Gewinner und Verlierer der Nässe
Feuchter Winter hat Dürrezeit beendet – Wälder atmen auf – Bauern stöhnen
(dpa) - Der Winter ist nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes einer der nassesten seit 1881 gewesen. Für die Böden, die nach mehreren Dürrejahren in Teilen des Landes bis in tiefe Schichten ausgedörrt waren, bedeutet das eine Erholung. Ist damit Trockenheit für dieses Jahr kein Thema mehr? Welche Auswirkungen haben die nassen Böden noch? Und was ist künftig in Deutschland zu erwarten?
Ist die Dürre damit beendet?
Seit 2018 hatte die Natur in Deutschland mit Dürre zu kämpfen, vor allem im Norden und Osten. Diese Extremsituation ist durch den nassen Herbst und Winter weitgehend beendet worden. Ausnahmen sind einige Regionen im äußersten Osten. Der Leiter des Dürremonitors beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig, Andreas Marx, erwartet für die Wald-, Forst und Wasserwirtschaft ein eher entspanntes Jahr 2024. Es sei so viel Wasser im Boden, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass sich dieses Jahr eine kritische Situation entwickeln werde.
Etwas zurückhaltender äußert sich dagegen der Agrarmeteorologe Falk Böttcher vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Er verweist darauf, dass es auch im April 2022 eine recht günstige Ausgangssituation gegeben habe. Dann blieb der Niederschlag aus, und nach sechs Wochen sei die Trockenheit wieder Thema gewesen. „Es ist immer noch ein Tanz auf der Klinge“, sagte Böttcher.
Welche Folgen haben die nassen Böden für die Landwirtschaft?
Der viele Regen im Winter ist für die Bauern zum Problem geworden. „Bis auf den Süden haben die Landwirte in allen Bundesländern große Herausforderungen mit zu nassen Böden“, erklärte der Pflanzenbau-Experte des Deutschen Bauernverbandes, Johann Meierhöfer. Die Böden seien „wassergesättigt“aus dem Winter gekommen, könnten also neue Regenfälle kaum aufnehmen. „In vielen Regionen Deutschlands sind die Feldarbeiten bislang nur schleppend in Gang gekommen.“
Schon im Herbst habe es regional Probleme gegeben, das Wintergetreide auszusäen. Schon Ende September und Anfang Oktober seien die Felder örtlich so nass gewesen, dass sie kaum befahrbar gewesen seien. Dann kam in einigen Regionen das Hochwasser dazu. Ab Anfang März sei es Zeit, das Sommergetreide aufs Feld zu bringen. Dass es zuletzt deutlich weniger geregnet hat, habe die Bedingungen für die Feldarbeit wieder verbessert.
„Die deutschen Landwirte nehmen bei ihrer Arbeit eine deutliche Klimaveränderung wahr und versuchen sich natürlich darauf einzustellen“, erklärte der Pflanzenbau-Fachmann. Nicht alle Probleme könnten jedoch in den Betrieben gelöst werden. Es müssten resilientere Pflanzensorten gezüchtet werden und die Bauern bräuchten eine breite Palette an Wirkstoffen für den Pflanzenschutz. Außerdem müssten Bewässerungsanlagen gefördert werden, so Meierhöfer.
Besteht nach dem Regen in diesem Jahr also keine Gefahr von Waldbränden?
Für die Entwicklung der Waldbrandgefahr in den nächsten Monaten lässt sich aus dem nassen Winterhalbjahr nichts ableiten. Zwar sind die Bodenwasserspeicher gut gefüllt, aber entscheidend für die Brandgefahr sind nach Angaben des Agrarmeteorologen Böttcher die auf dem Boden liegende sogenannte Streuschicht. Verdorren dort in Trockenphasen Laub, Zweige und abgestorbenes Material, steige die Brandgefahr schnell wieder. Daher sei Anfang März in einigen Regionen Deutschlands schon wieder eine mittlere Waldbrandgefahr erreicht worden.
Als „Waldbrandsaison“gelten die Monate von März bis Oktober. „In der Welt der Feuerwehr gibt es die Faustzahl 30 – 30 – 30“, sagte Böttcher. „30 Grad, 30 Prozent Luftfeuchte und 30 km/h Wind – wenn das kommt, wissen die Feuerwehrleute, dass sie wahrscheinlich zu Waldbrand-Einsätzen ausrücken müssen.“
Droht nach dem nassen Winter eine Mückenplage?
Ob es in diesem Frühjahr und Sommer viele oder wenige Mücken geben wird, das lässt sich laut Professor Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts, nicht vorhersagen. „Generell ist es für Stechmücken förderlich, wenn im Winter ihre Entwicklungsgebiete feucht oder sogar überf lutet werden, erläutert der Insektenforscher. „Ob es aber wirklich viele von ihnen geben wird, hängt sehr am weiteren Verlauf
des Jahres.“Trocknen die Gebiete aus, schlüpfen die Stechmücken nicht. Bleiben viele Tümpel stehen, die sich auch noch schnell erwärmen, dann ist das günstig für die Plagegeister.
Für zahlreiche andere Insekten sind feucht-warme Winter wie der vergangene eher ungünstig. Es bestehe unter anderem die Gefahr des Verschimmelns oder dass die Tiere ihren Stoffwechsel nicht optimal herunterregeln können. „Am günstigsten für Insekten in unseren Breiten ist früh im Winter eine dauerhafte, wärmende Schneedecke, die bis ins Frühjahr hält. Dann ein warmes sonniges Frühjahr“, erläuterte Schmitt.
Was sagen Klimaexperten zu dem feucht-warmen Winter?
Klimaforscher gehen davon aus, dass es in Zukunft mehr extreme Wetterlagen geben wird. „Da die globale Temperatur weiter ansteigen wird, und in Deutschland ist es im Durchschnitt schon zwei Grad wärmer, erwarten wir auch einen weiteren Anstieg der Anzahl und der Intensität von Klimaextremen“, erklärte Fred Hattermann vom Potsdam Institut für Klimaforschung.
Warme Luft bindet mehr Wasser in der Atmosphäre, sodass Niederschläge stärker ausfallen können. Zudem gebe es in Europa mehr andauernde Wetterlagen. „Ein länger anhaltendes Hoch mit blauem Himmel, wie in den letzten Jahren häufiger gesehen, führt dann oft zu Trockenheit und Dürre, ein lang anhaltendes Tief wie zum Beispiel im Sommer 2021 mit viel Niederschlag oft zu Hochwassern.“