Mislintats Jonglage mit dem Minibudget
(dpa) - Neulich erzählte Sven Mislintat eine Anekdote, die viel über seine Rolle beim VfB Stuttgart aussagt. Als er noch in die Kaderplanung von Borussia Dortmund involviert war, habe er beim SC Freiburg anrufen und sagen können: „Wir sind an einem Spieler von euch interessiert, was kostet der denn?“, sagte der 48Jährige der „Stuttgarter Zeitung“. „Wenn ich heute anrufe, kriege ich oft nur ein müdes Lächeln – und die Aussage: keine Chance!“
Es war nur ein Beispiel. Aber es gibt die Bedingungen von einst und heute gut wieder. Beim VfB, der in den vergangenen fünf Jahren zweimal aus der Bundesliga abstieg, fischt der Westfale bei der Suche nach Zugängen wieder in anderen Gewässern als beim BVB, der im gleichen Zeitraum stets die Champions League erreichte. Das „Diamantenauge“muss Talente erspähen, die anderen verborgen bleiben – oder sie vom eigenen Weg mehr überzeugen als die Konkurrenz.
Diesen Sommer war die Situation ganz speziell. Zum einen wegen der Corona-Krise, die den VfB schon mehr als 50 Millionen Euro gekostet hat. Zum anderen wegen der Verletztenmisere, die die Schwaben zuletzt erfasste. „Von den Bedingungen her war dieser Transfersommer noch komplizierter als der letzte“, sagt Mislintat. „Wir wollten einen Transferüberschuss von circa 25 Millionen Euro erzielen und dabei möglichst wenig oder keine Qualität im Kader verlieren. Das war schon anspruchsvoll, aber wir haben es gut hinbekommen.“
Durch die Verkäufe von Torhüter Gregor Kobel (für 15 Millionen nach Dortmund) und Stürmer Nicolás González (für 23,5 Millionen nach Florenz) konnte ein Teil der Verluste kompensiert werden. Weil zuletzt aber eine ganze Reihe von Profis ausfiel, musste der VfB personell noch mal nachlegen. So wurden im Transferfinale noch die Offensivkräfte Omar Marmoush per Leihe aus Wolfsburg und Wahid Faghir für rund vier Millionen Euro von Vejle BK (Dänemark) verpflichtet. Wieder zwei Youngster, von denen Mislintat ja so gerne welche holt. „Wir sind gut aufgestellt und haben einen Kader, der die Liga halten kann“, sagt der Sportdirektor.
Sein Blick geht aber schon weiter. „Wir haben auch ein paar Vorgriffe auf den kommenden Sommer gemacht“, sagt Mislintat und denkt dabei wohl an Orel Mangala und Marc Oliver Kempf. Sollten Mangala, dessen Marktwert auf gut 20 Millionen Euro geschätzt wird, und Kempf, dessen Vertrag dann endet, den VfB nach der Saison verlassen, soll schon interner Ersatz parat stehen. Talente wie Naouirou Ahamada und Enzo Millot oder Hiroki Ito, den er in Japans zweiter Liga aufspürte. Transfers, die ähnlich viel über seine Arbeitsbedingungen aussagen wie die Anekdote mit dem SC Freiburg.