Debatte um Schutz des Bundesverfassungsgerichts
SPD, Grüne und FDP wollen Unabhängigkeit besser absichern – CDU-Politiker Frei warnt vor Schnellschüssen
(dpa) - Das Wort Bundesverfassungsgericht steht 27-mal im Grundgesetz. Nur: Details etwa zur Anzahl der Richter, zur nötigen Zweidrittelmehrheit für ihre Wahl, zum Ausschluss der Wiederwahl und dazu, dass sich das Gericht selbst eine Geschäftsordnung gibt, stehen eben nicht im Grundgesetz – sondern in einem separaten Gesetz: dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht. Und deshalb wird derzeit über Rechtsänderungen diskutiert.
Der Bundestag kann solche Gesetze mit einfacher Mehrheit beschließen beziehungsweise ändern. Für Änderungen des Grundgesetzes hingegen müssen zwei Drittel der Stimmen zusammenkommen. Wenn also jetzt erwogen wird, die bestehenden Regelungen auch ins Grundgesetz zu schreiben, geht es vor allem darum, sie „änderungsfester“zu machen, wie der Bielefelder Verfassungsrechtler Christoph Gusy es formuliert.
Unter der Überschrift „Mehr Widerstandskraft“hatten die ehemaligen Verfassungsrichter Gabriele Britz und Michael Eichberger vor ein paar Wochen Änderungen gefordert: Dem einfachen Zugriff des Gesetzgebers sollten jene Strukturen des höchsten deutschen Gerichts entzogen werden, die für dessen Funktionsfähigkeit, Unabhängigkeit und zur Verhinderung einseitiger Besetzung wesentlich sind. „Das entspricht seiner Stellung als Verfassungsorgan und stärkt seine Widerstandsfähigkeit gegen unwägbare politische Entwicklungen.“In den vergangenen Tagen nahm die Debatte Fahrt auf.
Vertreter von SPD und FDP regten an, Strukturen des Karlsruher Gerichts im Grundgesetz zu verankern und Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes ebenfalls nur mit Zweidrittelmehrheit
zu ermöglichen. Anlass für solche Überlegungen seien Entwicklungen in Ungarn und unter der früheren PiS-Regierung in Polen sowie Verbalangriffe der AfD auf das Bundesverfassungsgericht, sagte der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg. „Klar ist, dass wir zu allem einen breiten Schulterschluss der demokratischen Fraktionen suchen.“
Manche Unionspolitiker zeigten sich offen, darüber zu sprechen. So teilte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Günter Krings mit, seine Fraktion sei gespannt, ob es seitens der Ampel-Koalition „hier bald konkretere Vorschläge gibt“. Hingegen drückte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei, auf die Bremse: „Ich warne einfach vor wie auch immer gearteten Schnellschüssen.“Er sehe derzeit keine Gefahr, dass eine politische Kraft im Bundestag und erst recht nicht im Bundesrat mehr als 50 Prozent bekommen könne. Viel größer sei die Gefahr, dass eine Kraft eine Sperrminorität von einem Drittel der Stimmen erhalten könne.
Bislang werden die 16 Richter je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat jeweils mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Das Verfahren sorgt Frei zufolge dafür, dass ausgleichende Kandidaten gewählt werden, die nicht extreme Minderheitenpositionen verträten.
Der Deutsche Anwaltverein sprach sich dafür aus, für die obersten Gerichte von Bund und Ländern sicherzustellen, „dass radikale Sperrminoritäten die Besetzung der Richterstellen nicht langfristig blockieren können“. Denkbar sei beispielsweise, dass der Bundesrat die Richterstellen besetze, sofern der Bundestag dieser Aufgabe über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen könne. Konkret geht es um die Sorge, angesichts von Umfragewerten von 20 bis 30 Prozent könne die AfD an Einf luss gewinnen.