Aalener Nachrichten

G20 wollen internatio­nale Institutio­nen reformiere­n

Bei Treffen der Außenminis­ter in Rio stehen Vereinte Nationen auf dem Prüfstand – Baerbocks Appell an Russland

- Von Jörg Blank und Denis Düttmann

(dpa) - Außenminis­terin Annalena Baerbock sieht die G20-Runde führender und aufstreben­der Wirtschaft­smächte als wichtigen Reformmoto­r innerhalb internatio­naler Institutio­nen wie den Vereinten Nationen. „Wenn wir die komplexen Herausford­erungen des 21. Jahrhunder­ts bewältigen wollen, dürfen unsere multilater­alen Institutio­nen nicht im vergangene­n Jahrhunder­t stecken bleiben“, sagte die Grünen-Politikeri­n am Donnerstag in einer Debatte der G20-Außenminis­ter über Reformen der internatio­nalen politische­n Organisati­onen und der internatio­nalen Finanzstru­ktur. „Ich glaube, dass die G20 in diesem Reformproz­ess eine entscheide­nde Rolle spielen kann und muss.“

Die G20-Runde spiegele „die geopolitis­che Vielfalt der heutigen Welt ziemlich gut wider“, sagte Baerbock. Das mache die Arbeit in dem Format zwar manchmal zu einer Herausford­erung. „Aber wenn wir Gemeinsamk­eiten untereinan­der erkennen, können wir ein Motor für Veränderun­gen sein, auch in Foren wie den Vereinten Nationen“, fügte die Bundesauße­nministeri­n hinzu.

Baerbock stellte sich damit auch gegen Kritiker, die das G20Format angesichts des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine für überholt halten. Der G20 gehören neben Deutschlan­d, Frankreich und den USA unter anderem auch Russland und China an. Die Gruppe steht für etwa 80 Prozent

der weltweiten Wirtschaft­skraft und 60 Prozent der Weltbevölk­erung. Aktuell hat Brasilien den Vorsitz. Das Format war ursprüngli­ch vor allem als wirtschaft­spolitisch­e Plattform gegründet worden. Mittlerwei­le werden die Diskussion­en allerdings von den globalen Krisen und den Kriegen in der Ukraine und in Nahost überlagert.

Die Debatte über Reformen der internatio­nalen Organisati­onen ist unter anderem vor dem Hintergrun­d der Blockade durch Russland im UN-Sicherheit­srat seit dem Angriff auf die Ukraine zu sehen. Es wird überlegt, wie man internatio­nale Organisati­onen wie die Vereinten Nationen wieder schlagkräf­tiger machen kann. Die Diskussion über die internatio­nalen Finanzstru­kturen stehen auch im Zusammenha­ng mit dem immer aggressive­ren Auftreten Chinas etwa in Afrika oder im Indopazifi­k. Peking wird im Westen vorgehalte­n, Staaten mit Krediten abhängig machen zu wollen, während westliche Demokratie­n bei entspreche­nden Angeboten mit langwierig­en Entscheidu­ngsprozess­en oft nicht mithalten können.

Baerbock rief die G20-Mitglieder auf, sich am „Zukunftspa­kt“zu beteiligte­n, an dem UN-Mitgliedss­taaten in New York unter Führung von Deutschlan­d und Namibia arbeiten. Ziel sei es, konkrete Schritte für eine Reform des Sicherheit­srates, eine neu belebte

Generalver­sammlung und eine Reform der internatio­nalen Finanzarch­itektur zu erarbeiten. „Der Pakt hat das Potenzial, den Multilater­alismus voranzutre­iben“, sagte die Bundesauße­nministeri­n. Geld zähle – insbesonde­re wenn man die Auswirkung­en der Klimakrise bekämpfen und den wirtschaft­lichen Wandel beschleuni­gen wolle.

Baerbock hat sich beim Treffen der G20-Außenminis­ter der führenden Wirtschaft­smächte auch direkt an ihren russischen Kollegen Sergej Lawrow gewandt und ein Ende des Krieges in der Ukraine verlangt. „Wenn Ihnen Menschenle­ben am Herzen liegen, wenn Ihnen Ihr eigenes Volk am Herzen liegt, russische Kinder und Jugendlich­e, müssen Sie diesen Krieg jetzt beenden“, sagte die Grünen-Politikeri­n bereits am Mittwoch direkt an Lawrow gewandt, der drei Plätze links von ihr saß. „Wenn Russland diesen Krieg jetzt beenden würde, wäre morgen der Weg zum Frieden und zur Gerechtigk­eit weit offen“, fügte sie hinzu.

Ein Umbau des internatio­nalen Systems gehört auch zu den erklärten Zielen der brasiliani­schen G20-Präsidents­chaft. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte zuletzt den UN-Sicherheit­srat als unglaubwür­dig kritisiert und den internatio­nalen Finanzinst­itutionen wie dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) und der Weltbank vorgeworfe­n, sich zu stark in die inneren Angelegenh­eiten der Gläubigerl­änder einzumisch­en. Lula versteht Brasilien als Sprachrohr des Globalen Südens und will den Schwellenl­ändern mehr Gehör verschaffe­n.

 ?? FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA ?? Annalena Baerbock, Außenminis­terin der Bundesrepu­blik, appelliert auf dem G20-Außenminis­tertreffen in Rio de Janeiro an ihren russischen Amtskolleg­en Lawrow, den Krieg in der Ukraine zu beenden.
FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Annalena Baerbock, Außenminis­terin der Bundesrepu­blik, appelliert auf dem G20-Außenminis­tertreffen in Rio de Janeiro an ihren russischen Amtskolleg­en Lawrow, den Krieg in der Ukraine zu beenden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany