Auf Kosten der Älteren
Die Pharmaindustrie hat vorgeschlagen, den Beipackzettel flächendeckend zu digitalisieren. Damit sollen 10.500 Tonnen CO2 eingespart werden. Doch was sich nach viel anhört, ist in Wahrheit nicht viel. Nahezu jeder Kuhstall hat eine schlechtere Klimabilanz als die 1,5 Milliarden essenziell wichtigen Beipackzettel, die jährlich in Deutschland produziert werden. Dass die Pharmaindustrie auf so ein geringes Einsparpotenzial Wert legt, darf einem ruhig spanisch vorkommen. Insbesondere auch deshalb, weil die Branche nicht verrät, wie viel Geld sie mit der Maßnahme denn einsparen würde. So wenig dürfte es nicht sein. Immerhin würde die Pharmaindustrie dafür in Kauf nehmen, älteren Menschen das Leben bedeutend schwerer zu machen.
Senioren sind nämlich auf gedruckte Packungsbeilagen angewiesen. Viele von ihnen besitzen keinen Internetanschluss. Je älter die Person, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese digital unterwegs ist. Der Zugriff auf wichtige Informationen wie Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten bliebe diesen Menschen also verwehrt. Das wäre grob fahrlässig. Vor allem in Anbetracht dessen, dass Senioren tendenziell stärker auf Medikamente angewiesen sind als jüngere Menschen.
Der Verweis der Pharmaindustrie darauf, dass in Zukunft die Apotheken auf Wunsch einen Beipackzettel ausdrucken könnten, ist unsinnig. Denn Apotheken sind keine Copyshops. Die technische Infrastruktur müsste erst geschaffen werden. Wer diese bezahlen soll, weiß niemand – die Pharmaunternehmen würden jedoch bestimmt nicht dafür aufkommen. Zudem klagen die Apotheker im Land sowieso schon über zu wenig Honorar und zu viel Bürokratie. Ihnen jetzt noch diese Sisyphosarbeit aufzuhalsen, wäre eine Zumutung.
Der Vorschlag der Branche geht somit völlig an der Alltagsrealität von Apothekern und einer Vielzahl ihrer Kunden vorbei. Das allein wäre noch verzeihbar. Doch dass die Branche die Gesundheit von älteren Menschen nur aus Geldgründen aufs Spiel setzen will, ist schlicht und ergreifend ein Unding.