Beim Beten muss improvisiert werden
Jasmin Singh über die Sikh-Religion und ihre Karrierechancen bei der KSK Ostalb
- Sie geht nicht in die Kirche, wenn sie betet, sondern sucht ein „Gurdwara“auf, eine Gebetsstätte, ein Tempel der indischen Sikh-Gemeinde. Dies jedoch nur grob einmal im Monat. „Die nächste Gebetsstätte ist leider in Stuttgart, sonst würden wir häufiger gehen“, sagt Jasmin Singh. 21 Jahre jung ist sie, absolviert aktuell noch ihre Ausbildung bei der KSK Ostalb und ist eine Sikh, wie sie leicht schwäbelnd sagt.
Nach dem Abitur am Hans-Baldung-Gymnasium in Schwäbisch Gmünd hat es sie zur Kreissparkasse gezogen. Ein Studium möchte sie nach ihrer Ausbildung anschließen, die sie aller Voraussicht nach um ein halbes Jahr verkürzen werde, wie sie sagt. „Die Kreissparkasse bietet beim Studium gute Möglichkeiten, deswegen wollte ich erst einmal die Ausbildung machen“, sagt sie. Sie ist in Schwäbisch Gmünd geboren und aufgewachsen, pendelt berufsbedingt nun immer zwischen der Stauferstadt und Aalen. Sie wohnt noch daheim – und dort wird Punjabi gesprochen, jedoch mit deutschen Akzenten. „Es passiert mir ganz häufig, dass ich etwas auf Punjabi sage, mir das letzte Wort aber nicht einfällt – dann nehme ich das deutsche“, berichtet Singh lächelnd.
Sie bezeichnet sich selbst als Sikh, „weil ich das von meinen Eltern her so kenne und damit groß geworden bin.“Das Gurdwara betrete man grundsätzlich stets barfuß, alles ist dort mit Teppichen ausgestattet. Ganz so eng sieht man das bei den Sikhs in Deutschland aber nicht, berichtet Jasmin Singh. „Hier ist es schließlich nicht immer so warm wie in Indien, also darf man durchaus mit Socken in den Tempel. Wenn in Indien jemand mit Socken in ein Gurdwara gehen würde, dann wäre das nicht akzeptabel“, sagt sie lachend.
Da die nächsten Gebetsstätten in der Landeshauptstadt und Ulm stehen, wird bei den Singhs improvisiert. Ihre Mutter bete morgens und abends daheim. Die Gebete dauern manchmal 15 Minuten,
können teilweise aber auch über eine Stunde dauern.
Ihre Familie kommt aus der Region Punjab, im Nordwesten Indiens. Ihr Vater hatte dort gemeinsam mit ihrem Großvater einen Lebensmittelladen. Mit einigen Ersparnissen wagte er ein erstes Mal die Reise nach Deutschland, weil er sich dort eine Zukunft vorstellen konnte. Vor Ort arbeitete er hart, meist selbstständig in der Gastronomie, wenngleich er immer wieder auf Schwierigkeiten getroffen war, die ihn irgendwann wieder nach Indien zurückführten. Das Ziel aber hatte er weiterhin stets vor
Augen: er wollte in Deutschland heimisch werden. 2001 dann heiratete er in Indien und kam schließlich mit Jasmin Singhs Mutter wieder zurück nach Deutschland, um einen zweiten Anlauf zu starten, der schließlich klappen sollte.
Der Sikh-Religion entsprechend sollte man auf Fleisch verzichten, wie die angehende Bankkauffrau erklärt. „Ich esse tatsächlich kein Rindfleisch, denn die Kühe sind bekanntlich heilig bei uns und das hat mich geprägt. Bevorzugt esse ich vegetarisch“, sagt sie. Der Rechtsruck ist aktuell Thema in Deutschland, ihr selbst sei Rassismus noch nie begegnet, sagt sie. „Wenn ich mir
früher aber die Klassenfotos angeschaut habe, habe ich schon einen Unterschied feststellen können. Ich habe zwar keine ganz dunkle Hautfarbe, dunkler als die anderen aber war ich immer. Das war schon anders“, erinnert sie sich. Die Kundgebungen in Deutschland bekommt sie mit, den Rechtsruck kann sie nicht nachvollziehen. „Wir sind in Deutschland, hier auf der Ostalb, total integriert. Na gut, wenn wir mal weg müssten, hätten wir durchaus die Möglichkeit, bei unserer Familie in Indien zu wohnen. Anderen Menschen würde es bei der Umsetzung dieser ´Remigration´ sicher schlimmer treffen“, sagt sie nachdenklich. Für Trübsal aber ist sie viel zu positiv: „Ich blicke immer optimistisch in die Zukunft.“Selbstbewusst lächelt sie dabei.
Tatsächlich erst im Kindergarten habe sie Deutsch gelernt, erinnert sich Singh. „Zu Hause sprechen wir Punjabi“, sagt sie. Und das vermutlich zu gut, berichtet sie von einer Anekdote. „Als ich etwa vier Jahre alt war, war ich in Indien alleine bei meiner Tante und wollte einen Apfel essen. Das habe ich denen auch mitgeteilt, nur dass ich den Apfel stets als ´Apfel´ bezeichnet hatte. Das indische Wort hatte ich nicht parat“, sagt sie lachend. Die Sprache „Gurmukhi“wird zum Schreiben von Punjabi verwendet. Sprechen und verstehen ist für Jasmin Singh kein Problem.
Mit ihrem Optimismus ausgestattet möchte sie sich nach der Ausbildung bei der Kreissparkasse dort durchaus etablieren, etwas erreichen, vielleicht auch mal eine Abteilung leiten. „Ich darf hier schon während der Ausbildung unglaublich viel machen und wenn man Kunden hilft, dann ist das einfach ein gutes Gefühl.“Und das soll so bleiben, in welcher Abteilung auch immer.
„Wenn in Indien jemand mit Socken in ein Gurdwara gehen würde, dann wäre das nicht akzeptabel“, sagt Jasmin Singh