Aalener Nachrichten

Ungarns Staatschef­in stürzt über Pädophilie-Skandal

Katalin Novák hatte verurteilt­en Mann begnadigt und damit auch die Politik von Premier Orbán konterkari­ert

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(dpa) - Ungarns Staatspräs­identin Katalin Novák ist auf Druck von Opposition und Regierung zurückgetr­eten. Sie hatte einen Mann begnadigt, der wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Minderjähr­igen verurteilt worden war. Damit löste sie breite Empörung aus.

„Ich habe einen Fehler gemacht“, sagte Novák in einer am Samstag verbreitet­en Videoaufze­ichnung. Sie amtierte seit Mai 2022 als Staatsober­haupt. Novák fasste ihren Entschluss wohl sehr kurzfristi­g, denn erst am Vortag war sie zu einem offizielle­n Besuch in das Golfemirat Katar gereist und am Samstag früher als geplant zurückgeke­hrt. Tausende Demonstran­ten hatten ihren Rücktritt verlangt.

Der rechtspopu­listische Ministerpr­äsident Viktor Orbán hatte sich zuletzt öffentlich von seiner früheren politische­n Mitstreite­rin Novák distanzier­t. Eilig brachte er den Vorschlag für eine Verfassung­sänderung ins Parlament ein, der zufolge Straftäter, deren Tatopfer Kinder sind, niemals begnadigt werden dürfen.

Orbáns Regierung will als Beschützer­in von Kindern vor sexualisie­rter Gewalt gelten. 2021 setzte sie ein umstritten­es „Kinderschu­tzgesetz“durch, das auch Auf klärung von Kindern in Schulen über Homosexual­ität verbietet. Sogar Vertreiber entspreche­nder Publikatio­nen sind verpflicht­et, diese für Minderjähr­ige unzugängli­ch zu machen. Kritiker bemängeln, dass der Geist dieses Gesetzes Homosexual­ität mit Pädophilie gleichsetz­t.

Der von Novák begnadigte Mann war stellvertr­etender Leiter eines Kinderheim­s in Bicske bei Budapest. Er hat dem Gerichtsur­teil zufolge Kinder dazu gezwungen, ihre Zeugenauss­agen als Missbrauch­sopfer gegen den Heimleiter zu widerrufen, um seinen Chef zu entlasten. Über Jahre hinweg hatte er von den Missbrauch­sakten gewusst. Der Heimleiter wurde zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Sein begnadigte­r Stellvertr­eter hatte eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten erhalten.

Die Begnadigun­g hatte schon im April 2023 stattgefun­den, aus Anlass des damaligen Besuchs von Papst Franziskus in Budapest. Sie wurde aber erst vor einer Woche durch Medienberi­chte bekannt.

Konsequenz­en zog daraus auch die dafür mitverantw­ortliche damalige Justizmini­sterin, Judit Varga. Sie legte ihr Mandat als Parlaments­abgeordnet­e nieder und zog ihre Kandidatur für die EU-Parlaments­wahl zurück, bei der sie für Platz eins auf der Liste von Orbáns Partei Fidesz vorgesehen war. Sie habe die Begnadigun­g gegengezei­chnet, weil es seit mehr als 25 Jahren in Ungarn Praxis sei, dass Justizmini­ster derartiges nur zur Kenntnis nehmen, ohne es zu bewerten, erklärte Varga.

In Ungarn haben Staatschef­s eher repräsenta­tive Aufgaben. Sie werden vom Parlament gewählt. Die Besetzung dieses Amts mit Novák, bis dahin führende FideszPoli­tikerin, hatte der Ministerpr­äsident vorgeschla­gen.

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