gegen das Diskriminierungsgesetz.“
Mit dem Verbot, Körperschmuck offen zu tragen, ist jetzt allerdings Schluss, wie Peter Kosak, Direktor des Schulwerks der Diözese Augsburg, bestätigt. Das Schulwerk ist der Träger der Fachakademie. Die Hausordnung der Schule habe man zum neuen Schuljahr 2021/22 hin überarbeitet. Die Vorgaben zu Tattoos und Piercings seien dabei entfernt worden, so Kosak. Studierende könnten damit ab dem neuen Schuljahr Tattoos und Piercings an der Schule tragen.
Mit einer Ausnahme: Im Sportunterricht müssten Piercings wegen der bestehenden Verletzungsgefahr allerdings entfernt oder abgeklebt werden, erklärt Kosak weiter. Dies entspreche aber den üblichen Regelungen. Man habe das Thema intern und mit dem Träger intensiv diskutiert.
Wie der Direktor erzählt, hat das Schulwerk zudem versucht, mit Lang sowie einem weiteren Studierenden im Dialog den „Lösungsprozess zu befördern“. Dazu habe man zweimal zum Gespräch gebeten. Beide Angebote seien allerdings nicht wahrgenommen worden. Auf weitere Bitten nach einem Termin sei keine Reaktion erfolgt.
Laut Lisa Lang hätten die vorgeschlagenen Termine von der Uhrzeit her nicht gepasst. Ohnehin sei das Thema Maria Stern für sie jetzt abgeschlossen. Sie sei glücklich darüber, dass die Schulordnung zugunsten von Schülern mit Körperschmuck geändert worden sei, sagt die Aalenerin.
Kurz nachdem sie die Nördlinger Einrichtung verlassen hatte, fand Lisa Lang eine neue Schule. Nach einem Jahr an der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) in Aalen ist die junge Frau, wie sie sagt, bereits Jahrgangsbeste. Wegen Corona habe sie bisher hauptsächlich Online-Unterricht gehabt und gerade zum Ende des Schuljahres sei es mit der Motivation nicht ganz einfach gewesen, erzählt sie. Dennoch kann sich Lisa über einen Notenschnitt von 1,5 freuen.
Die Aalenerin ist glücklich darüber, dass ihr die DAA damals so kurzfristig die Chance gegeben habe, ins
Schuljahr einzusteigen. Erzieherin zu werden, sei noch immer die richtige Entscheidung gewesen, berichtet Lang weiter, die sich vorstellen kann, später einmal in einem Naturkindergarten zu arbeiten.
Er freue sich für Lisa Lang über ihre „außerordentliche schulische Leistung“und gratuliere ihr dazu, sagt Peter Kosak. Wichtig sei, dass junge leistungsbereite Personen diesen Beruf ergreifen würden. Weniger bedeutend sei, welche Schule sie hierfür besuchten, „auch wenn wir Frau Lang natürlich gerne in unseren Reihen gehabt hätten.“
Lisa Lang soll nicht die einzige Schülerin gewesen sein, die an der Fachakademie den Repressalien der Schulleitung ausgesetzt war. In Folge der Berichterstattung meldeten sich weitere Personen, die berichteten, während ihrer Zeit an der Maria Stern drangsaliert oder gemobbt worden zu sein.
Auch Lisa Lang wurde mehrfach wegen ihrer Geschichte kontaktiert. Etwa 30 oder 40 Schüler und auch Ehemalige hätten ihr geschrieben. Viele hätten ihr mitgeteilt, dass sie ein Vorbild sei, weil sie mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit gegangen sei, erinnert sich die Aalenerin. „Mir tut es sehr leid, dass so viele Schüler der Fachakademie leiden mussten und ausgegrenzt wurden“, sagt die Aalenerin.