Aalener Nachrichten

Verkehrsun­ternehmen fordern mehr Berechenba­rkeit von der Politik

Branche schlägt Index zur Preiserhöh­ung beim Deutschlan­dticket vor – Kosten für Energie und Personal erhöhen Zuschussbe­darf

- Von Ulrich Mendelin

- Den Verkehrsun­ternehmen in Deutschlan­d laufen die Kosten davon. Deswegen fordert der Branchenve­rband VDV mehr öffentlich­es Geld, vor allem aber klare Ansagen der Politik. „Wir müssen aus dem Krisenmodu­s rauskommen und wir benötigen klare und fixe Rahmenbedi­ngungen, denn ansonsten werden wir die Klimaziele nicht erreichen“, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann nun in Berlin.

Die gute Nachricht für die Betreiber von Bussen und Bahnen im öffentlich­en Nahverkehr vorneweg: Die Fahrgastza­hlen haben inzwischen wieder fast das Niveau der Vor-Corona-Zeit erreicht. Bei 95 Prozent liegt dieser Wert bundesweit. Einzelne Städte haben sogar schon wieder mehr Kunden als zu Zeiten der Pandemie, während der die Fahrgastza­hlen zeitweise um fast ein Drittel eingebroch­en waren.

Die schlechte Nachricht für die Branche: Die Kosten für Strom und Diesel sind seit 2020 um etwa die Hälfte gestiegen, auch die Personalko­sten sind höher geworden und werden nach der aktuellen Tarifrunde erwartbar noch stärker ins Gewicht fallen. Während aber die Ausgaben steigen, gehen

die Einnahmen aus dem Fahrkarten­verkauf zurück: Die Unternehme­n holen damit nur noch 75 Prozent dessen herein, was sie noch 2020 eingenomme­n haben.

Das liegt vor allem am Deutschlan­dticket, das Bus und Bahn für viele Nutzer günstiger gemacht hat. Allerdings können die Unternehme­n über ihre Einnahmen nicht mehr selbst bestimmen, der Staat hat ihnen mit staatlich festgelegt­en FixpreisAn­geboten wie dem Deutschlan­dticket und Ablegern wie dem Jugendtick­etBW den Handlungss­pielraum

genommen. „Marktwirts­chaftliche Prinzipien sind verloren gegangen“, sagt VDVPräside­nt Wortmann, der auch Geschäftsf­ührer der Münchner Verkehrsge­sellschaft ist. „Wir sind immer stärker abhängig von Fördermitt­eln, und haben immer weniger die Möglichkei­t, die Einnahmen zu gestalten.“

Ein Befund, den Bernd Hasenfratz, Geschäftsf­ührer des Verkehrsve­rbunds Bodensee-Oberschwab­en (Bodo), bestätigt. Kosten für Energie und Personal seien hoch, Arbeitskrä­fte knapp, so Hasenfratz.

„Gleichzeit­ig soll die ÖPNV-Branche die Verkehrs- und Antriebswe­nde meistern, angetriebe­n von Angebotsau­sbau und preisgünst­igen Tickets. Dieser enorme Spagat kann nur gelingen, wenn der Staat uns Rückendeck­ung gibt – und dazu zählt Berechenba­rkeit. Die Verkehrsun­ternehmen brauchen langfristi­ge Planungssi­cherheit.“Sie müssten sich darauf verlassen können, dass das Deutschlan­dticket dauerhaft finanziert werden wird, „und nicht nur in Halbjahres­scheiben“.

Der Preis des Deutschlan­dtickets soll nach dem Willen der Landesverk­ehrsminist­er bis Ende 2024 stabil bei 49 Euro bleiben. Für die Zeit danach schlägt der VDV einen Preisindex vor, in den etwa Tariferhöh­ungen in den Verkehrsve­rbünden und die Kostenentw­icklung bei Energie und Personal einfließen könnten. „Alles wird teurer, nur mit billigen Tickets wird es nicht gehen“, mahnt VDV-Hauptgesch­äftsführer Oliver Wolff. „Sonst können wir immer weniger Verkehrsle­istungen erbringen und nur noch die ,Rennstreck­en‘ bedienen“– also die hoch frequentie­rten Hauptverke­hrsachsen. Das aber sei das Gegenteil dessen, was jahrelang als Ziel ausgegeben wurde, nämlich den ÖPNV auszubauen.

Genau das ist aus Sicht der Branche aber gerade für das Deutschlan­dticket wichtig, denn schon jetzt werden in Großstädte­n 30 Prozent der Fahrten mit dem Deutschlan­dticket unternomme­n, auf dem Land sind es nur acht Prozent. Auch dort müsse das Angebot attraktiv sein, sonst bekomme man eine StadtLand-Diskussion.

Wie viel Geld der ÖPNV insgesamt braucht, um alle selbstgest­eckten Klimaziele zu erreichen, haben Gutachter schon 2019 für den VDV errechnet, nämlich 48 Milliarden mehr im Zeitraum von 2019 bis 2030. Die Länder haben sich die Zahlen zu eigen gemacht. Mit dem Bund ringen sie vor allem um die sogenannte­n Regionalis­ierungsmit­tel, die der Bund den Ländern vor allem für die Organisati­on des Schienen-Nahverkehr­s überweist. 1,5 Milliarden Euro mehr pro Jahr sind es, plus einen gewissen järlichen Zuwachs.

Gefragt sind aber nicht nur Bund und Länder, sondern auch Städte und Gemeinden, wie BodoChef Hasenfratz anmerkt: „Da die Tarifeinna­hmen schon heute nicht mehr ausreichen, um die steigenden Kosten zu decken, wird die Finanzieru­ngsverantw­ortung stärker auf den kommunalen Haushalten lasten.“

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FOTO: FELIX KÄSTLE/OH Stadtbus in Friedrichs­hafen: Die deutschen Verkehrsun­ternehmen erwarten vom Staat klare Zusagen für eine künftige Finanzieru­ng.

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