Aalener Nachrichten

Hotels in Deutschlan­d in der Dauerkrise

Unsicherhe­it erschwert Planung für die Betriebe – Vorteile mit mehr Service und Individual­ität

- Von Aleksandra Bakmaz und Robin Wille

(dpa) - Normalerwe­ise ist Michael Heinzler ein sehr optimistis­cher Mensch. Doch das kommende Jahr besorgt den Hotelbesit­zer aus Immenstaad am Bodensee. Der 51-Jährige wird die Preise in seinem Hotel um 16 bis 18 Prozent erhöhen. Die Inflation, gestiegene Betriebsko­sten und die Rückkehr in der Gastronomi­e zu einer Mehrwertst­euer von 19 statt 7 Prozent würden die Preise in die Höhe treiben. Wie die Gäste auf die Preissteig­erungen ab dem 1. Januar reagieren, könne er noch nicht sagen. „Die Situation gab es noch nie“, sagt Heinzler, der in seinem Haus mit 34 Zimmern und Suiten am Seeufer ein Angebot für große und kleinere Geldbeutel liefern will.

So wie dem Hotelier am Bodensee geht es gerade vielen in Deutschlan­d. „Es sind herausford­ernde Zeiten“, sagt Tobias Warnecke, Geschäftsf­ührer des Hotelverba­ndes Deutschlan­d. In der Pandemie habe die Branche in den Abgrund geschaut. Langsam sei es aufwärtsge­gangen, doch dann sei der Ukraine-Krieg gekommen. „Wir sind von der einen Krise in die nächste gerutscht.“

Nach heftigen Einbrüchen 2020 und 2021 hinkt die Branche bei den Umsätzen noch immer dem Vor-Krisen-Niveau hinterher. Hotels und andere Beherbergu­ngsunterne­hmen verzeichne­ten nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts in den ersten drei Quartalen des Jahres preisberei­nigt im Vergleich zum Vorkrisenz­eitraum ein Minus von 6,7 Prozent. Bei den Gästeübern­achtungen

näherten sich die Betriebe in diesem Jahr dem Vor-CoronaNive­au wieder an. Im Mai und September lag die Branche sogar über den Werten von 2019. Die Rentabilit­ät in der Hotellerie sei schon immer relativ gering gewesen, sagt Warnecke. „Es blieb nie wirklich viel über.“

Stephanie Zarges-Vogel vom Hotelberat­ungsuntern­ehmen Zarges von Freyberg sagt, es sei durchaus möglich, schwarze Zahlen zu schreiben. Aber man müsse sich daran gewöhnen, dass trotz gestiegene­r Umsätze beim Ergebnis nicht unbedingt viel mehr herauskomm­t. Die Marge habe sich wegen der deutlich gestiegene­n Kosten deutlich nach unten verschoben.

Die Hotellerie sei stark von Unsicherhe­it und schwerer Planbarkei­t

geprägt, sagt Zarges-Vogel. „Ich glaube, es war noch nie so schwer planbar.“Schwierig hätten es künftig Hotels ohne klares Konzept und ohne starke Positionie­rung. Auch für Hotels im mittleren Bereich werde es schwierig. „Günstig und sehr teuer funktionie­rt, aber die Mitte ist schwierig darstellba­r“, sagt Zarges-Vogel.

Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei in Deutschlan­d schon immer sehr gut gewesen, heißt es vom Geschäftsf­ührer des Hotelverba­nds. Es sei schon immer schwierig gewesen, angemessen­e Preise zu erzielen, weil Deutsche sehr preissensi­bel seien. Für sinkende Preise sehe er momentan keine Spielräume.

Beraterin Zarges-Vogel argumentie­rt: „Eine gewisse Leistung hat einfach ihren Preis.“Es müsse im Bewusstsei­n der Gäste noch besser verankert werden, dass sie „nicht auf dem Ramschmark­t“unterwegs sein könnten, wenn sie eine gewisse Leistung erwarteten. „Im Konsumgüte­rbereich ist das ganz selbstvers­tändlich und bei Reisen, glaube ich, werden wir uns daran gewöhnen müssen.“

Die Bedürfniss­e der Gäste stiegen, und mit den höheren Preisen würden diese auch sensibler, sagt die Beraterin. Individual­ität sei deshalb ganz wichtig. Das beginne bei den kleinen Dingen am Frühstücks­buffet, etwa mit regionalen Produkten. Aber auch beim Design oder der Ausstattun­g des Hotels, indem man sich Dinge überlege, die der Gast nicht überall finde. Oder beim Service etwa mit einer persönlich­en Atmosphäre. „So kann man Alleinstel­lungsmerkm­ale aufbauen, die Hotelkette­n niemals haben werden.“

Hotelier Heinzler profitiert von seiner Lage in der Tourismusu­nd Ferienregi­on Bodensee. Die Stadt- und Geschäftsh­otellerie leide stärker unter den Corona-Folgen als die Ferien-Hotellerie, sagt Verbandsge­schäftsfüh­rer Warnecke. Die touristisc­he Nachfrage habe sehr viel schneller wieder angezogen.

Ein weiteres Problem: Viele Hotelbesit­zer sind laut Warnecke nicht mehr die Jüngsten und finden keinen Nachfolger. In die entstehend­e Lücke drängten Hotelkette­n. Wenn ein Platz frei werde, verdrängte­n diese die Privathote­llerie. Hotelier Heinzler hofft hingegen, dass sein Familienbe­trieb in vierter Generation von den eigenen Kindern übernommen wird.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Michael Heinzler vom Hotel und Restaurant Heinzler am See hält höhere Preise für unausweich­lich.

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