Der Hof mit den größten Vögeln
Markus Sprösser aus Neuler ist auf den Strauß gekommen – Das Fleisch dieser Wildtiere ist sehr beliebt
- Vor ziemlich genau fünf Jahren hat Markus Sprösser einen mutigen Entschluss gefasst. Der Geflügelbauer aus Neuler wollte unbedingt etwas Neues versuchen und seinen bestehenden Geflügelbetrieb erweitern. Und zwar um einen echten Exoten. Sprösser schaffte sich afrikanische Blauhalsstrauße an. Seine Straußenfarm zählt aktuell rund 35 Tiere. Das Geschäft mit den schmackhaften Eiern und vor allem dem Fleisch der Riesen-Vögel floriert – die Nachfrage ist größer als das Angebot.
„Ich brauche für unsere Straußenprodukte eigentlich keine Werbung“, sagt der 42-jährige Landwirt aus Neuler. Das Fleisch und auch die Eier der Vögel gingen weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Sprösser könnte mehr verkaufen als er anbieten kann. Trotzdem will er seine Straußenfarm nicht viel größer aufziehen, als sie jetzt schon ist. „Wir wollen auf jeden Fall regional bleiben“, sagt der Geflügelbauer. Er und seine Familie besuchten deshalb mit ihren Produkten auch keine Märkte. Alles was da ist, an Straußenfleisch, -wurst und - eiern, wird ab Hof verkauft. Und ist in der Regel schnell weg.
Sprösser wundert das nicht. „Es gibt eben kein besseres Fleisch als das eines Straußes“, sagt er. Die Tiere bekämen auf seinem Hof nur allerbestes Futter, hielten sich 90 Prozent ihres Lebens im Freien auf der grünen Wiese auf und hätten in Neuler jede Menge Auslauf. „Es sind halt doch Wildtiere, die eigentlich kein Interesse an Stallhaltung haben. Ihnen reicht auf dem Gelände ein Unterstand“, sagt Sprösser. Und den bräuchten die wasserscheuen Exoten auch nur bei Regen – als trockenen Rückzugsort.
Obwohl die Mammutvögel nicht als sonderlich intelligent gelten – ihr Gehirn ist kleiner als die Augen – sei mit ihnen nicht zu spaßen, stellt der Landwirt aus Neuler unmissverständlich klar. Es sei auf keinen Fall ratsam, das Gehege der niedlich dreinschauenden und überaus neugierigen Vögel zu betreten. Sprösser hat entsprechende Hinweisschilder aufgestellt, die die vielen Zaungäste in Neuler eindringlich davor warnen. Denn: Die Tiere, die bis zu drei Meter groß werden und bis zu 160 Kilogramm auf die Waage bringen können und im Vollsprint bis zu 70 Stundenkilometer schnell werden, zeigten klares Revierverhalten. „Eigentlich sind es sehr liebe Tiere, sie wollen aber in ihrem Territorium nicht gestört werden.“In diesem Fall könnte es für unliebsame Besucher durchaus gefährlich werden. Die Strauße treten dann zu. Und zwar nach vorne – mit einer ähnlichen Wucht wie ein Pferd. Außerdem wird nach allem und jedem gepickt – rund 30 000 Mal am Tag wird mit dem Schnabel „zugestochen“, hauptsächlich um Körner, Blätter, Gras und Insekten aufzunehmen. Wobei die Vögel aufs Kauen verzichten. Um die Nahrung zu zerkleinern, fressen Strauße unentwegt auch kleine Steine. Bis zu 1,5 Kilogramm am Tag. Sie dienen dazu, das Futter im Magen zu zermahlen und werden von den Tieren auch nicht wieder ausgeschieden. Sprösser muss deshalb regelmäßig neben einer Getreidemischung auch noch kleine Kieselsteine „zufüttern“.
