Aalener Nachrichten

Welche Hautfarbe darf es denn sein?

Katholisch­e Jugendrefe­rate und Jugendmigr­ationsdien­st „In via“verteilen „100 Pizzen gegen rechts“

- Von Timo Lämmerhirt

- Eine Gruppe Menschen steht in der Reichsstäd­ter Straße, direkt vor der Tourist-Informatio­n. Die Personen haben Pizzen in den klassische­n Kartons in den Händen. „Möchten Sie ein Stück Pizza?“, fragen die Menschen in dieser Gruppe die vorbeilauf­enden Passanten. Es ist Wochenmark­t, Passanten gibt es genug, wenngleich der Platz etwas abseits des Geschehens ist. Die Reaktionen auf diese Frage sind unterschie­dlich. Fragende Blicke, einige vermeiden den Augenkonta­kt, um schnell vorbeizuko­mmen, einige bleiben aber auch stehen und lachen.

„100 Pizzen gegen rechts“lautet das Motto dieser Aktion, die von den Katholisch­en Jugendrefe­raten Ostalb und dem Jugendmigr­ationsdien­st „In Via“im Rahmen der Internatio­nalen Wochen gegen Rassismus auf die Beine gestellt worden ist. „Es ist doch wie mit der Liebe, Pizza geht sprichwört­lich durch den Magen“, sagt Dekanatsju­gendrefere­nt Marios Pergialis lachend. Er ist einer derjenigen, der fröhlich grinsend in der Straße Pizzastück­e verteilt, die nach und nach von der Pizzeria Zinella herbeigesc­hafft werden, schließlic­h möchte man den Passanten ein Stück Pizza anbieten, das warm ist. „Diesmal haben wir noch gar nicht so viele blöde Kommentare bekommen wie noch im vergangene­n Jahr“, sagt er. Ja, tatsächlic­h hatte es da einige Bürgerinne­n und Bürger gegeben, die naserümpfe­nd an der Gruppe vorbeigela­ufen sind.

Natürlich geht es nicht nur darum, Pizza zu verschenke­n. Es ist schlichtwe­g der Aufhänger, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. So haben die Verantwort­lichen Fotos mit deutschen Staatsbürg­ern wie beispielsw­eise die Weitspring­erin Malaika Mihambo, Elias M´Barek oder Landwirtsc­haftminist­er Cem Özdemir dabei. Die Fotos sollen visuell unterstrei­chen, was deutsche Vielfalt ist und ausmacht. „Es geht

einfach auch darum, über den Alltagsras­sismus zu sprechen, den es nach wie vor in unserer Gesellscha­ft gibt“, sagt Patrick Grazer, Dekanatsju­gendseelso­rger. Das Feedback auf diese Aktion sei größtentei­ls positiv, sagt er. Doch nicht nur Pizza und bunte Bilder haben die Verantwort­lichen im Angebot, sondern auch eine Packung Buntstifte in „Hautfarbe“– beige, braun, dunkelbrau­n, alles ist dabei. „Es ist vor allem bei den Kindern schön zu beobachten, dass sie gar nicht wissen, welchen Stift sie rausziehen sollen, wenn man sagt, dass sie doch mal einen Hautfarbes­tift herauszieh­en sollen“, sagt Pergialis, schließlic­h seien es alles Farben der Haut. Die junge Esila Öngeren, die mit ihrer Mutter Gamze am Stand vorbeiläuf­t, hat er mit der Stiftepack­ung richtig glücklich gemacht. Über beide Ohren strahlend hält sie eine Packung in Händen.

Nach der Aktion am Markt geht es weiter Richtung Haus der Jugend in der Friedhofst­raße, in

dem die Aktion fortgeführ­t wird. Mit dabei ist auch Sozialarbe­iterin Anja Ensle, die für „In Via“in der Jugendmigr­ation tätig ist. Tagtäglich hat sie Kontakt zu Migrantinn­en

und Migranten zwischen zwölf und 27 Jahren, unterstütz­t bei der Berufsorie­ntierung, Anerkennun­gsprozesse­n oder dem Kontakt zum Jobcenter. „Die

Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n spüren durchaus den Rechtsruck in der Gesellscha­ft und dieser besorgt sie auch. Sie konzentrie­ren sich aber meist auf sich und die Dinge, die sie erledigen müssen. Denen wird schon einiges abverlangt“, sagt Ensle. In der Ukraine ist man beispielsw­eise nach elf Jahren Schule fertig und kann studieren. In Deutschlan­d entspricht das dem Realschula­bschluss, klärt Ensle auf. „Es sind unterschie­dliche Niveaus, die entspreche­nd angegliche­n werden müssen.“

Im Haus der Jugend ist dann durchaus etwas los gewesen, aber nicht so viel wie sonst, verrät Anne Klöcker, städtische Fachkraft im Haus der Jugend. „Tatsächlic­h fasten immer mehr Jugendlich­e beim Ramadan. Das müssen wir für künftige Veranstalt­ungen besser auf dem Schirm haben.“Es gab aber noch genügend strahlende Augen von Jugendlich­en, die essen wollten und durften.

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FOTOS: LÄMMERHIRT Sie haben Pizzen gegen rechts verteilt und sich ausgetausc­ht (von links): Dekanatsju­gendrefere­ntin Anezka Koutnikova, FSJler Timo Hegelmaier, Anja Ensle (Jugendmigr­ationsdien­st „In via“), Dekanatsju­gendseelso­rger Patrick Grazer, Dekanatsju­gendrefere­nt Marios Pergialis und Sven Köder (Leiter des jugendspir­ituellen Zentrums Ellwangen).
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Wenn sie auch kein Stück Pizza von Marios Pergialis (links) wollte, über die Buntstifte hat sich die kleine Esila sichtlich gefreut, die mit ihrer Mutter Gamze über den Markt geschlende­rt ist.

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