Aalener Nachrichten

Reich, reicher, am reichsten

Das Fugger und Welser Erlebnismu­seum in Augsburg führt auf die Spuren der weltberühm­ten Kaufleute

- Von Christine King

Jakob Fugger, der Reiche, gehörte im späten 15. und frühen 16. Jahrhunder­t zu den wohlhabend­sten Männern der Welt. Genauso wie sein Kollege Anton Welser. Noch heute gibt es nur wenige, die reicher waren oder sind. Man kennt Fuggers Portrait, das Albrecht Dürer 1519 gemalt hat. Und die Fuggerei, jene Sozialsied­lung in der Augsburger Altstadt, die heute fast noch genau wie zu Zeiten ihrer Gründung vor 500 Jahren funktionie­rt und durch die die Fugger als Wohltäter in den Köpfen der Besucher haften bleiben. Die Welser kennt außerhalb Augsburgs kaum noch jemand. Und doch wurde eine ganze Epoche nach den beiden benannt, denn weder vor noch nach dem „Zeitalter der Fugger und Welser“gab es Unternehme­n, die Wirtschaft und Politik in Europa so geprägt haben wie diese beiden Handelshäu­ser.

Die Augsburger waren die erfolgreic­hsten Kaufleute ihrer Zeit. Ihr Geld verdienten sie mit Gewürzen, Stoffen und Metallen. Sie gaben Kaisern, Königen und Päpsten enorme Kredite und finanziert­en Feldzüge und Entdeckung­en. Kinderarbe­it, damals überall zu finden, war auch unter ihnen gang und gäbe, und der weltweite Menschenha­ndel florierte.

Im Augsburger Fugger und Welser Erlebnismu­seum können sich Besucher auf die Spuren der berühmten Handelsges­chlechter begeben und der Frage nachgehen, welche Faktoren zu diesem unglaublic­hen wirtschaft­lichen Erfolg geführt haben, was mit dem vielen Geld passiert ist und warum bei den Welsern plötzlich Schluss war und bei den Fuggern nicht. Und vor allem auch, was das Ganze mit uns heute zu tun hat. An der Kasse gibt’s ein Pfeffersäc­kchen, in dem ein Chip versteckt ist. Damit zieht man durchs Museum. Kinder begegnen, wenn sie das Pfeffersäc­kchen an einer Station auflegen, einer Computerfi­gur namens Konrad, die sie kindgerech­t und multimedia­l begleitet. Erwachsene erhalten etwas detaillier­tere Informatio­nen, ohne Konrad.

„Geschichte darf nicht langweilig auf lauter Infotafeln präsentier­t werden“, erklärt Manuel Widmann, promoviert­er Mittelalte­rhistorike­r und profunder Kenner des Museums. Er führt an Filmen, einem interaktiv­en Medientisc­h und an Hörbeispie­len vorbei und stellt immer wieder Bezüge zu heute her. „Die Erfindung des Buchdrucks muss für Jakob Fugger wie für uns das Internet gewesen sein“, sagt er, „er war einer der ersten, der sich damit einen Wissensvor­sprung gesichert hat und schneller als andere wusste, wo gerade Krieg ist oder schlechte Ernten eingefahre­n werden.“

Themenbere­iche wie Handelsrou­ten, Netzwerke und Kommunikat­ionsstrukt­uren oder auch die Montanwirt­schaft werden aufgegriff­en. Bergbau? „Ja, klar“, erklärt Widmann, „Kupfer und andere Metalle wurden für Kriegsschi­ffe, Geschirr, Waffen und Münzen gebraucht und zwar weltweit. Bezahlen konnten das aber nicht alle, also war’s ein Monopol der Reichen.“Eine große Kupferplat­te, gefunden auf einem 500 Jahre alten Schiffswra­ck, zeigt das „FuggerLogo“, das auch auf Pfeffer- und anderen Gewürzsäck­en prangt. „Ein Gramm grüner Pfeffer war so viel wert wie ein Gramm Gold, für drei Muskatnüss­e gab’s einen lebendigen Ochsen.“Auch das Postsystem der Fugger sei damals besser gewesen als das des Kaisers. Sämtliche Depechen und Briefe, die von Europas Norden nach Süden mussten, gingen noch vor 500 Jahren über Augsburg. Logisch, wer da als erster an wichtige Informatio­nen kam.

Zurück zum Pfeffersäc­kchen: Dank des Chips spricht mal Jakob Fugger mit Albrecht Dürer, mal unterhält er sich mit Hans-Werner Sinn,

Professor für Volkswirts­chaftslehr­e und langjährig­er Ifo-Präsident, über Kreditverg­abe und darüber, dass Globalisie­rung heute und früher gar nicht so unterschie­dlich war. Mal tanzen Augsburger Bürger einen Geschlecht­ertanz, ein anderes Mal kommen die Frauen der berühmten Handelsmän­ner zu Wort – zu Lebzeiten wurden sie allerdings kaum beachtet.

Dem Thema „Kriegszüge und Menschenha­ndel“ist ein eigener Bereich gewidmet. Besucher erfahren, dass die Europäer, als sie nach Indien und Südamerika kamen und Krankheite­n und Alkohol mitbrachte­n, für die Südamerika­ner „nicht unbedingt der große Gewinn waren“. Aktuelle Bezüge zur Gegenwart und ausreichen­d Diskussion­sstoff gibt’s an jeder Ecke. „Wir wollen mit dieser Geschichts­vermittlun­g Denkanstöß­e geben“, so der Historiker. Das ist zweifellos gelungen.

Das Fugger und Welser Erlebnismu­seum ist mehrfach für seine gute Aufbereitu­ng und seine multimedia­len Installati­onen ausgezeich­net worden. Coronabedi­ngt werden derzeit keine Führungen gemacht. Die teils sehr kleinen Räume im altehrwürd­igen Wieselhaus, das unweit des Doms im Jahr 1530 gebaut wurde, lassen das nicht zu. Mit den Pfeffersäc­kchen – getrennt für Kinder und Erwachsene – kommen Besucher aber gut alleine zurecht. Weitere Informatio­nen gibt es unter www.fugger-und-welser-museum.de

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FOTOS: CHRISTINE KING Werden plötzlich lebendig: Die Augsburger Kaufleute Anton Welser (li.) und Jakob Fugger.
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