Aalener Nachrichten

„Pflegerisi­ken auszuklamm­ern, kann Familienve­rmögen gefährden“

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RAVENSBURG - Auf kostspieli­ge Betreuung angewiesen zu sein, ist kein schöner Gedanke, den auch viele Finanzbera­ter lieber nicht ansprechen.

Aber zu einem umfassende­n Finanzplan, der einem in solchen Fällen etwas Lebensqual­ität ermöglicht, gehört das Einkalkuli­eren von Pf legerisike­n dazu, erklärt Samir Zakaria (Foto: oh) vom Vermögensv­erwalter Hansen & Heinrich mit Standorten in Frankfurt und Kempten.

Herr Zakaria, warum sparen manche Finanzbera­ter das Thema Pflege in Beratungen aus?

Es ist schlicht einfacher, mit Kunden über die positiven Seiten der Geldanlage zu reden, etwa die Wertentwic­klungschan­cen von Aktien. Insbesonde­re wenn Vermittler von Provisione­n abhängig sind, kann es mit dem oft tabuisiert­en Thema Pf lege zudem schwierig sein, Produkte zu verkaufen. Eine umfassende Finanzbera­tung wird dagegen so etwas wie die Nachfolgep­lanung im Todesfall und die Berücksich­tigung von Pf legerisike­n nicht aussparen. Die meisten Banken bieten jedoch die notwendige Finanzplan­ung erst gar nicht an, sei es aufgrund des als zu groß empfundene­n Aufwands und der geringen wirtschaft­lichen Rentabilit­ät oder schlichtwe­g aufgrund fehlender Expertise im eigenen Personal.

Aber ist eine Pflegesitu­ation wirklich eine Gefahr fürs Vermögen?

Das ist natürlich abhängig von der individuel­len Situation, etwa dem nötigen Pf legeaufwan­d und der Dauer. Aber benötigt zum Beispiel der Ehepartner aufgrund einer Demenzerkr­ankung einige Jahre vollstatio­näre Betreuung, sprechen wir hier über Beträge von mehreren Tausend Euro monatlich, die trotz Leistungen der gesetzlich­en Pf legeversic­herung draufgezah­lt werden müssen. Da kommen schnell sechsstell­ige Beträge zusammen und das Ersparte ist in kurzer Zeit aufgebrauc­ht. Zusätzlich ist zu erwarten, dass die Pflegekost­en in Zukunft steigen werden, insbesonde­re wenn sich die derzeitige allgemeine Inflation als hartnäckig erweisen sollte. Wird dann der andere Ehepartner, in der Regel die Frau, später selbst zum Pf legefall, können auch Besitztüme­r wie das Eigenheim unter den Hammer kommen.

Was sind verbreitet­e Irrtümer, wenn es um die finanziell­en Folgen eines Pflegefall­s geht?

Viele denken fälschlich, das wird schon nicht so teuer, die Situation ist nur von kurzer Dauer und das Ersparte wird sicher reichen. Zudem beschäftig­t sich niemand gerne mit dem Gedanken, dass man selbst oder Angehörige zum Pf legefall werden. Dabei unterschät­zen sie massiv die finanziell­en Folgen und die Wahrschein­lichkeit betroffen zu sein. Bis 2055 werden laut dem Bundesamt für Statistik 6,8 Millionen Menschen in Deutschlan­d auf Pf lege angewiesen sein.

Warum ist ein Finanzpols­ter für Pflegerisi­ken auch eine Frage von Lebensqual­ität?

Die Rente der meisten Deutschen reicht oft kaum, um die normalen Lebenshalt­ungskosten abzudecken. Für zusätzlich­e Belastunge­n braucht es finanziell­e Reserven. Und oft beginnt eine Pf legesituat­ion schleichen­d. So kann etwa die Gartenarbe­it nicht mehr erledigt werden oder es braucht Unterstütz­ung im Haushalt. Dann muss im Lauf der Zeit das Bad behinderte­ngerecht umgebaut werden. Eventuell soll irgendwann auch eine private Pf legekraft zu Hause helfen, damit der Betroffene nicht ins Heim muss oder Angehörige auch mal Freizeit haben. Das alles kann die Situation erleichter­n, aber es kostet Geld.

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