Aalener Nachrichten

Mitreißend, sinnlich, begeistern­d

Der virtuose Geiger Daniel Hope und das Zürcher Kammerorch­ester gastieren in Friedrichs­hafen

- Von Katharina von Glasenapp

- Am Schluss riss es die begeistert­en Hörerinnen und Hörer im fast ausverkauf­ten Graf-Zeppelin-Haus von den Sitzen: Über gut zwei Stunden hatten der Geiger Daniel Hope und das Zürcher Kammerorch­ester (ZKO), dessen Music Director er seit 2016 ist, das Publikum auf eine sprühend fantasievo­lle Reise durch die Welt des Tanzes genommen. Angefangen vom elektrisie­rend wirbelnden „Tanz der Furien“aus Glucks Oper „Orfeo ed Euridice“und dem archaische­n „Lamento di Tristano“aus dem 14. Jahrhunder­t führten die Tänze durch Europa und nach Nordund Südamerika. Was sich zunächst wie eine wilde Mischung von Ländern, Zeiten und Stilen las, wurde durch den traditions­reichen Schweizer Klangkörpe­r und natürlich durch seinen charismati­schen Leiter zu einem höchst facettenre­ichen Ganzen verschmolz­en. Das Konzert im GZH war der Abschluss einer zweiwöchig­en Deutschlan­dtournee, die zugehörige Doppel-CD „Dance“fand in der Pause und nach dem Konzert reißenden Absatz und wurde von Daniel Hope auch noch signiert.

Dass „Dance“ein Herzenspro­jekt des Künstlers ist, das ihn schon seit 20 Jahren beschäftig­t und während der Corona-Lockdowns ausgefeilt wurde, glaubt man ihm sofort: Denn der in Südafrika geborene, in England aufgewachs­ene Musiker mit irischen und deutsch-jüdischen Wurzeln, der als Kind von seinem „musikalisc­hen Großvater“Yehudi Menuhin geprägt wurde und heute in Berlin lebt, ist ein ebenso polyglotte­r wie leidenscha­ftlicher Musikvermi­ttler. So nimmt er sein Publikum mit auf die Wanderscha­ft durch Zeiten und Länder, vermittelt kulturpoli­tische und musikgesch­ichtliche Aspekte, öffnet Ohren und Herzen: Etwa für das Wirken der Spanier und Portugiese­n in Mexiko, wo die Sinnlichke­it des Fandango-Tanzes die katholisch­en Priester erschreckt­e und der Tanz, zurück in Europa, nur in einer gemäßigter­en Form weiter bestehen durfte. Vom tanzbegeis­terten Mozart, dessen Rondo KV 269 er in einem feinen Dialog mit dem ZKO musiziert, über die Deutschen Tänze von Schubert mit ihrer differenzi­erten Gestaltung führt die Reise nach Südfrankre­ich zu Bizets „Farandole“, die der Trommler mit herzhaftem Puls anleitet.

Daniel Hopes kundige Moderation ist getragen von der Liebe zur Musik, zur Geschichte, auch zu den unterschie­dlichen politische­n Hintergrün­den, die dem Künstler, Autor und Menschenfr­eund so am Herzen liegen. Als „Primus inter Pares“leitet er mit dem warm leuchtende­n Ton seiner GuarneriGe­ige das so wunderbar miteinande­r kommunizie­rende Zürcher Kammerorch­ester, das mit seinen leuchtend roten Akzenten im schwarzen Konzertout­f it auch optisch hervorstic­ht, vom ersten Pult aus. Bei den sparsam gesetzten Solostücke­n, etwa dem unheimlich­en „Danse macabre“von Saint-Saens, übernimmt der langjährig­e Konzertmei­ster des ZKO, Willi Zimmermann, die Führung.

Besondere Ehre wird dem Bratschist­en Pierre Trissonnie­r zuteil, der an diesem Abend sein letztes Konzert nach „38 Jahren im Dienst der Musik“gibt und in einer ausgedehnt­en Improvisat­ion in „Odessa Bulgar“, der Liebeserkl­ärung an die ukrainisch­e Stadt Odessa, glänzen darf. Das ZKO vereint Individuen wie den selbstverl­iebten Solocellis­ten, den agilen Perkussion­isten, den Gitarriste­n, der bei Bedarf von der zierlichen Barockgita­rre zur E-Gitarre wechselt, die präsente Stimmführe­rin der zweiten Geigen oder die mit ihrem Instrument tanzende Kontrabass­istin. Gemeinsam tanzen, stürmen, tänzeln, kreisen sie durch Volks- und Hoftänze, klassische­s Ballett und argentinis­chen Tango: Mitreißend, sinnlich, begeistern­d!

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FOTO: MICHAELA RIHOVA/IMAGO Der Stargeiger Daniel Hope.

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