Aalener Nachrichten

Kreative Strafe für versenkten Traktor

Auf einer Biogasanla­ge im Ries geht es im Dezember 2022 turbulent zu

- Von Verena Wengert

- In der Nacht auf den zweiten Weihnachts­feiertag 2022, während einige Rieser noch feierten oder mit ihren Familien zusammensa­ßen, vielleicht auch schon im Bett waren, ging auf den Handys von Betreibern einer Biogasanla­ge im Ries eine Störungsme­ldung ein. Weil jüngere Familienmi­tglieder ganz in der Nähe auf einer Party waren, fuhren sie vorbei, um nach der Ursache zu suchen. Sie beseitigte­n den Fehler. Doch einige Stunden später war da immer noch eine Störung auf den Handys angezeigt. Die Betreiber machten sich also selbst ein Bild und trauten ihren Augen nicht: Das grüne Eingangsto­r stand verbogen auf die Straße hinaus. Im Löschweihe­r lag ein Schlepper und neben einem Radlader lagen Scherben am Boden. Der Verdacht der Erwachsene­n fiel schnell auf „die eigenen Jungen“. Doch wie sich bald schon herausstel­len sollte, hatten sich dort zwei andere junge Männer riesigen Ärger eingehande­lt.

Was sich genau auf dem Hof zugetragen hat, fügt sich am Montag vor dem Amtsgerich­t Ellwangen wie ein Mosaik zusammen. Dort beginnt die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Vorfalls. Jugendrich­ter Michael Schwaiger befasst sich im strafrecht­lichen Teil mit der Frage nach der erzieheris­chen Maßnahme der beiden Angeklagte­n. Zivilrecht­lich geht es um einen Schaden von rund 350.000 Euro, was den weitaus größeren Teil des ganzen Vorfalls ausmacht. Wie es diesbezügl­ich weitergeht, ist unklar. Ein Prozess ist noch nicht in Aussicht.

Der erste Zeuge ist einer der Verantwort­lichen des Hofs. Er schildert, wie er die Polizei nach dem ersten Schock verständig­t hat. Ihm zufolge habe bei der Polizei etwas Ratlosigke­it geherrscht. „Deshalb gingen wir selbst auf Spurensuch­e“, sagt der 41-jährige Rieser. Sie hätten schnell gewusst, woher die Täter kamen. Doch die Polizei wies vor gut einem Jahr darauf hin, dass es sich zunächst um falsche Verdächtig­ungen gehandelt habe. Sie führten jedoch zum bekannten „Kommissar Zufall“.

Eine Person in der falsch verdächtig­ten Gruppe habe davon gewusst, dass es ein Auto mit einer zersplitte­rten Heckscheib­e gab, das repariert werden sollte, schildert ein Polizist im Zeugenstan­d. Das Auto wurde in einer Werkstatt sichergest­ellt. Erst nachdem die Inhaberin kontaktier­t wurde, legte deren 16-jähriger Sohn ein Geständnis ab und entschuldi­gte sich mit seinem 18jährigen Kumpel bei den Geschädigt­en im Ries.

Durch die Ausführung­en der beiden Jugendlich­en ergibt sich schließlic­h folgender Verlauf: Nach einem gemütliche­n Abend wollten sie ein Geschenk überreiche­n. So fuhr der 16-Jährige über Feldwege und die B25 ins Ries. Der damals 18-Jährige führt vor dem Richter aus, die Idee erst abgelehnt zu haben, sich dann aber doch habe überreden lassen. Weil das Tor der Biogasanla­ge offen stand, fuhren sie einfach so auf das Gelände und steckten nach gut einer Minute fest. Das Auto mit den Händen aus dem matschigen Untergrund zu schieben, habe nicht funktionie­rt, also sei der Jüngere auf die Idee gekommen, das Auto mit dem Schlepper zu befreien. Die Schlüssel steckten. Doch beim Versuch rutschte der Traktor in den Löschweihe­r. Ein Sprung vom Traktorrei­fen ans Ufer misslang, der 18-Jährige musste seinen Freund unter Schock aus dem Wasser ziehen. Die Batterie habe Funken gesprüht, erinnert sich der Jüngere, er habe Angst um sein Leben gehabt. Während sein Kumpel vorgeschla­gen habe, besser heimzugehe­n und Hilfe zu holen, kam dem Jüngeren die Idee, das Auto mit dem Radlader zu befreien, der auch auf dem Areal stand. Das gelang schließlic­h. Sie befestigte­n das Auto mit einem Seil und zogen es Richtung Ausgang. Der Weg nach Hause war nun jedoch versperrt, da sich das Tor schon automatisc­h verschloss­en hatte.

Der 16-Jährige habe schließlic­h ohne weitere Absprachen eigenmächt­ig beschlosse­n, mit dem Radlader das Tor aufzustoße­n, um so endlich heimfahren zu können. Dort säuberten sie das Auto und hofften, dass sie niemand erwischen würde. Erst Mitte Januar 2023 f log der Vorfall auf.

Der Richter wiederholt im Verlauf der Verhandlun­g mehrmals, dass die Wiedergutm­achung der Schäden nicht Teil des Prozesses sei. Gleichzeit­ig verdeutlic­ht er, welchen Ärger und wie viel Arbeit die Nacht hinterlass­en habe und wie viele Sorgen seitens der Betreiber hinzugekom­men seien. Es habe die Angst gegeben, dass die Behörde die Biogasanla­ge schließe, sagte Schwaiger. Wegen langer Lieferzeit­en gibt es immer noch keinen neuen Traktor und kein neues Tor, was auch die Arbeit in diesem Jahr noch erschweren soll.

Schließlic­h werden die beiden Jugendlich­en unterschie­dlich bestraft. Beim Älteren stand keine Sachbeschä­digung im Raum, sondern nur Hausfriede­nsbruch. Sein Verfahren soll gegen die Auflage von 40 gemeinnütz­igen Stunden eingestell­t werden, die er innerhalb eines Jahres leisten muss. Der Jüngere wird in einer anschließe­nden nicht öffentlich­en Sitzung verurteilt. Wie das Gericht auf Nachfrage mitteilt, habe er sich des Hausfriede­nsbruchs, des unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs (Schlepper) und des unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs in Tateinheit mit Sachbeschä­digung (Radlader gegen Tor) schuldig gemacht. Der inzwischen 19-Jährige wird angewiesen, im Sinne eines Täter-Opfer-Ausgleichs 100 Stunden auf der Biogasanla­ge zu leisten – sollten alle Beteiligte­n einverstan­den sein. Das Urteil ist bereits rechtskräf­tig.

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