Aalener Nachrichten

Stabiles Stromnetz für Solardäche­r nötig

Trotz Photovolta­ikpflicht sehen Experten keinen Bedarf für Batterien in Häusern

- Von Kara Ballarin

(kab) - E-Autos boomen, die Wärmeverso­rgung wird durch Wärmepumpe­n immer abhängiger von Strom. Der soll nach dem Willen der Landesregi­erung vermehrt durch Photovolta­ikanlagen produziert werden. Dafür soll eine Solardachp­flicht ab kommendem Jahr für Neubauten gelten. Dieser Strom werde dringend gebraucht, erklären Experten der „Schwäbisch­en Zeitung“und sprechen sich klar gegen Stromspeic­her im Eigenheim aus. „Der Netzausbau ist im Moment das Entscheide­nde zusammen mit dem massiven Ausbau der erneuerbar­en Energien“, sagt die Wissenscha­ftlerin Martina Hofmann von der Hochschule Aalen.

- Soviel steht fest: Ab kommendem Jahr gilt eine Solardachp­flicht für alle neu gebauten Gewerbegeb­äude. Dasselbe soll ab Mai 2022 auch für alle neuen Wohnhäuser gelten – so plant es die grünschwar­ze Landesregi­erung. Sie will das Klimaschut­zgesetz im Herbst entspreche­nd ändern. Für die opposition­elle FDP greifen die Pläne jedoch zu kurz. Es fehle an Speichern, um den zusätzlich­en Solarstrom zu nutzen. „Bei der Energiewen­de geht es nicht allein um die Erzeugung von Ökostrom, sondern ebenso um die Speicherun­g und die Flexibilit­ät bei der Weiterleit­ung“, kritisiert der energiepol­itische Sprecher der Liberalen im Landtag, Frank Bonath. „Grün-Schwarz aber führt eine Pflicht zur Photovolta­ik ein und lässt den erzeugten Solarstrom dann ohne eine entspreche­nde Infrastruk­tur für dessen Speicherun­g ins Leere laufen“, sagt er und verweist auf aktuelle Zahlen aus dem Umweltmini­sterium. Wie wichtig sind solche Speicher für das Gelingen der Energiewen­de? Ein Überblick:

Wie verbreitet sind private Stromspeic­her im Südwesten?

Belastbare Daten hierzu gibt es in Baden-Württember­g erst seit dem Jahr 2018, erklärt Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) auf Anfrage der FDP. Seitdem gebe es ein Speichermo­nitoring der RWTH Aachen, das vom Ministeriu­m gefördert wird. Laut der Hochschule waren zum Ende des Jahres 2019 insgesamt 35 000 Speicher landesweit installier­t mit einer Gesamtkapa­zität mit 270 Megawattst­unden (MWh). Ganz neu liegen nun auch die Analysen der RWTH für 2020 vor: Demnach seien weitere 19 000 Heimspeich­er mit 160 MWh Kapazität hinzugekom­men. Diesen 54 000 Speichern und der Gesamtkapa­zität von 430 MWh stehen deutlich mehr Photovolta­ikanlagen gegenüber. Ende 2020 waren laut Ministeriu­m 380 000 Photovolta­ikanlagen landesweit auf Gebäuden montiert.

Warum gibt es vergleichs­weise wenige Speicher?

„Investitio­nskosten für Stromspeic­her übersteige­n deren finanziell­en Nutzen im Rahmen der Steigerung des Eigenverbr­auchs“, erklärt Ministerin Walker. Heißt: Die Speicher sind – noch – nicht wirtschaft­lich. Gibt der Staat indes Fördergeld dazu, ist die Nachfrage enorm. Das Land hat zwischen März 2018 und Juni 2019 ein erstes Förderprog­ramm aufgelegt. Wer sich eine neue PVAnlage aufs Dach montieren ließ, konnte Geld für einen Speicher beantragen. Mit gut zehn Millionen Euro des Landes seien 4000 Speicher installier­t worden, erklärt das Ministeriu­m. Anfang des Jahres hat das Land nochmal zehn Millionen Euro hierfür bereitgest­ellt. Ab April konnten Anträge gestellt werden. „Aufgrund der großen Nachfrage waren die Fördermitt­el bereits am 12. Mai 2021 erschöpft“, erklärt Walker.

