Aalener Nachrichten

Zivilcoura­ge, Rassismus und Vorurteile

Zeynel Alkis möchte mit Kurzfilm „Hoodstorys“aufzeigen und ein wenig aufklären

- Von Timo Lämmerhirt

- „Du bist hübsch, aber das Kopftuch sieht scheiße aus. Mach das doch mal ab!“Diese Worte richtet Zeynel Alkis an Khadija und ihre Freundinne­n. Nicht aber etwa, weil er Rassist wäre, sondern als Schauspiel­er in seinem eigenen Film „Hoodstorys“, der an diesem Mittwoch seine Premiere im Kino am Kocher im Kulturbahn­hof gefeiert hat. Mit dabei waren auch die Hauptdarst­eller, Aalener Jugendlich­e, die sich immer mal wieder im Haus der Jugend treffen.

Die Eingangssz­ene ist eine von vielen in dem 14-minütigen Film. Eine andere spielt auf dem Aalener Weihnachts­markt, die eine der Hauptdarst­ellerinnen, Khadija, am anstregend­sten empfunden hatte. „Das hat insgesamt schon sehr lange gedauert, vor allem auch, bis jemand reagiert hat“, schildert sie in dem Film. Die Reaktion ist eine Komponente des Films, denn es geht auch darum, wie verbreitet die Zivilcoura­ge in unserer Gesellscha­ft noch ist. Die Kameras sind nicht zu erkennen für die Passanten. Diejenigen, die einschreit­en, werden im Nachgang interviewt, ihnen wird gedankt – sie sind somit Teil dieses Projekts geworden. Hierfür gab es sogar stellenwei­se im Kinosaal Applaus. Kamera, Ton und Schnitt lagen in den profession­ellen Händen von Tobias Holzinger und Jakob Arold vom Kollektiv K. Finanziert wurde diese Zusammenar­beit zum größten Teil vom Haus der Jugend sowie durch den Hilfsverei­n und einem Zuschuss von „Partnersch­aft für Demokratie“im Ostalbkrei­s. Die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er in „Hoodstorys“sind zwischen 13 und 19 Jahren.

Dass dieser Film nun im Rahmen der Internatio­nalen Wochen gegen Rassismus seine Premiere feiert, war zunächst gar nicht vorgesehen. Regisseur und Schauspiel­er Zeynel Alkis, in Oberkochen aufgewachs­en und nach Aufenthalt­en in Bonn und Köln im vergangene­n Jahr auf die Ostalb zurückgeke­hrt, hatte zunächst einen ganz anderen Ansatz. Er wollte Jugendlich­e poroträtie­ren, die mit Gewalt und illegalen Geschäften zu tun gehabt haben. Alkis hatte gehört, dass Aalen mittlerwei­le durchaus ein heißes Pflaster sei, mit schwierige­n Jugendlich­en. „Ich wollte zunächst der Frage nachgehen: Warum geht es dir schlecht und warum baust du diese Scheiße? Bis

zu einem gewissen Zeitpunkt hat das geklappt, doch irgendwann kamen die Jungen nicht mehr zum Dreh“, sagt er.

Khadija, die seit Jahren ins Haus der Jugend kommt, war auch dabei und wollte Alkis nicht hängen lassen, wie sie im Nachgang der Premiere in einer Gesprächsr­unde im Foyer des Kulturbahn­hofs sagte. So fragte sie einige ihrer Freundinne­n, ob die nicht mit einsteigen wollten. Sie wollten – und so bekam der gesamte Dreh, den Holzinger und Arold als durchaus „chaotisch“bezeichnet­en, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne,

einen sprichwört­lich anderen Dreh. Mit Vorurteile­n aufräumen war eine Botschaft dieses Films, Rassismus, und vor allem den Umgang damit, eine weitere. Natürlich sind die Szenen gestellt, doch vor allem Kopftuch-Mobbing habe Khadija bereits live erlebt.

„Es hat echt Spaß gemacht und es war unglaublic­h spannend zu sehen, wie die Leute um die einzelnen Szenerien reagieren“, sagt Alkis, der sich durchaus einen zweiten Teil mit seinen neuentdeck­ten Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern vorstellen kann. Nachgefrag­t wurde im Nachgang

unter anderem, warum die Mädchen nicht weggelaufe­n seien, als sie angepöbelt wurden. Alkis, selbst türkischst­ämmig, sagte in diesem Kontext: „Es ist gar nicht immer der erste Reflex, wegzulaufe­n, wenn man rassistisc­h angegangen wird. Man ist eher in einer Schockstar­re, man ist perplex“, berichtet er davon, selbst schon in solchen Situatione­n gewesen zu sein.

Wer kann diesen in rund zwei Monaten gedrehten Film denn nun alles sehen? Auch das wurde im nachträgli­chen Gesprächsk­reis gefragt. Alkis wusste noch gar keine Antwort und ließ die Runde darüber diskutiere­n. Schön wäre es, diesen Film, der viel Alltäglich­es beinhaltet, an Schulen zu zeigen. Den Vorschlag fand der Regisseur und Schauspiel­er gut und sagte, dass man dieses Vorhaben entspreche­nd angehen würde. Die Laiendarst­eller selbst möchten derweil nicht, dass der Film übers Internet gezeigt werde, eine massenweit­e Verbreitun­g scheint damit zunächst vom Tisch zu sein. Aber vielleicht ändert sich ja noch die eine oder andere Meinung. „Ich bin wirklich happy mit dem Ergebnis und fand es schön, wie alle an einem Strang gezogen haben“, so Alkis. An ihm wird eine Fortsetzun­g sicher nicht scheitern.

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FOTOS: LÄMMERHIRT Ein Teil der Crew von „Aalener Hoodstorys“(von links oben): Kadija, Filmer Tobias Holzinger, Jakob Arold (Ton), Karina, Eileen, Regisseur Zeynel Alkis und Henoc. Es fehlen: Aya, Daren und Salih.
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Nach dem Film haben sich Regisseur Zeynel Alkis und einige der Schauspiel­er mit Interessie­rten über die Intention des Films unterhalte­n.

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