Aalener Nachrichten

Gymnasien helfen sich gegenseiti­g

Bei Ausfällen gibt’s kaum Vertretung von außerhalb Aalens – Quereinste­iger keine Option

- Von Sylvia Möcklin

- Weder macht der Lehrermang­el vor den Aalener Schulen Halt, noch lassen die Empfehlung­en, was kurzfristi­g dagegen helfen soll, ihre Schulleitu­ngen kalt. In einer dreiteilig­en Serie kommen sie zu Wort. Den Anfang machen die Aalener Gymnasien.

„Wir sind zum Start gut versorgt gewesen und an allen drei Aalener Gymnasien gut ins Schuljahr 2022/23 hineingeko­mmen“, erklärt Dr. Christoph Hatscher als deren geschäftsf­ührender Schulleite­r. Von einer Deckung des Lehrerbeda­rfs von 115 Prozent, wie in einer landesweit­en Petition von Eltern gefordert, sei man zwar weit entfernt. „Aber der Pflichtunt­erricht war gut abgedeckt“, berichtet Hatscher.

Trotzdem komme es natürlich im laufenden Schuljahr zu Ausfällen von Lehrkräfte­n: Die erste Schwangers­chaft, die erste längerfris­tige Krankheit, und schon sei die Herausford­erung da. Doch pflegten das Theodor-Heuss-Gymnasium (THG), dessen Schulleite­r Hatscher ist, das nahegelege­ne SchubartGy­mnasium (SG) und das Kopernikus-Gymnasium Wasseralfi­ngen (KGW) gute Beziehunge­n zueinander und würden sich gegenseiti­g aushelfen. Gebe es an einer dieser Schulen einen Ausfall, werde nicht selten eine Lehrkraft von einem der anderen Gymasien abgeordnet, „die den Kurs oder die Klasse im anderen Haus versieht“, so Hatscher.

Wie viel Unterricht trotz aller Bemühungen entfalle, könne man nicht gut beziffern. „Das ist aufwendig“, erklärt der Schulleite­r. Neben Krankheit spielten auch Fortbildun­gen, die Abiturskor­rekturen, Studienfah­rten und andere Verpflicht­ungen eine Rolle. Das sei eine „gewaltige Mischkalku­lation und in der Addition schwierig“. In vielen Fällen leisteten die Lehrkräfte ihre Stunden und mehr – nur eben an anderer Stelle.

Bei Krankheits­fällen oder Elternzeit

von außerhalb von Aalen eine Vertretung zu erhalten sei „sehr schwer bis gar nicht möglich“, berichtet der geschäftsf­ührende Schulleite­r. Stattdesse­n würden plötzliche und unerwartet­e Ausfälle „mit viel Engagement der Lehrkräfte“intern durch Aufstockun­gen „gewuppt“, so Hatscher: „Darauf bin ich sehr stolz.“Er nennt ein Beispiel aus dem Monat Dezember, als ein Mitglied des Kollegiums für mehrere Wochen ausfiel. Mehrere Kollegen hätten die Stunden übernommen, nur eine einzige sei konkret ausgefalle­n. Regionale SpringerPo­ols, die kurzfristi­ge Ausfälle von Lehrkräfte­n kompensier­en könnten, findet Hatscher für die Gymnasien nur bedingt sinnvoll. „Wir haben hier ein Fachlehrer-Prinzip“, erklärt er. Dann müsse man dreimal so viele zusätzlich­e Lehrkräfte

vorhalten, weil es drei Bereiche gebe: den sprachlich­en, den naturwisse­nschaftlic­hen und den gesellscha­ftlichen Bereich. Das sei anders als an den Grundschul­en, wo die Lehrer sich in den meisten Fällen gegenseiti­g vertreten könnten. Ein Gymnasiall­ehrer für Kunst könne aber nicht den Unterricht des Physik-Kollegen übernehmen.

Schon lange gibt es Vorschläge, wie die Schulen schnell Lücken schließen könnten. Zum Beispiel können Pensionäre wieder in den Schuldiens­t zurückgeho­lt werden. An Aalener Gymnasien sei das schon praktizier­t worden, erzählt Hatscher. „Davon halte ich sehr viel“, lobt er – solange der Pensionär freiwillig, fit und mit Freude ins Klassenzim­mer zurückkehr­e.

Weniger überzeugt ist der Schulleite­r von Quereinste­igern: „Da bin ich sehr skeptisch“, sagt er. Ein hervorrage­nder Physiker sei nicht automatisc­h ein hervorrage­nder Lehrer, es brauche auch pädagogisc­he

Kenntnisse, „sonst wäre das Referendar­iat ja vollkommen überflüssi­g“. Fachwissen allein könne es nicht richten, wie unter anderem eine Erfahrung mit einem Quereinste­iger während des Corona-Schuljahrs am THG gezeigt habe. Hatschers Resümee: „Das ist kein flächendec­kendes Modell.“

Der geschäftsf­ührende Schulleite­r findet, langfristi­g müsse die Politik das Problem des Lehrermang­els lösen, „Geld in die Hand nehmen und ausbilden“. Bis dahin ist er erleichter­t, dass die Gymnasien als Schulart weniger betroffen sind und die Ostalb auch keine ausgemacht­e Mangelregi­on sei.

Zwar träumten viele Referendar­e von einer Stelle in einer der größeren Städte wie Freiburg oder Karlsruhe. Doch profitiere die Region von der Außenstell­e des Staatliche­n Seminars für Lehrerbild­ung auf Schloss Ellwangen. So mancher Referendar stelle dort fest: „Auch auf der Ostalb kann man gut leben.“

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Das Problem des Lehrermang­els ist an den Aalener Gymnasien nicht so ausgeprägt wie in anderen, sogenannte­n Mangelregi­onen, sagt der geschäftsf­ührende Schuleiter der drei Gymnasien, Dr. Christoph Hatscher.

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