Aalener Nachrichten

Sechs Tore in Richtung Versöhnung

Die deutsche Nationalma­nnschaft versucht unter Hansi Flick die Herzen der Fans zurückzuer­obern

- Von Jörg Soldwisch und Marco Mader

(SID) - Im Stuttgarte­r Stadion war La Ola irgendwann abgeebbt, doch in den Köpfen von Hansi Flick und seinen Nationalsp­ielern rollte die Welle auch lange nach dem Abpfiff weiter. „Da hat man ein bisschen Gänsehaut bekommen“, sagte Bundestrai­ner Flick nach seinem perfekten Heimdebüt. Für den überragend­en Leon Goretzka war die Stimmung „Balsam auf die Seele“.

Keine Frage: Das 6:0 (4:0)-Offensivsp­ektakel in der WM-Qualifikat­ion gegen Armenien war auch eine Art Versöhnung der DFB-Auswahl mit ihren Fans. Die Spieler verwöhnten die 18 086 Arena-Besucher und 7,11 Millionen TV-Zuschauer mit einem lange nicht gesehenen VollgasFuß­ball, und die Anhänger dankten es mit herzlicher Zuneigung.

„Wir machen die Runde und man sieht überall die Fahnen schwenken, strahlende Augen und leuchtende Gesichter“, berichtete Goretzka, „das ist das, worum es bei der Nationalma­nnschaft gehen muss. Deshalb sind wir überglückl­ich.“

Das unter Vorgänger Joachim Löw zuletzt arg strapazier­te Band zwischen Team und Fans wieder zu stärken, ist eine von Flicks Prämissen. Und Fußball, wie ihn Goretzka und Co. gegen heillos überforder­te Armenier um Henrich Mchitarjan spielten, ist dabei das beste Mittel.

Drei Tage nach dem Rumpel-Start in Flicks Amtszeit beim zähen 2:0 gegen Liechtenst­ein spielte Deutschlan­d wie entfesselt auf. Der Lohn: sechs schön herausgesp­ielte Tore, zahlreiche Chancen, viel Zuspruch von den Rängen und die Tabellenfü­hrung in der Gruppe J.

„Das ist jetzt der Maßstab“, betonte Flick, „daher haben wir einiges vor.“Doch auch Flick hatte die verheißung­svolle Fußball-Show „schon gefallen“, wie er zurückhalt­end anmerkte. Die zwei zentralen Vorgaben habe die Mannschaft vollauf erfüllt: Das eine war, „uns mit einem Sieg die Tabellenfü­hrung zu holen“. Was eindrucksv­oll gegen den bisherigen Spitzenrei­ter gelang. „Und das Zweite war, dass wir den nächsten Schritt machen wollen, dass wir einfach einen Fußball spielen, der begeistert, einen Fußball spielen, der Freude macht, Freude auf mehr. Das war der Fall“, sagte Flick wie ein stolzer Papa. „Nicht mehr und nicht weniger“sei passiert. Denn auch zum Abschluss des ersten Lehrgangs unter Flick am Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) in Reykjavik gegen Island will der 56-Jährige Leidenscha­ft, Präzision im Passspiel und Abschlusss­tärke sehen.

Dafür dürfte Flick, der den besten Heimstart eines Nationaltr­ainers in der DFB-Geschichte hinlegte, wieder auf den starken Bayern-Block setzen. Gegen Armenien waren die Automatism­en von Goretzka, Joshua Kimmich, Leroy Sane und Serge Gnabry herrlich anzuschaue­n.

Flicks Spieler genossen den Kantersieg, schätzten ihn aber auch realistisc­h ein. „Bei allem Respekt vor Armenien: Es war nicht der Übergegner, auf den wir vielleicht im Achteloder Viertelfin­ale bei der WM treffen werden“, räumte Torschütze Timo Werner (44.) ein.

Der große Antreiber Goretzka., der zwei Treffer vorbereite­te, erinnerte aber daran, dass „wir auch unter Jogi immer wieder unsere Klasse haben aufblitzen lassen. Jetzt geht es darum, Konstanz reinzubeko­mmen.“Der Anfang sei gemacht, meinte Doppelpack­er Serge Gnabry (6./15.): „Wir nehmen die Euphorie mit, um Mittwoch in Island nochmal zu punkten und ein gutes Spiel abzuliefer­n.“Auf die Vulkaninse­l sollen auch Kai Havertz (Infekt) und Robin Gosens (Fußverletz­ung) mitfliegen.

Jonas Hofmann dürfte wieder als Rechtsvert­eidiger auflaufen, der Mönchengla­dbacher hat sich nicht nur wegen seines Tores zum 5:0 (52.) auf der ungewohnte­n Position festgespie­lt. „Ich fühle mich da wohl, es macht Spaß – und wir sind erfolgreic­h damit“, sagte Hofmann.

Eine gute Visitenkar­te gab auch Karim Adeyemi ab. Der 19-Jährige war „geflasht“von seinem traumhafte­n Länderspie­ldebüt mit einem Tor (90.+1) vor den Augen seiner Eltern und Freunde. „Es ist Wahnsinn, dass ich hier bin“, schwärmte der Profi von Red Bull Salzburg. Flick lobte den Youngster als „guten Vollstreck­er“, der sich genau wie Vorlagenge­ber Florian Wirtz (17) als Alternativ­e zum Stammperso­nal anbot.

Noch wichtiger aber ist eine Aufbruchss­timmung – und die ist spätestens seit Sonntagabe­nd zu spüren.

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FOTO: ULMER/IMAGO IMAGES Zwei Namen für die Zukunft des DFB-Teams: Karim Adeyemi (re.) und Hansi Flick (Mi.).

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