G20 wollen internationale Institutionen reformieren
Bei Treffen der Außenminister in Rio stehen Vereinte Nationen auf dem Prüfstand – Baerbocks Appell an Russland
(dpa) - Außenministerin Annalena Baerbock sieht die G20-Runde führender und aufstrebender Wirtschaftsmächte als wichtigen Reformmotor innerhalb internationaler Institutionen wie den Vereinten Nationen. „Wenn wir die komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen wollen, dürfen unsere multilateralen Institutionen nicht im vergangenen Jahrhundert stecken bleiben“, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag in einer Debatte der G20-Außenminister über Reformen der internationalen politischen Organisationen und der internationalen Finanzstruktur. „Ich glaube, dass die G20 in diesem Reformprozess eine entscheidende Rolle spielen kann und muss.“
Die G20-Runde spiegele „die geopolitische Vielfalt der heutigen Welt ziemlich gut wider“, sagte Baerbock. Das mache die Arbeit in dem Format zwar manchmal zu einer Herausforderung. „Aber wenn wir Gemeinsamkeiten untereinander erkennen, können wir ein Motor für Veränderungen sein, auch in Foren wie den Vereinten Nationen“, fügte die Bundesaußenministerin hinzu.
Baerbock stellte sich damit auch gegen Kritiker, die das G20Format angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine für überholt halten. Der G20 gehören neben Deutschland, Frankreich und den USA unter anderem auch Russland und China an. Die Gruppe steht für etwa 80 Prozent
der weltweiten Wirtschaftskraft und 60 Prozent der Weltbevölkerung. Aktuell hat Brasilien den Vorsitz. Das Format war ursprünglich vor allem als wirtschaftspolitische Plattform gegründet worden. Mittlerweile werden die Diskussionen allerdings von den globalen Krisen und den Kriegen in der Ukraine und in Nahost überlagert.
Die Debatte über Reformen der internationalen Organisationen ist unter anderem vor dem Hintergrund der Blockade durch Russland im UN-Sicherheitsrat seit dem Angriff auf die Ukraine zu sehen. Es wird überlegt, wie man internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen wieder schlagkräftiger machen kann. Die Diskussion über die internationalen Finanzstrukturen stehen auch im Zusammenhang mit dem immer aggressiveren Auftreten Chinas etwa in Afrika oder im Indopazifik. Peking wird im Westen vorgehalten, Staaten mit Krediten abhängig machen zu wollen, während westliche Demokratien bei entsprechenden Angeboten mit langwierigen Entscheidungsprozessen oft nicht mithalten können.
Baerbock rief die G20-Mitglieder auf, sich am „Zukunftspakt“zu beteiligten, an dem UN-Mitgliedsstaaten in New York unter Führung von Deutschland und Namibia arbeiten. Ziel sei es, konkrete Schritte für eine Reform des Sicherheitsrates, eine neu belebte
Generalversammlung und eine Reform der internationalen Finanzarchitektur zu erarbeiten. „Der Pakt hat das Potenzial, den Multilateralismus voranzutreiben“, sagte die Bundesaußenministerin. Geld zähle – insbesondere wenn man die Auswirkungen der Klimakrise bekämpfen und den wirtschaftlichen Wandel beschleunigen wolle.
Baerbock hat sich beim Treffen der G20-Außenminister der führenden Wirtschaftsmächte auch direkt an ihren russischen Kollegen Sergej Lawrow gewandt und ein Ende des Krieges in der Ukraine verlangt. „Wenn Ihnen Menschenleben am Herzen liegen, wenn Ihnen Ihr eigenes Volk am Herzen liegt, russische Kinder und Jugendliche, müssen Sie diesen Krieg jetzt beenden“, sagte die Grünen-Politikerin bereits am Mittwoch direkt an Lawrow gewandt, der drei Plätze links von ihr saß. „Wenn Russland diesen Krieg jetzt beenden würde, wäre morgen der Weg zum Frieden und zur Gerechtigkeit weit offen“, fügte sie hinzu.
Ein Umbau des internationalen Systems gehört auch zu den erklärten Zielen der brasilianischen G20-Präsidentschaft. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte zuletzt den UN-Sicherheitsrat als unglaubwürdig kritisiert und den internationalen Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank vorgeworfen, sich zu stark in die inneren Angelegenheiten der Gläubigerländer einzumischen. Lula versteht Brasilien als Sprachrohr des Globalen Südens und will den Schwellenländern mehr Gehör verschaffen.