Gymnasien helfen sich gegenseitig
Bei Ausfällen gibt’s kaum Vertretung von außerhalb Aalens – Quereinsteiger keine Option
- Weder macht der Lehrermangel vor den Aalener Schulen Halt, noch lassen die Empfehlungen, was kurzfristig dagegen helfen soll, ihre Schulleitungen kalt. In einer dreiteiligen Serie kommen sie zu Wort. Den Anfang machen die Aalener Gymnasien.
„Wir sind zum Start gut versorgt gewesen und an allen drei Aalener Gymnasien gut ins Schuljahr 2022/23 hineingekommen“, erklärt Dr. Christoph Hatscher als deren geschäftsführender Schulleiter. Von einer Deckung des Lehrerbedarfs von 115 Prozent, wie in einer landesweiten Petition von Eltern gefordert, sei man zwar weit entfernt. „Aber der Pflichtunterricht war gut abgedeckt“, berichtet Hatscher.
Trotzdem komme es natürlich im laufenden Schuljahr zu Ausfällen von Lehrkräften: Die erste Schwangerschaft, die erste längerfristige Krankheit, und schon sei die Herausforderung da. Doch pflegten das Theodor-Heuss-Gymnasium (THG), dessen Schulleiter Hatscher ist, das nahegelegene SchubartGymnasium (SG) und das Kopernikus-Gymnasium Wasseralfingen (KGW) gute Beziehungen zueinander und würden sich gegenseitig aushelfen. Gebe es an einer dieser Schulen einen Ausfall, werde nicht selten eine Lehrkraft von einem der anderen Gymasien abgeordnet, „die den Kurs oder die Klasse im anderen Haus versieht“, so Hatscher.
Wie viel Unterricht trotz aller Bemühungen entfalle, könne man nicht gut beziffern. „Das ist aufwendig“, erklärt der Schulleiter. Neben Krankheit spielten auch Fortbildungen, die Abiturskorrekturen, Studienfahrten und andere Verpflichtungen eine Rolle. Das sei eine „gewaltige Mischkalkulation und in der Addition schwierig“. In vielen Fällen leisteten die Lehrkräfte ihre Stunden und mehr – nur eben an anderer Stelle.
Bei Krankheitsfällen oder Elternzeit
von außerhalb von Aalen eine Vertretung zu erhalten sei „sehr schwer bis gar nicht möglich“, berichtet der geschäftsführende Schulleiter. Stattdessen würden plötzliche und unerwartete Ausfälle „mit viel Engagement der Lehrkräfte“intern durch Aufstockungen „gewuppt“, so Hatscher: „Darauf bin ich sehr stolz.“Er nennt ein Beispiel aus dem Monat Dezember, als ein Mitglied des Kollegiums für mehrere Wochen ausfiel. Mehrere Kollegen hätten die Stunden übernommen, nur eine einzige sei konkret ausgefallen. Regionale SpringerPools, die kurzfristige Ausfälle von Lehrkräften kompensieren könnten, findet Hatscher für die Gymnasien nur bedingt sinnvoll. „Wir haben hier ein Fachlehrer-Prinzip“, erklärt er. Dann müsse man dreimal so viele zusätzliche Lehrkräfte
vorhalten, weil es drei Bereiche gebe: den sprachlichen, den naturwissenschaftlichen und den gesellschaftlichen Bereich. Das sei anders als an den Grundschulen, wo die Lehrer sich in den meisten Fällen gegenseitig vertreten könnten. Ein Gymnasiallehrer für Kunst könne aber nicht den Unterricht des Physik-Kollegen übernehmen.
Schon lange gibt es Vorschläge, wie die Schulen schnell Lücken schließen könnten. Zum Beispiel können Pensionäre wieder in den Schuldienst zurückgeholt werden. An Aalener Gymnasien sei das schon praktiziert worden, erzählt Hatscher. „Davon halte ich sehr viel“, lobt er – solange der Pensionär freiwillig, fit und mit Freude ins Klassenzimmer zurückkehre.
Weniger überzeugt ist der Schulleiter von Quereinsteigern: „Da bin ich sehr skeptisch“, sagt er. Ein hervorragender Physiker sei nicht automatisch ein hervorragender Lehrer, es brauche auch pädagogische
Kenntnisse, „sonst wäre das Referendariat ja vollkommen überflüssig“. Fachwissen allein könne es nicht richten, wie unter anderem eine Erfahrung mit einem Quereinsteiger während des Corona-Schuljahrs am THG gezeigt habe. Hatschers Resümee: „Das ist kein flächendeckendes Modell.“
Der geschäftsführende Schulleiter findet, langfristig müsse die Politik das Problem des Lehrermangels lösen, „Geld in die Hand nehmen und ausbilden“. Bis dahin ist er erleichtert, dass die Gymnasien als Schulart weniger betroffen sind und die Ostalb auch keine ausgemachte Mangelregion sei.
Zwar träumten viele Referendare von einer Stelle in einer der größeren Städte wie Freiburg oder Karlsruhe. Doch profitiere die Region von der Außenstelle des Staatlichen Seminars für Lehrerbildung auf Schloss Ellwangen. So mancher Referendar stelle dort fest: „Auch auf der Ostalb kann man gut leben.“