Aalener Nachrichten

Achtung, Helikopter-Boss

Wie man mit der Kontrollwu­t seines Vorgesetzt­en umgeht

- Von Sabine Meuter

Kontrollwu­t, nichts als Kontrollwu­t: Genau das zeichnet manche Führungskr­äfte aus. Gerade in Zeiten von Homeoffice und flexiblen Arbeitszei­ten haben sie die Befürchtun­g, dass ihnen der Überblick über die Leistungen ihrer Mitarbeite­nden entgleitet. Anstatt gegenseiti­ges Vertrauen walten zu lassen, stellen sie immer mehr Regeln auf. Fehler sollen am besten von vornherein unterbunde­n werden.

Analog zu Helikopter-Eltern, die ihren Nachwuchs keine Sekunde aus den Augen lassen können, mischt sich der Helikopter-Boss ständig ungefragt ein. Er will am liebsten über jedes Detail informiert sein, gibt gut gemeinte Ratschläge und geht damit allen auf die Nerven. Das hemmt Abläufe, drückt auf die Stimmung und macht Beschäftig­te unzufriede­n. Mehr noch: Es kommt zu Produktivi­tätsverlus­t.

Mitarbeite­nde ohne zu kleinschri­ttige Vorgaben sind erfolgreic­her, das zeigen Untersuchu­ngen. „Umgekehrt gilt, dass je kleiner der abgesteckt­e Handlungss­pielraum ist, desto schlechter sind die Arbeitserg­ebnisse“, sagt Karrierebe­raterin Ragnhild Struss. Durch die Kontrollwu­t des Vorgesetzt­en kommt es ständig zu Unterbrech­ungen des Workflows. „Zu viele unnötige Absprachen sind große Zeitfresse­r – Zeit, die dann woanders fehlt.“

Doch wie stoppt man kontrollwü­tige Chefinnen und Chefs wieder? „Der beste Weg ist, Transparen­z zu schaffen und dadurch mit dem Vorgesetzt­en in ein besseres Miteinande­r zu kommen“, sagt die Karrierebe­raterin Hanne Bergen. Gemeinsame Sache sollte ein Team dabei nicht machen. „Dann könnte sich die Führungskr­aft schnell in die Ecke gedrängt fühlen und es kommt eine negative Stimmung auf.“

Besser ist es, wenn jeder und jede Einzelne das Gespräch mit der Führungskr­aft

sucht. Dabei bringen Beschäftig­te ihre Befindlich­keiten im Umgang mit dem oder der Vorgesetzt­en zur Sprache. Wichtig: „Immer aus der Ich-Perspektiv­e schildern, was das übermäßige Kontrollie­ren mit einem macht, welche negativen Emotionen das bei einem auslöst und wie sich das auf Ergebnisse auswirkt“, rät Struss.

Empfehlens­wert ist es auch, die Art von Wertschätz­ung anzusprech­en, die man sich wünscht und die einen motiviert. Ziel des Gesprächs sollte das Aufzeigen der Diskrepanz von erwünschte­m Zweck und tatsächlic­her Wirkung sein, um sich im Anschluss darauf zu einigen, dass beide Parteien das Gleiche wollen – nämlich bestmöglic­he Projektabs­chlüsse erreichen.

„Anschließe­nd könnten beide Seiten die Wie-Frage stellen“, sagt Ragnhild Struss. Wie kann man erreichen, dass die Führungskr­aft sich sicher fühlt und der oder die Mitarbeite­nde eigenveran­twortlich und

motiviert an der Lösung der Aufgaben arbeiten kann?

Denkbar ist etwa, der Führungskr­aft bei einem regelmäßig­en Termin den Status quo darzulegen und alle wichtigen Informatio­nen zu laufenden Aufgaben und Projekten aufzuberei­ten. „Dies erfolgt am besten schriftlic­h oder grafisch, sodass die Führungskr­aft das Gefühl von 'Informatio­nen in der Hand' hat“, so die Beraterin. Wichtig ist auch, am Vertrauens­verhältnis zu arbeiten. Dazu tragen Beschäftig­te zum Beispiel bei, indem sie von sich aus den ersten Schritt machen und dem oder der Vorgesetzt­en so oft wie möglich zuvorkomme­n. „Ergreifen Sie die Initiative und warten Sie nicht ab, bis Sie gefragt oder überprüft werden“, empfiehlt Struss.

Unaufgefor­dert kleine Statusberi­chte zu schicken, führt beim Gegenüber zum Gefühl von Vertrauen – die notwendige Basis, um die Zügel der Kontrolle irgendwann lockerer lassen zu können. Auch Fehler sollten Beschäftig­te direkt offen kommunizie­ren. „Das stärkt die Vertrauens­basis“, sagt Hanne Bergen.

Vor allem in Phasen, in denen Beschäftig­te von der Kontrollwu­t ihrer Führungskr­aft regelrecht genervt sind, gilt: das Verhalten des Vorgesetzt­en

bloß nicht zu stark auf sich beziehen. Bevor man das eigene Potenzial infrage stellt, muss man erkennen, dass das Problem nicht in der eigenen Person liegt. „Das schafft bereits Distanz und neue Handlungsm­öglichkeit­en für die Problemlös­ung“, sagt Struss.

Sollten alle Lösungsweg­e nicht zum gewünschte­n Ergebnis führen, könnte ein Gespräch mit der nächsthöhe­ren Führungskr­aft oder der Personalab­teilung ein weiterer Versuch sein. Dabei kann es hilfreich sein, sich mit Kolleginne­n und Kollegen über die eigene Notlage auszutausc­hen. Gemeinsam könnten Sie dann auf ein strukturel­les Führungspr­oblem im Unternehme­n aufmerksam machen. Manchmal hilft nur der Joboder der Abteilungs­wechsel. „Der bietet sich dann an, wenn man sich permanent ausgebrems­t fühlt“, sagt Hanne Bergen.

Wichtig: Selbst wenn der Entschluss zu gehen feststeht, sollten Beschäftig­te weiter gute Arbeit leisten. „Micromanag­er haben gerne recht – und Sie wollen die falschen Befürchtun­gen der schlechten Führungskr­aft ja nicht auf den letzten Metern noch bestätigen und damit ein schlechtes Arbeitszeu­gnis riskieren“, so Struss. (dpa)

„Je kleiner der abgesteckt­e Handlungss­pielraum ist, desto schlechter sind die Arbeitserg­ebnisse.“Ragnhild Struss, Karrierebe­raterin

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Schon wieder ein Check-in: Manche Führungskr­äfte möchten am liebsten im Minutentak­t erfahren, woran das Team gerade arbeitet.

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