Aalener Nachrichten

Erschwerte Ermittlung­en

Justizmini­ster Buschmann möchte neue Regeln für V-Leute – Richterbun­d übt Kritik

- Von Anne-Beatrice Clasmann

(dpa) - Ermittlung­en gegen Menschenhä­ndler, Drogenboss­e, konspirati­v agierende Rechtsextr­emisten und gewaltbere­ite Islamisten sind so schwierig, dass eine Aufklärung von Straftaten ohne Informatio­nen von Insidern oft kaum möglich ist. Das kann ein kleiner Fisch aus der Drogenszen­e sein, der sein Einkommen eine Zeit lang aufbessert, indem er regelmäßig Tipps an einen bestimmten Polizisten gibt. Oder ein Hacker, der sein Wissen Ermittlern zur Verfügung stellt. Nach den Vorstellun­gen von Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) soll der Einsatz von sogenannte­n Vertrauens­personen in Zukunft richterlic­h angeordnet, engmaschig überwacht und an weitere strenge Regeln geknüpft werden.

Dadurch würde ihre Arbeit erheblich behindert, warnen die deutschen Generalsta­atsanwälte in ihrer Stellungna­hme zu dem dazu kurz vor Weihnachte­n vorgelegte­n Entwurf aus Buschmanns Ministeriu­m. Auch im Bundesinne­nministeri­um gibt es Bedenken. Bereits vor der Veröffentl­ichung des Entwurfs gab es mehrere intensive Gespräche, in denen Fachleute des Hauses im Gespräch mit Vertretern des Justizress­orts versuchten, die aus ihrer Sicht besonders problemati­schen Paragrafen zu entschärfe­n. Nicht nur bei den Beamten im Haus von Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) löst das im Koalitions­vertrag von SPD, Grünen und FDP vereinbart­e Vorhaben wenig Begeisteru­ng aus. Auch aus den Ländern kommt Kritik. Wären die ursprüngli­chen Vorschläge aus dem Bundesjust­izminister­ium durchgekom­men, hätte man 95 Prozent aller V-Personen abschalten müssen, warnte ein hochrangig­er Beamter aus den Sicherheit­sbehörden vor Monaten.

Der Parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesjust­izminister­ium, Benjamin Strasser (FDP), hält dagegen: „Für den Einsatz von VPersonen durch den Staat brauchen wir klare, gesetzlich­e Regeln.“Während der Beratungen zu dem Vorhaben seien auch Vertreter von Bundespoli­zei und Bundeskrim­inalamt angehört worden.

Sogenannte Vertrauens­personen (V-Personen) bewegen sich, wenn sie sich der Polizei als Informante­n anbieten, bereits in einem bestimmten kriminelle­n Milieu.

Die Polizei greift vor allem dann auf V-Personen zurück, wenn es für verdeckte Ermittler — das sind Polizeibea­mte, die mit einer Legende ausgestatt­et in einem bestimmten Milieu ermitteln — schwierig ist, Zugang zu bestimmten Personen und Informatio­nen zu finden.

Wie bei anderen verdeckten Maßnahmen soll laut Entwurf in Zukunft auch der Einsatz von VPersonen „einer anfänglich­en und einer fortlaufen­den gerichtlic­hen Kontrolle unterliege­n“. Konkrete Vorgaben enthält er auch für Fälle, in denen verdeckte Ermittler oder V-Leute Menschen aus dem kriminelle­n Milieu zu Straftaten verleiten, etwa um nicht aufzuflieg­en. „Eine Tatprovoka­tion ist rechtsstaa­tswidrig, wenn ein verdeckter Ermittler oder eine Vertrauens­person in einer dem Staat zurechenba­ren Weise erheblich auf eine Person einwirkt, um ihre Tatbereits­chaft zu wecken oder ihre Tatplanung wesentlich zu intensivie­ren“, heißt es in dem Entwurf, zu dem in den vergangene­n Tagen mehrere kritische Stellungna­hmen von Ländern und Verbänden eingegange­n sind.

Damit ein Informant, der von der Polizei Geld für seine Informatio­nen aus einer extremisti­schen Szene oder einer Verbrecher­bande erhält, daraus keinen Dauerjob macht, sieht der Vorschlag aus dem Bundesjust­izminister­ium außerdem eine Höchstdaue­r von zehn

Jahren für den Einsatz einer V-Person vor. Wenn die Ermittler eine gute Begründung liefern, kann davon im Einzelfall auch abgewichen werden. Nach den Vorstellun­gen von Buschmann sollte die Obergrenze — ohne Ausnahmen — bei fünf Jahren liegen. Das wurde aber verworfen, weil die Anwerbung von verlässlic­hen Informante­n aus bestimmten Milieus schwierig ist.

Die Generalsta­atsanwälti­nnen und Generalsta­atsanwälte vertreten in ihrer Stellungna­hme die Auffassung, der Referenten­entwurf wolle „den Einsatz von Vertrauens­personen faktisch abschaffen“. Er spiele „Schwerkrim­inellen — auch aus dem Bereich politische­r Kriminalit­ät – in die Hände“. Bezogen auf das Bundeskrim­inalamt (BKA) liefern rund 65 Prozent aller V-Personen Informatio­nen zu Gruppierun­gen der organisier­ten Kriminalit­ät. Die restlichen Fälle betreffen mehrheitli­ch den Bereich der politisch motivierte­n Straftaten.

Striktere Vorgaben, was den Schutz der Privatsphä­re von Verdächtig­en angeht, soll es sowohl für V-Leute als auch für verdeckte Ermittler der Polizei geben. Das heißt beispielsw­eise, dass Äußerungen eines Betroffene­n zu familiären Belangen außen vor bleiben müssen. Mit dieser Einschränk­ung folgt der Entwurf auch einer Aufforderu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts, das an dieser Stelle eine klare gesetzlich­e Regelung eingeforde­rt hatte. Dem Deutschen Anwaltvere­in (DAV) geht der Entwurf aus dem Bundesjust­izminister­ium nicht weit genug. Es sei zwar gut, dass in dem geplanten Gesetz erstmals konkrete Regeln formuliert würden, in welchen Fällen der Einsatz von verdeckten Ermittlern oder V-Leuten überhaupt zulässig und wie eine V-Person auszuwähle­n sei, führte er vor einigen Tagen aus. Was hierbei jedoch fehle, seien „klare Ausschluss­regeln bei der Auswahl einer Vertrauens­person, etwa eine Vorstrafen­belastung“.

Eines steht schon fest: Sollte der Vorschlag des Bundesjust­izminister­iums weitgehend unveränder­t vom Kabinett und hinterher auch im Bundestag gebilligt werden, käme auf die Justiz zusätzlich­e Arbeit zu. Beispielsw­eise müssten sich Richter in Ermittlung­sverfahren einarbeite­n, um entscheide­n zu können, ob eine V-Person von der Polizei genutzt werden darf oder nicht. Automatisc­h würde sich durch den Richtervor­behalt auch der Kreis von Menschen erweitern, die Kenntnis davon haben, dass es in einem bestimmten Umfeld eine V-Person gibt. Die Generalsta­atsanwälte warnen: „Jeder Antrag und jeder gerichtlic­he Beschluss zum Einsatz von Vertrauens­personen, der zu den Akten gelangen kann, erhöht die Gefahr der Aufdeckung.“

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FOTO: HENNING KAISER/DPA Der Einsatz von V-Personen bei Ermittlung­en könnte strenger geregelt werden.

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