Aalener Nachrichten

Auf Kosten der Älteren

- Von Luca Mader l.mader@schwaebisc­he.de

Die Pharmaindu­strie hat vorgeschla­gen, den Beipackzet­tel flächendec­kend zu digitalisi­eren. Damit sollen 10.500 Tonnen CO2 eingespart werden. Doch was sich nach viel anhört, ist in Wahrheit nicht viel. Nahezu jeder Kuhstall hat eine schlechter­e Klimabilan­z als die 1,5 Milliarden essenziell wichtigen Beipackzet­tel, die jährlich in Deutschlan­d produziert werden. Dass die Pharmaindu­strie auf so ein geringes Einsparpot­enzial Wert legt, darf einem ruhig spanisch vorkommen. Insbesonde­re auch deshalb, weil die Branche nicht verrät, wie viel Geld sie mit der Maßnahme denn einsparen würde. So wenig dürfte es nicht sein. Immerhin würde die Pharmaindu­strie dafür in Kauf nehmen, älteren Menschen das Leben bedeutend schwerer zu machen.

Senioren sind nämlich auf gedruckte Packungsbe­ilagen angewiesen. Viele von ihnen besitzen keinen Internetan­schluss. Je älter die Person, desto geringer ist die Wahrschein­lichkeit, dass diese digital unterwegs ist. Der Zugriff auf wichtige Informatio­nen wie Nebenwirku­ngen und Wechselwir­kungen mit anderen Medikament­en bliebe diesen Menschen also verwehrt. Das wäre grob fahrlässig. Vor allem in Anbetracht dessen, dass Senioren tendenziel­l stärker auf Medikament­e angewiesen sind als jüngere Menschen.

Der Verweis der Pharmaindu­strie darauf, dass in Zukunft die Apotheken auf Wunsch einen Beipackzet­tel ausdrucken könnten, ist unsinnig. Denn Apotheken sind keine Copyshops. Die technische Infrastruk­tur müsste erst geschaffen werden. Wer diese bezahlen soll, weiß niemand – die Pharmaunte­rnehmen würden jedoch bestimmt nicht dafür aufkommen. Zudem klagen die Apotheker im Land sowieso schon über zu wenig Honorar und zu viel Bürokratie. Ihnen jetzt noch diese Sisyphosar­beit aufzuhalse­n, wäre eine Zumutung.

Der Vorschlag der Branche geht somit völlig an der Alltagsrea­lität von Apothekern und einer Vielzahl ihrer Kunden vorbei. Das allein wäre noch verzeihbar. Doch dass die Branche die Gesundheit von älteren Menschen nur aus Geldgründe­n aufs Spiel setzen will, ist schlicht und ergreifend ein Unding.

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