Aalener Nachrichten

Einmal komplett um die Altstadt herum

Zur Kundgebung gegen rechts kommen rund 7000 Menschen – Rednerinne­n und Redner heben Vielfalt hervor

- Von Timo Lämmerhirt

- Um kurz vor 15 Uhr an diesem Samstagnac­hmittag sind Tausende Richtung Aalener Bahnhof gezogen – von rund 7000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer­n sprechen die Verantwort­lich hinterher. Das Aalener „Bündnis Aufstehen gegen Rassismus“hat zu einer Demonstrat­ion und Kundgebung gegen rechts und für Demokratie aufgerufen. Einer der Hauptorgan­isatoren, Christian Zeeb von der DGB Südostwürt­temberg, traute seinen Augen nicht. Damit hat sich die Anzahl im Vergleich zu vergangene­r Woche, als eine ähnliche Veranstalt­ung auf dem Johannispl­atz in Schwäbisch Gmünd, vom Gmünder Bündnis organisier­t, verdoppelt.

Der Demozug Richtung Aalener Rathaus brach um etwa 15.05 Uhr auf. Um 15.20 Uhr waren immer noch nicht alle vom Startplatz los gekommen. Unter den zahlreiche­n Menschen waren unter anderem Alt-OB Ulrich Pfeif le, der gemeinsam mit einem seiner Nachfolger, dem aktuellen Oberbürger­meister Frederick Brütting, ein Plakat mit der Aufschrift „Für Demokratie und Vielfalt – Nie wieder ist jetzt!“in den Händen hielt. Ebenfalls anwesend war der ehemalige Landrat Klaus Pavel sowie der aktuelle, Joachim Bläse, der unter anderem beim Sprechchor „Nie wieder Faschismus“mitsang. Er hatte wie schon in Gmünd den Veranstalt­ern versproche­n, vor Ort sein zu wollen.

Um 15.45 Uhr etwa erreichte der Demozug, angeführt von Vertretern des afrikanisc­hen Kulturvere­ins, die eifrig trommelten, den Marktplatz. Zeeb begrüßte die Teilnehmer­innen und Teilnehmer, die schon an der Bühne vor dem Rathaus warteten, berichtete, wie viele doch teilnehmen – was Applaus nach sich zog. „Ganz Aalen ist hier, die ganze Ost-alb ist hier. Mich freut dieser Anblick sehr, dass so viele Menschen für unser gemeinsame­s Ziel auf die Straße gehen. Dieses Gefühl ist unbeschrei­blich“, sagte Zeeb dann auf der Bühne sichtlich berührt. Mit ernster Stimme fügte er an: „Der Grund ist allerdings ein sehr ernster. Wir erleben zur Zeit einen Ruck an Rechtsextr­emismus, der nicht mehr zu übersehen ist.“Dann heizte er zum Start der Menge ein. „Wir brauchen keine Faschos mehr in diesem Land, deswegen ruft alle mit: Nie wieder Faschismus!“Die Menge folgte dem Aufruf. Zahlreiche Plakate wurden in die Höhe gestreckt, in einigen steckte sehr viel Arbeit, was verdeutlic­ht, wie wichtig diese Kundgebung und dieses deutliche Bekenntnis gegen rechts für viele ist.

„Über eine Million Menschen sind in Deutschlan­d gegen Rechtsextr­emismus und für Demokratie auf die Straße gegangen, nicht nur in den großen Städten,

heute auch in Aalen – und das tut richtig gut. Wir spüren, dass wir nicht alleine sind mit unseren Gefühlen, auch mit manchen Ängsten, nicht mit der Wut. Es tut gut, heute zusammenzu­stehen“, begann Brütting seine Rede. Er erinnerte an Sophie Scholl, eine der wohl bekanntest­en Widerstand­skämpferin­nen zu Zeit des Nationalso­zialismus. „Wir stehen zusammen für Demokratie und Vielfalt, wir stehen für Respekt und die Achtung der Menschenre­chte. Wir stehen hier aus Solidaritä­t zu unseren Mitbürgeri­nnen und Mitbürgern und zum Schutz unseres Grundgeset­zes. Wir sind die Brandmauer gegen rechts. Nie wieder ist genau jetzt“, brüllte Brütting überzeugt ins Mikrofon.

Ebenfalls auf der Bühne war Heike Madan, Kreisvorsi­tzende DGB, Kreisverba­nd Ostalb, Anne und Leni Klöcker vom Klimaentsc­heid Aalen und Fridays for Future. Mithat Basaran sprachim Namen des Integratio­nsausschus­ses, katholisch­e und evangelisc­he Kirche waren vor Ort. Tonio Kleinknech­t, Intendant des Theaters der Stadt Aalen, schleppte nicht nur die Lautsprech­erboxen vom Bahnhof Richtung Aalener Rathaus, er sprach auch zur Menge. Viele weitere solidarisi­erten sich und zwischendr­in gab es immer wieder Musikstück­e von Musikern der Region, die sich spontan zusammenge­schlossen hatten, um musikalisc­h ihren Beitrag gegen rechts zu symbolisie­ren.

Mit Rechtsradi­kalismus gehe auch schnell Antisemiti­smus einher, wie Zeeb anführte. Nun fand die Kundgebung an einem Samstag, dem Schabbat, statt, sodass kein Vertreter der jüdischen Gemeinde auftreten konnte. „Deswegen war es uns ein großes Anliegen, der jüdischen Gemeinde hier in Aalen das Wort zu erteilen“, leitete Zeeb ein. Stellvertr­etend für die jüdische Gemeinde aber trat Frauke Krauß vom interkultu­rellen Garten auf. „Wir alle machen diese bunte, facettenre­iche Stadt mit Menschen aller Religionen und aller Kulturen und ganz unterschie­dlicher Lebensentw­ürfe aus – ob unsere Wurzeln hier liegen oder sonstwo auf der Welt“, begann sie ihre Worte an die Menge. „Diese Vielfalt ist eine Stärke unserer Stadt, diese Vielfalt macht das Leben aus.“

2023 erst hat die jüdische Gemeinde ihre zehnjährig­es Jubiläum feiern können. Der Antisemiti­smus sei nie verschwund­en gewesen. „Teilweise arbeiteten sie sich an den Muslimen ab, die man nach dem 11. September unter Generalver­dacht stellte. Nun sind es alle Migranten“, so Krauß weiter. Zwar sei sie positiv, dass dieses Gedankengu­t wieder zurückgedr­ängt werden könne, dennoch solle man sich vergegenwä­rtigen, wie weit rechtes Gedankengu­t in die Mitte der Gesellscha­ft gesickert sei. „Brandgefäh­rlich“sei die Lage aktuell.

Die Verantwort­lichen um Christian Zeeb waren begeistert von der Resonanz und können sich fast schon freuen: Am kommenden Samstag wird eine weitere Demonstrat­ion samt Kundgebung stattfinde­n, diesmal in Heidenheim – dort geht es um „5 vor 12“los.

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FOTO: ANSGAR KÖNIG Die komplette Innenstadt war voll mit Menschen, die sich lautstark gegen Rechtsradi­kalismus und für die Demokratie eingesetzt haben. Die Initiatore­n rund um Christian Zeeb waren überwältig­t.

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