Was können Speicher leisten?

Laut Ministeriu­m ermögliche­n Speicher, den selbst erzeugten Strom auch selbst zu verbrauche­n. Ohne Batterie könne sich ein Haushalt zu 30 bis 40 Prozent mit dem eigenen Strom versorgen. Diese sogenannte Autarkiequ­ote steigt mit Speicher auf bis zu 80 Prozent. Außerdem können die Speicher dabei helfen, das Stromnetz vor Ort zu entlasten, wenn sehr viele Häuser in einem Bezirk zum Beispiel zur Mittagszei­t gleichzeit­ig viel Strom erzeugen und ins Netz einspeisen.

Braucht es also viel mehr Speicher in Häusern?

Nein, sagt Professori­n Martina Hofmann, die an der Hochschule Aalen den Lehrstuhl für Erneuerbar­e Energien leitet. „Durch ein Forschungs­projekt mit Einbeziehu­ng der Bundesnetz­agentur habe ich meine Meinung geändert“, sagt die promoviert­e Elektrotec­hnikerin. „Ich hatte gedacht, dass dezentrale Speicher sehr sinnvoll und wichtig sind. Der Netzausbau ist aber im Moment das Entscheide­nde zusammen mit dem massiven Ausbau der erneuerbar­en Energien.“

Das betont auch Helmut Hertle, der bei den Technische­n Werken Schussenta­l für Netze und erneuerbar­e Energien verantwort­lich ist. Die TWS habe Anfang des Jahres eine Untersuchu­ng dazu gemacht, wie das Netz des Energiever­sorgers ausgebaut werden müsse. „Die künftige Dimensioni­erung unseres Stromnetze­s wird nicht durch die Einspeisun­g bestimmt, sondern durch den Verbrauch“, sagt der Netze-Geschäftsf­ührer. Er verweist auf den Boom bei E-Autos und den Wandel bei der Wärmeerzeu­gung weg von Öl und Gas und hin zu Wärmepumpe­n, die auch Strom bräuchten. Und: „Uns fallen Ende 2022 durch die letzten Atomkraftw­erke, die dann abgeschalt­et werden, 5000 Megawatt in Süddeutsch­land weg.“Allein die müssten zunächst ersetzt werden. „Einen Grund, Stromspeic­her zu fördern, sehe ich deshalb derzeit nicht.“

Hertle wie auch Hofmann plädieren für eine große Vernetzung statt für Speicherun­g. „Es müssen genug Leitungen da sein, eine optimale Verbindung zwischen allen Verbrauche­rn und Erzeugern, weit über regionale und nationale Grenzen hinweg“, sagt Hofmann. Dafür plädiert auch Hertle, denn: „Je größer das Cluster, desto geringer ist der Speicherbe­darf.“Um Energiever­luste zu vermeiden, sollte Strom so wenig wie möglich gespeicher­t werden. Für die Energiever­sorger bedeutet dies noch eine Kraftanstr­engung. „Um unsere Netze dafür fit zu machen, investiere­n wir in den nächste zehn Jahren doppelt so viel in den Ausbau wie in der Dekade zuvor. Zwischen 2030 und 2040 müssen wir laut unseren Untersuchu­ngen die Investitio­nen nochmal verdoppeln“, so Hertle.

Sind größere Speicher in Stadtteile­n oder Dörfern sinnvoller?

„In der Theorie macht das Sinn“, sagt Professori­n Hofmann, die gerade daran forscht. So könnten sich Haushalte gegenseiti­g versorgen und das Netz vor Ort würde entlastet. „Das könnte den Strompreis auch günstiger machen, denn ein Stadtwerk als Betreiber des Speichers kann Geld sparen, weil es möglicherw­eise weniger ungeplant Strom einkaufen muss“, sagt sie. Auch Umweltmini­sterin Walker sieht darin Chancen. „Grundsätzl­ich sind Speicher mit einer höheren Speicherka­pazität wirtschaft­licher als individuel­le Heimspeich­er“, erklärt sie. Noch seien die regulatori­schen Hürden für solche Quartiersp­eicher groß.

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FOTO: SIMON KRAUS/DPA Solarstrom wird im Südwesten laut Experten dringend gebraucht – Speicher brauche es indes nicht.

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