Mittelschicht droht Nullrunde beim Kindergeld
Nach dem Haushaltsstreit steht neuer Zoff bei der Ampel an – Kritik an Lindner wegen höherer Freibeträge
- Was waren das für schöne Selfies, die Christian Lindner, Volker Wissing, Annalena Baerbock und Robert Habeck im siegestrunkenen Taumel nach der Bundestagswahl 2021 posteten. Liberale und Grüne in trauter, von der Öffentlichkeit unbemerkter Runde. Heute aber, im nasskalten Januar 2024, ist der vermeintliche Zauber aus jenen Spätsommertagen in den grauen Niederungen der Ampel-Koalition verf logen – gerade FDP und Grüne dreschen munter aufeinander ein.
Nachdem Finanzminister Lindner (FDP, Foto: dpa) bereits im Sommer vergangenen Jahres beim Wachstumschancengesetz von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) zwischenzeitlich ausgebremst worden war, hatte sich der Freidemokrat anschließend bei der von Paus präferierten Kindergrundsicherung quergestellt – am Ende gab es nach zähem Ringen einen wachsweichen Kompromiss,
bei dem die Familienministerin mächtig zurückstecken musste. Jetzt rummst es erneut zwischen FDP und Grünen, diesmal geht es um Kinderfreibetrag und Kindergeld.
Das Vorhaben von Lindner, den steuerlichen Kinderfreibetrag zu erhöhen, aber nicht das Kindergeld zu berücksichtigen, wird von den Grünen abgelehnt, Unterstützung erhalten Letztgenannte diesmal auch lautstark von der SPD. Die beiden Koalitionäre fordern aus Gerechtigkeitsgründen auch ein höheres Kindergeld.
Nach Lindners Plänen soll der Kinderfreibetrag rückwirkend zum 1. Januar 2024 von 6024 auf 6612 Euro steigen. Auch der allgemeine Grundfreibetrag soll höher werden. Das ist nach Angaben eines Sprechers des Finanzministeriums notwendig, weil infolge der Inf lation die Regelbedarfe beim Bürgergeld stärker angehoben wurden. „Ziel des Ministers ist es, die Menschen weiter zu entlasten“, so der Sprecher. Das Kindergeld
dagegen solle bei 250 Euro bleiben. Es sei zuvor wegen steigender Preise deutlich angehoben worden.
In der Regel erhalten Eltern entweder Kindergeld oder Freibeträge für Kinder bei der Einkommensteuer. Das Finanzamt prüft automatisch, was für sie vorteilhafter ist. Der Kinderfreibetrag lohnt sich nach Angaben von Steuerexperten oft erst bei höheren Einkommen über 80.000 Euro zu versteuerndem Einkommen von Ehepaaren oder bei mehr als 40.000 Euro für Alleinerziehende.
Dagegen laufen SPD und Grüne Sturm. „Ein höherer Kindergrundfreibetrag ohne gleichzeitig mehr Kindergeld ginge ausschließlich auf das Konto von Familien mit sehr hohen Einkommen. Das wäre absolut sozial ungerecht“, erklärte SPD-Fraktionsvize
Sönke Rix gegenüber der Welt. „Auch das Kindergeld muss angehoben werden, damit Familien mit kleinem Geldbeutel profitieren.“Rix baut auch gleich eine Drohkulisse auf: „Weigert sich die FDP, das Kindergeld entsprechend zu erhöhen, wäre das ein klarer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag.“„Nur den Kinderfreibetrag steigen zu lassen, würde bedeuten, dass es für Kinder von Spitzenverdienern 23 Euro mehr im Monat gäbe, für Kinder aus der Mittelschicht gäbe es nichts“, wetterte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch in Richtung Finanzministerium.
Während das Finanzministerium und die beteiligten Fraktionen bereits hörbar auf Betriebstemperatur sind und ihren Streit öffentlich austragen, schweigt das Haus von Familienministerin Paus lieber. „Wir wollen das auf Regierungsebene intern klären“, zeigte sich ein Sprecher der Ministerin am Montag in der Bundespressekonferenz zurückhaltend.