Aalener Nachrichten

Früher Tod eines mutigen Intendante­n

Berliner Volksbühne trauert um René Pollesch – Dramatiker starb mit 61 Jahren

- Von Julia Kilian und Sigrun Stock

(dpa) - Er kannte die Berliner Volksbühne wie kaum ein anderer, als er die Leitung des Hauses übernahm: Nun ist Intendant René Pollesch im Alter von 61 Jahren gestorben. Sein Tod am Montag sei völlig plötzlich und unerwartet gewesen, teilte das Theater mit. Zu den genauen Todesumstä­nden machte die Sprecherin der Volksbühne, Lena Fuchs, zunächst keine Angaben. „Wir sind alle geschockt“, sagte sie. Pollesch war einer der großen Dramatiker und Regisseure der deutschen Theatersze­ne.

In seinen Stücken gab es oft weder geradlinig­e Handlungen noch klassische Figuren. Diese „Ölspur einer kohärenten Figur, auf der man dann so Schlitten fährt im Repräsenta­tionstheat­er“, langweile die meisten Schauspiel­enden, hatte Pollesch mal der „Zeit“gesagt. „Bei uns muss niemand anderthalb Stunden lang eine einigermaß­en logische und kohärente emotionale Darstellun­g zeigen. Das schafft man ja selbst im Leben kaum.“

Seine Theatertex­te hatten gleichzeit­ig eine Leichtigke­it und eine Komplexitä­t, die zusammen manchmal schwer zu überbrücke­n waren.

Der Dramatiker und Regisseur wurde 1962 im hessischen Friedberg geboren. An der Universitä­t Gießen studierte er Angewandte Theaterwis­senschafte­n, zu seinen Lehrmeiste­rn gehörten George Tabori und Heiner Müller. Pollesch arbeitete an vielen Bühnen, experiment­ierfreudig inszeniert­e er eigene Stücke und machte auch schon mal ein Autokino zum Theater. Seine eigenen Stücke inszeniert­e er unter anderem am Burgtheate­r Wien, am Deutschen Theater Berlin und an den Münchner Kammerspie­len. Er schrieb über 200 Stücke, meist eher kurze Werke.

Für seine Arbeit wurde Pollesch mehrfach mit Preisen ausgezeich­net. Er erhielt unter anderem 2001 und 2006 den Mülheimer Dramatikpr­eis. Zuletzt wurde ihm 2019 in Wien der Arthur-Schnitzler-Preis verliehen.

Die Themen, die Pollesch aufgriff, reichten vom vermeintli­ch Banalen zum angeblich Großen.

Pollesch arbeitete mit Schauspiel­ern wie Martin Wuttke, Fabian Hinrichs, Kathi Angerer und Sophie Rois. Seine erste Spielzeit als Intendant des Theaters eröffnete er im September 2021 mit der Uraufführu­ng von „Aufstieg und Fall eines Vorhangs und sein Leben dazwischen“.

Bei der Verkündung seines neuen Postens saß er damals im Jahr 2019 auf der Bühne mit den üblichen Klamotten: Jeans, Jacke, Brille. Er holte einen Zettel heraus und erzählte, wie er sich seine Intendanz vorstelle. Man müsse sich keine Sorgen machen, sagte Pollesch, er sei nie alleine. Er sei auch als Regisseur und Autor nie alleine.

In seinem Papier stand auch, was man fortsetzen könne an der Volksbühne, nämlich „weiterhin nicht alles richtig zu machen“.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA René Pollesch sei am Montagmorg­en im Alter von 61 Jahren plötzlich und unerwartet gestorben, teilte die Volksbühne mit.

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