Überhaupt ist die Haltung und vor allem die Zucht von Straußenvögel eine Herausforderung. Und funktioniert nach ganz anderen Spielregeln als bei Hühnern, Gänsen oder Puten, die Sprösser ebenfalls im Programm hat. An eine eigene Straußenzucht hat sich der 42-Jährige deshalb auch noch nicht richtig heran gewagt. Das Straußbrüten sei ein schwieriges Unterfangen und sehr zeitaufwändig. Sprösser kauft deshalb regelmäßig Küken zu, die er dann rund 15 Monate aufzieht, ehe die Tiere geschlachtet werden. Lediglich Alt-Hahn FranzJosef, der bereits seit 2016 auf dem Neulermer Hof zuhause ist, samt dreier Alt-Hennen dürfen länger bei Sprösser bleiben. Das Quartett ist für die Eierproduktion zuständig und liefert in guten Jahren bis zu 150 Eier.
Eines davon kann zwischen anderthalb bis zwei Kilogramm wiegen. Davon sind ungefähr 300 Gramm massive Schale, 300 Gramm Eigelb und der Rest Eiweiß, was ungefähr der Menge von 25 Hühnereier entspricht, sagt Spösser. Geschmacklich käme ein Straußenei einem Hühnerei sehr nahe. Man könne daraus wunderbar Rührei
machen, aber auch andere Produkte wie Nudeln oder Eierlikör. Die massive, sehr feste Schale eigne sich zudem wunderbar als Dekorationsobjekt. Weshalb Sprösser neben vollen Eiern (Preis: rund 20 Euro), auch leere Eier (Preis: rund 15 Euro) zum Verkauf anbietet. Beides werde nachgefragt.
Der Schwerpunkt bei der Verwertung der Tiere liegt bei dem Neulermer Betrieb aber klar auf dem Fleisch, das bei den Flachbrustvögeln übrigens ausschließlich von den Beinen kommt und sehr mager und eiweißreich ist. Ein 100 Kilogramm schwerer Strauß liefere lediglich 25 Kilogramm Fleisch, sagt Sprösser, der seinen Kunden Straußensteak und -filet anbietet.
Die Preise dafür liegen zwischen 30 und 45 Euro das Kilo. Ein Teil des Fleisches wird außerdem beim ortsansässigen Metzger zu (gerauchter) Wurst verarbeitet. Auch die sei gefragt, ist aber, ebenso wie das Fleisch, nicht immer vorrätig. Straußenfleisch sei eben eine beliebte Delikatesse, verdeutlicht der Neulermer Landwirt.
Das Fleisch sei dunkel wie Rind und müsse nach der Schlachtung auch erst einmal lange reifen wie gutes Rindfleisch. Danach sei es dann aber sehr zart und geschmacklich irgendwo zwischen Wild und Rind anzusiedeln.
Abgesehen von Nahrungsmitteln könnte der Strauß aber auch noch gut als anderweitiger Rohstofflieferant dienen. So waren im 19. und auch noch Anfang des 20. Jahrhunderts Straußenfedern als schmückendes Accessoire heiß begehrt. Und auch die Haut der Tiere, die zu sehr weichem Leder verarbeitet werden kann, war viele Jahre ein beliebtes Produkt. Die Märkte dafür seien mittlerweile aber komplett eingebrochen. Haut und Federn der Vögel seien heute „nur noch Abfall“, bedauert Sprösser, der die Vögel trotzdem auch weiterhin halten möchte. „Das ist einfach etwas ganz Besonderes“, findet der Landwirt.
Wenn es die Pandemie irgendwann zulässt, will Sprösser sein Angebot um die Strauße sogar noch ein wenig ausbauen. Dann soll es auf seiner Farm Führungen geben. Das Interesse an den Tieren sei nämlich „riesengroß“und die kleine Sitzbank, die Sprösser deshalb vor einiger Zeit neben seinem Gehege aufgestellt hatte, sei auch in diesem Sommer sehr oft besetzt gewesen.
„Wir wollen auf jeden Fall regional bleiben.“
Markus Sprösser, Geflügelbauer