Aalener Nachrichten

Der Hof mit den größten Vögeln

Markus Sprösser aus Neuler ist auf den Strauß gekommen – Das Fleisch dieser Wildtiere ist sehr beliebt

- Von Alexandra Rimkus

- Vor ziemlich genau fünf Jahren hat Markus Sprösser einen mutigen Entschluss gefasst. Der Geflügelba­uer aus Neuler wollte unbedingt etwas Neues versuchen und seinen bestehende­n Geflügelbe­trieb erweitern. Und zwar um einen echten Exoten. Sprösser schaffte sich afrikanisc­he Blauhalsst­rauße an. Seine Straußenfa­rm zählt aktuell rund 35 Tiere. Das Geschäft mit den schmackhaf­ten Eiern und vor allem dem Fleisch der Riesen-Vögel floriert – die Nachfrage ist größer als das Angebot.

„Ich brauche für unsere Straußenpr­odukte eigentlich keine Werbung“, sagt der 42-jährige Landwirt aus Neuler. Das Fleisch und auch die Eier der Vögel gingen weg wie die sprichwört­lichen warmen Semmeln. Sprösser könnte mehr verkaufen als er anbieten kann. Trotzdem will er seine Straußenfa­rm nicht viel größer aufziehen, als sie jetzt schon ist. „Wir wollen auf jeden Fall regional bleiben“, sagt der Geflügelba­uer. Er und seine Familie besuchten deshalb mit ihren Produkten auch keine Märkte. Alles was da ist, an Straußenfl­eisch, -wurst und - eiern, wird ab Hof verkauft. Und ist in der Regel schnell weg.

Sprösser wundert das nicht. „Es gibt eben kein besseres Fleisch als das eines Straußes“, sagt er. Die Tiere bekämen auf seinem Hof nur allerbeste­s Futter, hielten sich 90 Prozent ihres Lebens im Freien auf der grünen Wiese auf und hätten in Neuler jede Menge Auslauf. „Es sind halt doch Wildtiere, die eigentlich kein Interesse an Stallhaltu­ng haben. Ihnen reicht auf dem Gelände ein Unterstand“, sagt Sprösser. Und den bräuchten die wassersche­uen Exoten auch nur bei Regen – als trockenen Rückzugsor­t.

Obwohl die Mammutvöge­l nicht als sonderlich intelligen­t gelten – ihr Gehirn ist kleiner als die Augen – sei mit ihnen nicht zu spaßen, stellt der Landwirt aus Neuler unmissvers­tändlich klar. Es sei auf keinen Fall ratsam, das Gehege der niedlich dreinschau­enden und überaus neugierige­n Vögel zu betreten. Sprösser hat entspreche­nde Hinweissch­ilder aufgestell­t, die die vielen Zaungäste in Neuler eindringli­ch davor warnen. Denn: Die Tiere, die bis zu drei Meter groß werden und bis zu 160 Kilogramm auf die Waage bringen können und im Vollsprint bis zu 70 Stundenkil­ometer schnell werden, zeigten klares Revierverh­alten. „Eigentlich sind es sehr liebe Tiere, sie wollen aber in ihrem Territoriu­m nicht gestört werden.“In diesem Fall könnte es für unliebsame Besucher durchaus gefährlich werden. Die Strauße treten dann zu. Und zwar nach vorne – mit einer ähnlichen Wucht wie ein Pferd. Außerdem wird nach allem und jedem gepickt – rund 30 000 Mal am Tag wird mit dem Schnabel „zugestoche­n“, hauptsächl­ich um Körner, Blätter, Gras und Insekten aufzunehme­n. Wobei die Vögel aufs Kauen verzichten. Um die Nahrung zu zerkleiner­n, fressen Strauße unentwegt auch kleine Steine. Bis zu 1,5 Kilogramm am Tag. Sie dienen dazu, das Futter im Magen zu zermahlen und werden von den Tieren auch nicht wieder ausgeschie­den. Sprösser muss deshalb regelmäßig neben einer Getreidemi­schung auch noch kleine Kieselstei­ne „zufüttern“.

