Eine Frage des Vertrauens
Nun also gibt es ein digitales Organspende-Register. Jeder Bürger kann eintragen lassen, ob er im Falle seines Todes einer Entnahme zustimmt oder nicht. Gesundheitsminister Karl Lauterbach will zweierlei erreichen: Angehörigen soll in einer Ausnahmesituation eine zusätzliche Belastung erspart werden – und vor allem will er die Zahl der Spendewilligen steigern. Aktuell stehen 8400 Menschen auf der Warteliste für eine Organspende. Verpf lanzt werden aber nur circa 900 Organe pro Jahr. Das Ziel des Ministers ist ehrenhaft und sinnvoll. Ob es erreicht werden kann?
Generell ist es vielen Menschen zuwider, dass ihr Leichnam oder der eines Angehörigen nach dem Tod geöffnet wird. Sie wollen es einfach nicht – aus Gründen der Würde oder der religiösen Überzeugung. Große Bedenken resultieren aber wohl auch daraus, dass das Vertrauen in das Gesundheitssystem schwindet. Wer endlos auf einen Facharzttermin warten muss, wer mit Engpässen in den Notaufnahmen konfrontiert wird, den beschleichen auch Bedenken, ob dann der für die Organentnahme unumgängliche Hirntod korrekt festgestellt wird. Wird mein Herz womöglich entnommen, obwohl noch eine – wenn auch minimale – Chance auf Überleben besteht?
Zum Zweifel an der medizinischen Einschätzung kommt eine grundsätzliche Frage. Denn obwohl sich die Wissenschaft quasi einig ist, dass der Hirntod mit dem tatsächlichen Ableben des Menschen gleichzusetzen ist, bleibt bei vielen ein mulmiges Gefühl. Jene werden sich nicht für einen Organspendeausweis entscheiden. Für alle, die auf ein lebensrettendes Organ warten, ist das bitter. Doch die Zweifel, einerseits an der Organentnahme als solcher, andererseits an der Leistungsfähigkeit des Systems, kann dem Verunsicherten nichts und niemand nehmen: kein Register, kein Gesetz und kein Minister.
Die von Lauterbach präferierte Widerspruchslösung würde daran ebenfalls wenig ändern. Wer die Entnahme nicht will, wird die Spende aktiv ablehnen. Die Bürger zur Entscheidung zu zwingen, ist eh keine gute Idee. Dann lieber mehr Auf klärung und das Register. Wenn es auf freiwilliger Basis hilft, mehr Spender zu identifizieren, ist dies ein Fortschritt.