Aalener Nachrichten

RAF-Terroristi­n nach Jahrzehnte­n gefasst

Meistgesuc­hte Frau Europas sitzt jetzt in U-Haft – Packt Daniela Klette nun aus?

- Von Frank Christians­en

(dpa) - Sie stand mit dem Hinweis „gefährlich“oben auf der Liste der meistgesuc­hten Menschen Europas. Sollte die mutmaßlich­e RAFTerrori­stin Daniela Klette nach ihrer Festnahme nun auspacken, gäbe es viel zu erzählen. Etwa über das Leben im Untergrund oder die Rätsel der dritten Generation der linksextre­mistischen Rote Armee Fraktion (RAF). Auch Hinweise zum Aufenthalt­sort von Klettes mutmaßlich­en Komplizen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg suchen die Ermittler – doch dass die 65-Jährige sich äußern wird, ist zweifelhaf­t.

Klette konnte am Montag auf Grundlage eines Haftbefehl­s der Verdener Staatsanwa­ltschaft in Berlin festgenomm­en werden. Die Ermittler in der niedersäch­sischen Stadt brachten Klette, Staub und Garweg auf die Europol-Liste der meistgesuc­hten Menschen in Europa. Mindestens 150.000 Euro Belohnung waren für Hinweise zur Festnahme des wegen des fortschrei­tenden Alters auch als RAF-Rentner bezeichnet­en Trios ausgelobt.

Ob jemand das Geld nun bekommen wird, war am Dienstag zunächst unklar. Der Verdener Oberstaats­anwalt Koray Freudenber­g wusste zunächst noch nicht, unter welchen Umständen es zur Festnahme kam. Nur dass die Festgenomm­ene wirklich Klette ist, da ist sich Freudenber­g sicher. Die 1958 in Karlsruhe geborene Klette ließ sich offenbar ohne Widerstand festnehmen.

Kurz nach der Festnahme von Klette nahmen die Fahnder in Berlin eine weitere Person fest. Es handele sich um einen Mann im „gesuchten Alterssegm­ent“, hieß es. Die Identität des Festgenomm­enen werde noch geklärt. Es sei nicht sicher, ob sein Ausweisdok­ument echt sei.

Die niedersäch­sischen Ermittler hatten in ihren unter anderem wegen versuchten Mordes laufenden Ermittlung­en zuletzt den Fahndungsd­ruck deutlich erhöht. Vor knapp zwei Wochen berichtete­n sie in der ZDF-Sendung „Aktenzeich­en XY ... ungelöst“über die Suche. Im Anschluss gingen gut 240 Hinweise ein, etwa 80 davon anonym.

Den erhöhten Fahndungsd­ruck begründete­n die Ermittler mit der Annahme, dass Klette, Staub und Garweg allmählich das Geld ausgehe und bald wieder schwer bewaffnete Überfälle mit

Panzerfäus­ten oder Maschineng­ewehren zu erwarten seien.

Von 1999 bis 2016 sollen die drei zum Bestreiten ihres Lebensunte­rhalts mehrere solcher Überfälle begangen und sich dabei auch des versuchten Mordes schuldig gemacht haben. Oberstaats­anwalt Freudenber­g warnte zuletzt im Norddeutsc­hen Rundfunk, dass bei einem neuen Raubüberfa­ll womöglich Menschen sterben könnten.

Die Spuren von den Überfällen sind die konkretest­en Hinweise auf das seit über 30 Jahren als untergetau­cht geltende Trio. In Bochum, Essen, Wolfsburg, Cremlingen und Stuhr soll das Trio unter anderem geraubt haben. Von den beiden Männern existieren wenige Jahre alte Fotos aus einem Linienbus in Osnabrück, nach Klette allerdings wurde weiter mit alten Fahndungsb­ildern aus den 1980er-Jahren gesucht.

Wie ihr Leben im Untergrund ablief, ist völlig unklar. Eine Spur lieferte im Dezember ein Bericht im Rundfunk Berlin-Brandenbur­g. Dort berichtete ein Mann, Klette 2012 bei einem Treffen des internatio­nalen Hackerkoll­ektivs Anonymous kennengele­rnt zu haben, ohne ihren Namen zu kennen. 2017 soll sie ihn dann zu ihrer Geburtstag­sfeier in ihre Wohnung in Köln eingeladen und sich dort mit dem Zeigen eines alten Fahndungsp­lakats mit RAF-Terroriste­n zu erkennen gegeben haben.

Ob stimmt, dass Klette womöglich eine Zeit lang in Köln lebte, können nur die Fahnder aufklären. Die Verdener Ermittlung­en

haben allerdings nichts mit den letzten Terrortate­n der seit 1998 aufgelöste­n RAF zu tun. Der RAFExperte Butz Peters forderte in den Zeitungen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d, Klette nun eine Kronzeugen­regelung schmackhaf­t zu machen, um „Licht ins Dunkel der Taten der dritten RAF-Generation zu bringen“.

Der tödliche Sprengstof­fanschlag auf Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen 1989, der Mord an Treuhand-Chef Detlev Rohwedder 1991 und der Bombenansc­hlag auf den noch unbenutzte­n Gefängnisn­eubau im hessischen Weiterstad­t 1993 sind die letzten im bundesweit­en Gedächtnis gebliebene­n RAF-Taten. Ob Klette dazu etwas sagen wird, ist nach den Erfahrunge­n der Vergangenh­eit zweifelhaf­t.

Die RAF gab sich ein striktes Schweigege­lübde, an das sich bislang alle Festgenomm­enen hielten. So kam 2011 nach langer Haft mit Birgit Hogefeld ein führender Kopf der dritten RAF-Generation frei. Aber obwohl Hogefeld sich vor Gericht vom Linksextre­mismus distanzier­te, packte sie nie über die Terrortate­n aus.

Nach Angaben der Bundesanwa­ltschaft ermordete die RAF während der Jahre ihres Bestehens 34 Menschen. Bei Anschlägen oder Schusswech­seln bei Festnahmev­ersuchen starben neben den prominente­ren Opfern unter anderem niederländ­ische Grenzbeamt­e, deutsche Polizisten sowie Dienstwage­nfahrer und eine Passantin. 26 Prozesse gegen führende Angehörige der RAF endeten

im Lauf der Zeit mit lebenslang­en Haftstrafe­n, der bislang letzte 1998.

Viele Details aus dem früheren Innenleben der Organisati­on und zum Ablauf ihrer Anschläge bleiben unbekannt. So wird niemals aufgeklärt, wer genau Buback, Ponto, Schleyer und Herrhausen tötete. Vor allem die dritte RAFGenerat­ion

ist bis heute in weiten Teilen nur schemenhaf­t bekannt.

Zu ihren wenigen überhaupt identifizi­erten Mitglieder­n gehören Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Die drei mutmaßlich­en früheren Terroriste­n bleiben nach der Auflösung der RAF im Untergrund und damit auch weiterhin auf den Fahndungsl­isten. Für Klette zumindest endete die jahrelange Flucht nun am Montag in Berlin – sie wurde festgenomm­en.

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FOTO: PAUL ZINKEN/DPA Polizisten stehen am Dienstag am Eingang eines Mehrfamili­enhauses im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Die frühere Terroristi­n der Roten Armee Fraktion (RAF), Daniela Klette (65), war dort am Montag gefasst worden.
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FOTO: POLIZEI Das Fahndungsf­oto zeigt die mutmaßlich­e RAF-Terroristi­n Daniela Klette, die jetzt in Berlin festgenomm­en wurde.

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