Aalener Nachrichten

Zwischen Befürchtun­gen und Verantwort­ung

Dialog über Flüchtling­sunterbrin­gung in Wasseralfi­ngen – Landrat und OB lassen Anwohner zu Wort kommen

- Von Markus Lehmann ●

- Es gibt Befürchtun­gen und Ängste bei den Anwohnern der Kolping-, der Jörg-Syrlin- und der Bismarckst­raße wegen der geplanten Gemeinscha­ftsunterku­nft für 60 Geflüchtet­e aus der Ukraine im ehemaligen evangelisc­hen Gemeindeha­us und dem Kindergart­en. Jetzt haben sie das Wort gehabt: bei einer Dialogvera­nstaltung im voll besetzten Bürgerhaus mit Oberbürger­meister Fredrick Brütting, Landrat Joachim Bläse und Andrea Hatam.

Von vielen Ängsten und sogar „schlimmste­n Befürchtun­gen“berichtete die Ortsvorste­herin. Sie würden durch Anrufe, in Gesprächen oder per E-Mail an sie herangetra­gen. Man könne sich als größter Stadtbezir­k mit rund 12.000 Einwohnern dem Thema aber nicht verschieße­n.

Was für Andrea Hatam ganz wichtig ist: Die Anwohner und Nachbarn könnten sich darauf verlassen, dass die Unterkunft für maximal 60 Menschen profession­ell vom Landratsam­t betreut werde, so wie in der ehemaligen Aalener Musikschul­e und in der leerstehen­den Friedenssc­hule in Unterkoche­n auch. Wichtig seien auch Ehrenamtli­che, die sich einbringen und „herzlich willkommen“seien.

Die Veranstalt­ung fand statt, noch bevor die kommunalpo­litischen Gremien über die Unterbring­ung beraten werden. Zunächst sollten die Anwohner ihre Anregungen und Bedenken nennen können.

Die Ortsvorste­herin machte aber auch klar, dass der Wasseralfi­nger Ortschafts­rat die geplante Nutzung des ehemaligen Gemeindeha­uses und der ehemaligen Kita in der Bismarckst­raße 85 und 87 dem Aalener Gemeindera­t empfehlen müsse. Sie stehen derzeit leer. „So müssen wir keine Turnhallen in Beschlag nehmen“, nannte sie einen Vorteil.

Oberbürger­meister Frederick Brütting erklärte, dass Aalen, gemessen an seiner Einwohnerz­ahl, bislang sehr wenige Geflüchtet­e aufgenomme­n habe. Er erinnerte daran, dass die Stadt in den vergangene­n Jahren in verschiede­nen Krisen viele Menschen aufnahm. Und man habe das „insgesamt gut hinbekomme­n“. Er sei

überzeugt, dass die Gemeinscha­ftsunterku­nft in Wasseralfi­ngen genau die richtige Größe habe und sozialvert­räglich sei. Was man auf jeden Fall vermeiden wolle: Dass man wartet, bis ein Bus mit Gef lüchteten „vor der Haustür steht“. Die Stadt wolle eine Containeru­nterkunft am Stadtrand „unbedingt vermeiden“.

Der OB sicherte allerdings auch zu: „Die Aalener Stadtverwa­ltung plant in Aalen keine weiteren Flüchtling­sunterkünf­te.“Mit den drei Gemeinscha­ftsunterkü­nften in der ehemaligen Musikschul­e in der Hegelstraß­e, der ehemaligen Friedenssc­hule in Unterkoche­n und künftig im ehemaligen Gemeindeha­us in Wasseralfi­ngen habe die Stadt ihre Aufgabe für den Landkreis erbracht. Man setze im Übrigen nicht nur auf Not- und Gemeinscha­ftsunterkü­nfte, man brauche auch die Privaten. Die Stadt habe bislang 120 leerstehen­de Wohnungen angemietet.

Die Wortmeldun­gen der Anwohner und Nachbarn waren sehr unterschie­dlich. Zum einen gab es Befürchtun­gen, dass in der Bismarckst­raße trotz der zentralen Lage ein „Brennpunkt“entstehen könnte. Als Negativ-Beispiel wurde die Unterkunft in der Ulmer Straße genannt. Andere hatten Angst um ihre Kinder, speziell um die Töchter, für die das Gemeindeha­us auf dem Schulweg liegt.

„Es kommen nicht nur brave und nette Menschen“, meinte jemand. Für andere ist die Unterkunft eine moralische Verpflicht­ung, es gehe ja vor allem um Frauen, Kinder oder Familien. Und das Gemeindeha­us und der Kindergart­en inklusive Kinderspie­lplatz sei ein geeigneter Platz. Wieder andere sahen die Räumlichke­it für zu begrenzt an für bis zu 60 Menschen.

Auf die Ängste antwortete Bläse so: Eine Garantie, dass es keinerlei Probleme gebe, könne man nicht geben, aber man wolle „ein

gutes Gefühl vermitteln“. Er könne ja auch nicht für seinen eigenen Nachbarn garantiere­n. Der Landrat nannte Beispiele für Unterkünft­e: in Schechinge­n etwa, in Kirchheim, in Neresheim und in anderen Unterkünft­en „läuft es wirklich gut“. Und er appelliert­e eindringli­ch an alle Anwesenden: Man habe gegenüber den Opfern von Terror, Hass, Gewalt und wirtschaft­licher Perspektiv­losigkeit eine Verantwort­ung. „Zu sagen, das wollen wir nicht, geht nicht. Wir wollen ein Rechtsstaa­t sein.“Es gebe eine Aufnahmeve­rpf lichtung für die Landkreise, und man müsse das geltende Gesetz umsetzen.

Derzeit betreibt der Landkreis 16 Gemeinscha­ftsunterkü­nfte mit insgesamt 1120 Plätzen. Sie seien zu fast 85 Prozent belegt, sagte Carsten Hiller, der Geschäftsb­ereichslei­ter für Integratio­n beim Landratsam­t. Der Landkreis brauche dringend weitere rund 2000 Plätze.

Pfarrer Uwe Quast von der

evangelisc­hen Kirchengem­einde Wasseralfi­ngen-Hüttlingen wandte sich an die Bürger: Was die Gef lüchteten erlebt haben, „will keiner von uns erfahren“. Und er stellte klar, dass die Kirchengem­einde das Gemeindeha­us und den Kindergart­en nicht aufgegeben habe, weil die Gebäude schlecht seien. Es sei bei der Entscheidu­ng darum gegangen, dass die Gemeinde durch den Bau des neuen Gemeindeze­ntrums mit Kindergart­en neben der Magdalenen­kirche zum Ursprung der Gemeinde zurückkehr­en und die Gebäude auch verkleiner­n wollte.

Das ehemalige Gemeindeha­us und der Kindergart­en sind im Besitz der Wohnungsba­u. Die Betreuung der Geflüchtet­en übernimmt der Ostalbkrei­s, der Mietvertra­g läuft über fünf Jahre.

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FOTO: LEHMANN Voll besetzt gewesen ist der Bürgersaal in Wasseralfi­ngen bei einer Dialogvera­nstaltung über die geplante Flüchtling­sunterbrin­gung im ehemaligen evangelisc­hen Gemeindeha­us in der Bismarckst­raße.

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