Passive Eigentümer
Sparer stecken ihr Geld vermehrt in ETFs – Aktionäre nehmen aber kaum noch Einfluss auf die Unternehmen
- Das Sparen in Indexfonds wird auch in Deutschland immer beliebter. Doch mit deren steigender Bedeutung am Kapitalmarkt ergeben sich auch Probleme. Denn weil die Fonds nur passiv investieren, haben sie auch nicht den Anspruch, die Strategie der Aktiengesellschaften kritisch zu begleiten.
Passiv investieren, das bedeutet: Diese Fonds bilden einen Index wie den Dax oder den weltweiten MSCI World ab. In diesen ETFs (exchangetraded funds, also börsengehandelte Fonds) wurde 2020 nach Angaben der Analyse-Plattform Track Insight weltweit ein Vermögen im Volumen von 7,6 Billionen Dollar verwaltet. Weil ETFs nur den Index abbilden, sparen sie Verwaltungskosten. Deshalb sind auch die Gebühren gering, und die Rendite der Anleger ist höher als bei aktiv verwalteten Fonds. Dort betreuen Manager die Auswahl der Aktien, die gekauft werden – und diese Manager müssen bezahlt werden. Verbraucherschützer empfehlen die Investition in Indexfonds. Ihr Argument: Warum sollte man hohe Gebühren für einen verwalteten Fonds zahlen, wenn die Fondsmanager mit ihrer Aktienauswahl zumeist nicht in der Lage sind, den jeweiligen
Index zu schlagen, also eine höhere Rendite zu erzielen?
Das Argument der niedrigen Gebühren überzeugt auch immer mehr deutsche Privatanleger. Sie greifen in Zeiten niedriger Zinsen immer häufiger zu ETFs. So ist das dort investierte Kapital in Deutschland seit Jahresbeginn bis Ende Juli um 41 Prozent auf gut 67 Milliarden Euro gestiegen, hat das Anlegerportal extraETF ermittelt. Es fragt monatliche Daten von vielen Banken und Brokern
ab, erfasst aber nicht den gesamten Markt.
Mit dem steigenden Volumen wächst aber die Bedeutung am Kapitalmarkt. Aktien sind Anteilsscheine an Unternehmen, die Aktionäre also Eigentümer. Und als solche haben sie ein Recht, über wichtige Entscheidungen mitzubestimmen. Das ist wichtig bei Übernahmen: Aktuell etwa versucht Vonovia-Chef Rolf Buch, den Wettbewerber Deutsche Wohnen zu übernehmen. Im zweiten
Anlauf scheiterte das auch an den ETFs, die fast ein Fünftel an Deutsche Wohnen halten und als passive Fonds gar nicht Anteilsscheine eines einzelnen Unternehmens verkaufen dürfen. Denn dann würden sie die Wertentwicklung des Index nicht mehr genau abbilden. Erst wenn die Übernahme gelungen ist, passen sie sich an. Dieses Problem konnte man in der Vergangenheit auch schon bei der Übernahme von Stada durch die Finanzinvestoren Bain und Cinven sowie bei der Fusion von Linde und Praxair beobachten.
Eine weitere Schwierigkeit: Weil die Fonds nur passiv investieren, haben sie auch nicht den Anspruch, das Management der Aktiengesellschaften zu kontrollieren. Große Investoren, auch aktiv gemanagte Fonds, lassen sich immer wieder vom Management der Unternehmen deren Ziele erläutern. Vor allem aber auf den Hauptversammlungen bietet sich den Anlegern die Möglichkeit, mit dem Management zu diskutieren und Auskunft zu verlangen. Bei der Abstimmung aber beteiligen sich ETFs üblicherweise nicht, sie stimmen also dann auch nicht mit, ob das Kapital erhöht wird oder wie viel Dividende ausgeschüttet wird. Deshalb heißt es am Markt häufig: „Passives Geld ist dummes Geld.“Doch der
Druck steige, dass auch die passiven Investoren Einfluss nehmen auf die gute Unternehmensführung, der Corporate Governance, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Wächst also die Zahl der passiven Eigentümer eines Unternehmens, dann könnten die Manager sich freier fühlen. „Da müssten Gesetzgeber und Investoren mehr Einfluss ausüben“, meint Kurz. Offenbar werden die ETF-Anbieter aber kritischer und lehnen auch Vorschläge von Vorstand und Aufsichtsrat ab – so etwa bei der Hauptversammlung des Ölkonzerns Exxon Mobile im Mai.
Inzwischen bemühen sich zumindest die großen ETF-Anbieter, eigenes Know-how aufzubauen und stellen Analystenteams zusammen. Das aber führt dann zu höheren Kosten. Und die könnten mit der Zeit dann auf die Anleger umgelegt werden. „Ein großer Anbieter wie Blackrock dürfte die Mehrkosten wohl im Rahmen halten“, vermutet DSW-Sprecher Kurz. Kleineren Anbietern aber dürfte das nicht in dem Maß gelingen. Die Folge: Am Markt für ETFAnbieter käme es zu einer weiteren Konzentration. Ein Unternehmen wie Blackrock ist aber jetzt schon der weltgrößte Vermögensverwalter.