Thema Demenz soll raus aus der Tabuzone
In der Trägerschaft der Samariterstiftung ist ein Demenzcafé im evangelischen Gemeindehaus gestartet
- Niederschwellig, barrierefrei, mit viel Gesang und Unternehmungen. So beschreiben Pfarrerin Andrea Stier, Leiterin Susanne Heine, Doris Liebe von der Samariterstiftung und Gisela Schweller das Café Weitblick, einen Treff für Demenzkranke, der am vergangenen Donnerstag im evangelischen Gemeindehaus seine Premiere hatte. Immer donnerstags von 14.30 bis 17.30 Uhr ist das Café geöffnet und verfolgt drei Ziele: Die Angehörigen Demenzkranker sollen entlastet werden, die Kranken selbst – die Macherinnen sprechen von Gästen – sollen gefördert werden. Und: Das Thema Demenz soll aus der Tabuzone mitten hinein in die Stadt geholt werden, wie es Doris Liebe formuliert. Schließlich kann es ja jeden treffen.
„Ein erster Schritt ist getan“, freut sich Pfarrerin Stier, denn der Weg zum Demenzcafé war lang. Gut ein Jahr, so berichtet Gisela Scheller, hätten die Vorbereitungen gedauert von der Idee, die noch vom ehemaligen Pfarrer Bernhard Richter stammt, bis zur Umsetzung. „Wir wollten neben unseren jährlichen Projekten auch etwas Bleibendes schaffen“, erzählt Scheller.
Die Macherinnen haben sich in der Vorbereitung fachliche Hilfe von der Alzheimer-Stiftung geholt. Die fordert zum Beispiel, dass mindestens eine hauptamtliche Kraft das Café leitet (das übernimmt Susanne Heine) und das der Träger eine Zulassung hat.
Hier übernimmt die Samariterstiftung, die mit dem Café Zuversicht in Oberkochen schon seit fast 16 Jahren ein ähnliches Projekt betreibt.
Zum Auftakt am vergangenen Donnerstag war der Andrang noch bescheiden, je eine demenzkranke Frau und ein demenzkranker Mann kamen. Wobei Susanne Heine nicht so gerne von „Demenz“spricht, ihr ist der Ausdruck „mit kognitiven Einschränkungen“
lieber. Und Doris Liebe fügt an: „Wir wollen uns mit unseren Gästen nicht über Dinge ärgern, die nicht mehr gehen, sondern uns freuen über die Dinge, die noch funktionieren.“
Und das scheint zu funktionieren, denn für diesen Donnerstag sind schon vier Gäste angemeldet, eine Steigerung von 100 Prozent, wenn man so will, in nur einer Woche. Zu viel Andrang würde dem Personal im Café Weitblick
momentan eh nicht zupasskommen, denn es fehlt noch an Ehrenamtlichen. Momentan greift das Café auf einen Pool von sechs Helferinnen zurück. Da aber eine Eins-zu-eins-Betreuung die Vorgabe ist, „dürfen es gerne mehr werden“, hoffen die vier Macherinnen.
Das Café soll, auch wenn die Angehörigen währenddessen Arztbesuche oder Einkäufe erledigen können, kein „Aufbewahrungsort“ sein, sondern ein Ort, an dem die Demenzkranken gefördert werden. Die Ideen, die Leiterin Susanne Heine hat, scheinen unerschöpflich: „Regelmäßigkeit, Rituale, Biographiearbeit sind zum Beispiel wichtig. Wir machen Gedächtnistraining, Gymnastik, wir singen viel, wir reden viel. Wir wollen vorhandene Stärken fördern“, sagt sie.
Ganz umsonst ist diese Betreuung natürlich nicht. Nach einem Schnuppernachmittag werden wöchentlich 25 Euro fällig, „aber“, so fügt Susanne Heine an, „die werden in der Regel über das Pf legeleistungsergänzungsgesetz abgedeckt.“Dafür bekommen die Gäste professionelle Hilfe, denn auch die Ehrenamtlichen durchlaufen eine Ausbildung. Wie rede ich mit Demenzerkrankten? Welche Themen spreche ich an, welche vermeide ich?
Und natürlich geht das Café Weitblick auch rein in die Stadt. „Die zentrale Lage hier zwischen Café Samocca und Busbahnhof bietet unzählige Möglichkeiten“, freut sich Andrea Stier. Den Abschluss bildet auf jeden Fall eine feste Abschiedszeremonie, verspricht Leiterin Susanne Heine, bevor die Gäste von ihren Angehörigen wieder abgeholt werden können.
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