Aalener Nachrichten

Bauer erinnert sich an „Hexenjagd“

Ehemaliger Stadtarchi­var Karlheinz Bauer stellt sein neuestes Buch vor

- Von Johannes Müller

- Geradezu spannend liest sich das neueste Buch des ehemaligen Aalener Stadtarchi­vars Karlheinz Bauer. In seiner Autobiogra­phie „Leben und Werk“, die im Aalener Rathaus vorgestell­t wurde, erinnert er sich an eine diffamiere­nde „Hexenjagd“gegen seine Person. Sie habe ihm dazu Anlass gegeben, seine im Jahr 1977 begonnene Tätigkeit als Stadtarchi­var in Aalen zu beenden und im Jahr 1995 vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

Seine Schilderun­g brisanter Details geht auf das Jahr 1985 zurück, als sich das Ende des Zweiten Weltkriegs und des Zusammenbr­uchs des „Dritten Reiches“zum 40. Mal jährte. Stadtarchi­var Bauer ging damals in seinen Vorträgen auch auf die wenig bekannte Geschichte des Wasseralfi­nger Außenlager­s des KZ Natzweiler im Elsass ein. In Umfragen erforschte er Aussagen Wasseralfi­nger Bürger dazu. So erfuhr er von einem ehemaligen Lageraufse­her konkrete Angaben über die Zustände im Lager. Ein anderer Wasseralfi­nger berichtete ihm, dass er als Jugendlich­er Augenzeuge einer Erschießun­g von KZHäftling­en an der Schillerli­nde am Braunenber­g geworden sei.

Dass nicht alle an dieses betrüblich­e Kapitel der Aalener Stadtgesch­ichte erinnert werden wollten, bekam Bauer bei einer Vortragsve­ranstaltun­g zum 8. Mai 1945 zu spüren, zu der Oberbürger­meister Ulrich Pfeifle im Mai 1985 in die Aussegnung­shalle Wasseralfi­ngen eingeladen hatte. Nachdem sich ein Vorredner in einer Laudatio auf den Wasseralfi­nger Industriel­len Karl Keßler ergangen hatte, verschwieg Bauer in seinem Vortrag nicht, dass in Keßlers als kriegswich­tig eingestuft­em Betrieb KZ-Häftlinge in unterirdis­chen Bunkern arbeiten

mussten. Einige Stadträte hätten dies damals übel quittiert: „Was der Bauer in Wasseralfi­ngen gesagt hat, war unverschäm­t und frech.“Von einem zweiten brisanten Höhepunkt, der ihn in Misskredit gebracht hätte, berichtete Bauer ebenfalls. Am 9. Mai 1985 habe er bei einer Gedenkfeie­r für die erschossen­en KZ-Häftlinge bei der Schillerli­nde am Braunenber­g gesprochen. Danach habe er zu hören bekommen: „Lauter Kommuniste­n sind zur Schillerhö­he gezogen“. Weiteren Sprengstof­f habe seine Rede bei der Gedenkfeie­r zum Volkstraue­rtag auf der Schillerhö­he in Aalen geliefert. Dort habe er „pazifistis­ches Gedankengu­t“geäußert, wurde ihm bei einer Vollversam­mlung im Gemeindera­t vorgeworfe­n.

Genugtuung habe er allerdings erfahren, dass der Gemeindera­t trotzdem seinem Antrag auf Höherstufu­ng seiner Stelle beim Stadtarchi­v knapp zugestimmt habe. Erfreulich sei auch gewesen, dass er für sein durch die Vermittlun­g von Roland Hamm zustande gekommenes Buch über die Arbeiterbe­wegung in Aalen im Jahr 1991 den Schubart-Literaturp­reis der Stadt Aalen in Höhe von 2500 DM bekommen habe.

Oberbürger­meister Frederick Brütting zeigte sich überrascht und erfreut, dass der kleine Sitzungssa­al im Rathaus mit mehr als 150 Zuhörern übervoll war. „Es war nicht in Ordnung, wie Sie damals in Aalen behandelt wurden“, bekannte das Stadtoberh­aupt,

bezugnehme­nd auf die Widerständ­e und persönlich­en Anfeindung­en, die Bauer für seine unangenehm­en Wahrheiten und offenen Worte hinnehmen musste. „Vielleicht war die Zeit damals dafür noch nicht reif“, räumte er in der leidenscha­ftlich geführten Diskussion ein. Als Nachnachfo­lger würdigte Stadtarchi­var Georg Wendt das überaus erfolgreic­he Wirken Bauers, der neun Aalener Jahrbücher veröffentl­icht, viele Vorträge gehalten und 14 große Exkursione­n organisier­t habe. Reiner Wieland von der Stiftung Literatura­rchiv Ostwürttem­berg (Heubach-Lautern) dankte als Herausgebe­r des Buches „Leben und Wirken“von Karlheinz Bauer für die gute Zusammenar­beit.

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FOTO: STADTARCHI­V AALEN Interessan­te Geschichte­n hat der ehemalige Stadtarchi­var Karlheinz Bauer (rechts) zum Besten gegeben und ist prompt von Oberbürger­meister Frederick Brütting verteidigt worden.

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