Zwischen Befürchtungen und Verantwortung
Dialog über Flüchtlingsunterbringung in Wasseralfingen – Landrat und OB lassen Anwohner zu Wort kommen
- Es gibt Befürchtungen und Ängste bei den Anwohnern der Kolping-, der Jörg-Syrlin- und der Bismarckstraße wegen der geplanten Gemeinschaftsunterkunft für 60 Geflüchtete aus der Ukraine im ehemaligen evangelischen Gemeindehaus und dem Kindergarten. Jetzt haben sie das Wort gehabt: bei einer Dialogveranstaltung im voll besetzten Bürgerhaus mit Oberbürgermeister Fredrick Brütting, Landrat Joachim Bläse und Andrea Hatam.
Von vielen Ängsten und sogar „schlimmsten Befürchtungen“berichtete die Ortsvorsteherin. Sie würden durch Anrufe, in Gesprächen oder per E-Mail an sie herangetragen. Man könne sich als größter Stadtbezirk mit rund 12.000 Einwohnern dem Thema aber nicht verschießen.
Was für Andrea Hatam ganz wichtig ist: Die Anwohner und Nachbarn könnten sich darauf verlassen, dass die Unterkunft für maximal 60 Menschen professionell vom Landratsamt betreut werde, so wie in der ehemaligen Aalener Musikschule und in der leerstehenden Friedensschule in Unterkochen auch. Wichtig seien auch Ehrenamtliche, die sich einbringen und „herzlich willkommen“seien.
Die Veranstaltung fand statt, noch bevor die kommunalpolitischen Gremien über die Unterbringung beraten werden. Zunächst sollten die Anwohner ihre Anregungen und Bedenken nennen können.
Die Ortsvorsteherin machte aber auch klar, dass der Wasseralfinger Ortschaftsrat die geplante Nutzung des ehemaligen Gemeindehauses und der ehemaligen Kita in der Bismarckstraße 85 und 87 dem Aalener Gemeinderat empfehlen müsse. Sie stehen derzeit leer. „So müssen wir keine Turnhallen in Beschlag nehmen“, nannte sie einen Vorteil.
Oberbürgermeister Frederick Brütting erklärte, dass Aalen, gemessen an seiner Einwohnerzahl, bislang sehr wenige Geflüchtete aufgenommen habe. Er erinnerte daran, dass die Stadt in den vergangenen Jahren in verschiedenen Krisen viele Menschen aufnahm. Und man habe das „insgesamt gut hinbekommen“. Er sei
überzeugt, dass die Gemeinschaftsunterkunft in Wasseralfingen genau die richtige Größe habe und sozialverträglich sei. Was man auf jeden Fall vermeiden wolle: Dass man wartet, bis ein Bus mit Gef lüchteten „vor der Haustür steht“. Die Stadt wolle eine Containerunterkunft am Stadtrand „unbedingt vermeiden“.
Der OB sicherte allerdings auch zu: „Die Aalener Stadtverwaltung plant in Aalen keine weiteren Flüchtlingsunterkünfte.“Mit den drei Gemeinschaftsunterkünften in der ehemaligen Musikschule in der Hegelstraße, der ehemaligen Friedensschule in Unterkochen und künftig im ehemaligen Gemeindehaus in Wasseralfingen habe die Stadt ihre Aufgabe für den Landkreis erbracht. Man setze im Übrigen nicht nur auf Not- und Gemeinschaftsunterkünfte, man brauche auch die Privaten. Die Stadt habe bislang 120 leerstehende Wohnungen angemietet.
Die Wortmeldungen der Anwohner und Nachbarn waren sehr unterschiedlich. Zum einen gab es Befürchtungen, dass in der Bismarckstraße trotz der zentralen Lage ein „Brennpunkt“entstehen könnte. Als Negativ-Beispiel wurde die Unterkunft in der Ulmer Straße genannt. Andere hatten Angst um ihre Kinder, speziell um die Töchter, für die das Gemeindehaus auf dem Schulweg liegt.
„Es kommen nicht nur brave und nette Menschen“, meinte jemand. Für andere ist die Unterkunft eine moralische Verpflichtung, es gehe ja vor allem um Frauen, Kinder oder Familien. Und das Gemeindehaus und der Kindergarten inklusive Kinderspielplatz sei ein geeigneter Platz. Wieder andere sahen die Räumlichkeit für zu begrenzt an für bis zu 60 Menschen.
Auf die Ängste antwortete Bläse so: Eine Garantie, dass es keinerlei Probleme gebe, könne man nicht geben, aber man wolle „ein
gutes Gefühl vermitteln“. Er könne ja auch nicht für seinen eigenen Nachbarn garantieren. Der Landrat nannte Beispiele für Unterkünfte: in Schechingen etwa, in Kirchheim, in Neresheim und in anderen Unterkünften „läuft es wirklich gut“. Und er appellierte eindringlich an alle Anwesenden: Man habe gegenüber den Opfern von Terror, Hass, Gewalt und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit eine Verantwortung. „Zu sagen, das wollen wir nicht, geht nicht. Wir wollen ein Rechtsstaat sein.“Es gebe eine Aufnahmeverpf lichtung für die Landkreise, und man müsse das geltende Gesetz umsetzen.
Derzeit betreibt der Landkreis 16 Gemeinschaftsunterkünfte mit insgesamt 1120 Plätzen. Sie seien zu fast 85 Prozent belegt, sagte Carsten Hiller, der Geschäftsbereichsleiter für Integration beim Landratsamt. Der Landkreis brauche dringend weitere rund 2000 Plätze.
Pfarrer Uwe Quast von der
evangelischen Kirchengemeinde Wasseralfingen-Hüttlingen wandte sich an die Bürger: Was die Gef lüchteten erlebt haben, „will keiner von uns erfahren“. Und er stellte klar, dass die Kirchengemeinde das Gemeindehaus und den Kindergarten nicht aufgegeben habe, weil die Gebäude schlecht seien. Es sei bei der Entscheidung darum gegangen, dass die Gemeinde durch den Bau des neuen Gemeindezentrums mit Kindergarten neben der Magdalenenkirche zum Ursprung der Gemeinde zurückkehren und die Gebäude auch verkleinern wollte.
Das ehemalige Gemeindehaus und der Kindergarten sind im Besitz der Wohnungsbau. Die Betreuung der Geflüchteten übernimmt der Ostalbkreis, der Mietvertrag läuft über fünf Jahre.