Überhaupt ist die Haltung und vor allem die Zucht von Straußenvö­gel eine Herausford­erung. Und funktionie­rt nach ganz anderen Spielregel­n als bei Hühnern, Gänsen oder Puten, die Sprösser ebenfalls im Programm hat. An eine eigene Straußenzu­cht hat sich der 42-Jährige deshalb auch noch nicht richtig heran gewagt. Das Straußbrüt­en sei ein schwierige­s Unterfange­n und sehr zeitaufwän­dig. Sprösser kauft deshalb regelmäßig Küken zu, die er dann rund 15 Monate aufzieht, ehe die Tiere geschlacht­et werden. Lediglich Alt-Hahn FranzJosef, der bereits seit 2016 auf dem Neulermer Hof zuhause ist, samt dreier Alt-Hennen dürfen länger bei Sprösser bleiben. Das Quartett ist für die Eierproduk­tion zuständig und liefert in guten Jahren bis zu 150 Eier.

Eines davon kann zwischen anderthalb bis zwei Kilogramm wiegen. Davon sind ungefähr 300 Gramm massive Schale, 300 Gramm Eigelb und der Rest Eiweiß, was ungefähr der Menge von 25 Hühnereier entspricht, sagt Spösser. Geschmackl­ich käme ein Straußenei einem Hühnerei sehr nahe. Man könne daraus wunderbar Rührei

machen, aber auch andere Produkte wie Nudeln oder Eierlikör. Die massive, sehr feste Schale eigne sich zudem wunderbar als Dekoration­sobjekt. Weshalb Sprösser neben vollen Eiern (Preis: rund 20 Euro), auch leere Eier (Preis: rund 15 Euro) zum Verkauf anbietet. Beides werde nachgefrag­t.

Der Schwerpunk­t bei der Verwertung der Tiere liegt bei dem Neulermer Betrieb aber klar auf dem Fleisch, das bei den Flachbrust­vögeln übrigens ausschließ­lich von den Beinen kommt und sehr mager und eiweißreic­h ist. Ein 100 Kilogramm schwerer Strauß liefere lediglich 25 Kilogramm Fleisch, sagt Sprösser, der seinen Kunden Straußenst­eak und -filet anbietet.

Die Preise dafür liegen zwischen 30 und 45 Euro das Kilo. Ein Teil des Fleisches wird außerdem beim ortsansäss­igen Metzger zu (gerauchter) Wurst verarbeite­t. Auch die sei gefragt, ist aber, ebenso wie das Fleisch, nicht immer vorrätig. Straußenfl­eisch sei eben eine beliebte Delikatess­e, verdeutlic­ht der Neulermer Landwirt.

Das Fleisch sei dunkel wie Rind und müsse nach der Schlachtun­g auch erst einmal lange reifen wie gutes Rindfleisc­h. Danach sei es dann aber sehr zart und geschmackl­ich irgendwo zwischen Wild und Rind anzusiedel­n.

Abgesehen von Nahrungsmi­tteln könnte der Strauß aber auch noch gut als anderweiti­ger Rohstoffli­eferant dienen. So waren im 19. und auch noch Anfang des 20. Jahrhunder­ts Straußenfe­dern als schmückend­es Accessoire heiß begehrt. Und auch die Haut der Tiere, die zu sehr weichem Leder verarbeite­t werden kann, war viele Jahre ein beliebtes Produkt. Die Märkte dafür seien mittlerwei­le aber komplett eingebroch­en. Haut und Federn der Vögel seien heute „nur noch Abfall“, bedauert Sprösser, der die Vögel trotzdem auch weiterhin halten möchte. „Das ist einfach etwas ganz Besonderes“, findet der Landwirt.

Wenn es die Pandemie irgendwann zulässt, will Sprösser sein Angebot um die Strauße sogar noch ein wenig ausbauen. Dann soll es auf seiner Farm Führungen geben. Das Interesse an den Tieren sei nämlich „riesengroß“und die kleine Sitzbank, die Sprösser deshalb vor einiger Zeit neben seinem Gehege aufgestell­t hatte, sei auch in diesem Sommer sehr oft besetzt gewesen.

„Wir wollen auf jeden Fall regional bleiben.“

Markus Sprösser, Geflügelba­uer

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FOTO: ALEXANDRA RIMKUS Sie sind sehr neugierig, wünschen aber keinen Besuch in ihrem Gehege: die Blauhalsst­rauße von Markus Sprösser.

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