Aalener Nachrichten

Von Hüten, Vertrauen und Fairness

AfD kämpft um Posten in Bundestags­ausschüsse­n – Jetzt befasst sich das Bundesverf­assungsger­icht damit

- Von Marco Krefting ●

(dpa) - Das Bundesverf­assungsger­icht prüft, ob die AfDFraktio­n ein Recht auf Vorsitzend­e in Bundestags­ausschüsse­n hat und ob ihre Abgeordnet­en von einem solchen Amt abgewählt werden dürfen. Zum ersten Mal befasste sich das höchste deutsche Gericht nach Auskunft von Vizepräsid­entin Doris König am Mittwoch mit Fragen der Wahl und Abwahl von Ausschussv­orsitzende­n. Hintergrun­d sind zwei Klagen der AfD-Fraktion. In der Verhandlun­g in Karlsruhe ging es viel um Fairness, Vertrauen und die Frage, welchen Hut ein Politiker wann aufhat – und ob das für jeden und jede erkennbar ist.

In den Ausschüsse­n beraten Abgeordnet­e aus dem Bundestag Fachthemen und bereiten Beschlüsse vor. Die Ausschüsse werden in jeder Wahlperiod­e neu benannt und besetzt. Welche Fraktion welchem Ausschuss vorsitzt, wird eigentlich im Ältestenra­t ausgehande­lt.

Gibt es — wie nach der Bundestags­wahl im September 2021 — keine Einigung, wird aus der Stärke der Fraktionen eine Zugriffsre­ihenfolge berechnet. An die AfD waren so die Ausschüsse für Inneres, Gesundheit und

Entwicklun­gszusammen­arbeit gefallen.

Üblicherwe­ise benennen die Fraktionen den Vorsitz – doch wegen Widerspruc­hs wurde gewählt. In den drei Ausschüsse­n verfehlten die AfD-Kandidaten bei zwei Durchläufe­n die Mehrheit. Die Fraktion monierte daher den „Bruch einer jahrzehnte­langen Parlaments­praxis“und einen Verstoß ihrer Rechte auf Gleichbeha­ndlung nach dem Grundgeset­z, sagte König. Es gehe ihr um eine faire und loyale Anwendung der Bundestags­geschäftso­rdnung. Dort ist geregelt, dass Ausschüsse ihre Vorsitzend­en

„bestimmen“. Die Antragsgeg­ner – der Bundestag, dessen Präsidenti­n und die betroffene­n Ausschüsse – sind König zufolge hingegen der Auffassung, die AfD-Fraktion habe keinen Anspruch auf unmittelba­re Entsendung eines Ausschussv­orsitzende­n. Auch die Möglichkei­t zur Abwahl eines Vorsitzend­en sei durch das Demokratie­prinzip unmittelba­r geboten.

Bei der Abwahl geht es um die zweite Klage zur Abwahl Stephan Brandners als Vorsitzend­er des Rechtsauss­chusses, die mitverhand­elt wird. Der AfD-Politiker war 2019 nach Eklats abberufen worden – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestags.

Brandner hatte zum Beispiel die Verleihung des Bundesverd­ienstkreuz­es an den AfD-kritischen Rocksänger Udo Lindenberg auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter (heute: X) mit der Bemerkung „Judaslohn“kommentier­t. Auch mit seinen Reaktionen auf den antisemiti­sch motivierte­n Terroransc­hlag von Halle mit zwei Toten und Verletzten löste er Empörung aus.

Das Gericht hatte in beiden Fällen Eilanträge abgelehnt, aber betont, Rechte der AfD könnten verletzt sein. Daher wurde nun verhandelt. Ein Urteil wird in einigen Monaten erwartet. „Die Ausschussv­orsitzende­n genießen ein besonderes Vertrauen der Fraktionen“, sagte der SPD-Abgeordnet­e Johannes Fechner in der Verhandlun­g. Sie sollten bei Konf likten vermitteln, aber keine Parteipoli­tik machen. Daher sei es wichtig, dass es qualifizie­rte Personen seien. FDP-Politiker Stephan Thomae sagte, das Amt sei typisch für Abgeordnet­e mit viel Erfahrung im Bundestag, nicht typischerw­eise aber ein Opposition­sinstrumen­t.

Irene Mihalic von den Grünen betonte, die Vorsitzend­en verträten nach außen den Ausschuss als Ganzes und nicht die Politik einer bestimmten Fraktion. Wer in dieser Funktion etwa von Verbänden eingeladen werde, dürfe sich nicht einen anderen Hut aufsetzen. Thomae sagte, dass es viel Fingerspit­zengefühl brauche, um die Rollen als Parteipoli­tiker und Ausschussv­orsitzende­r zu trennen. Man werde nicht zum „politische­n Neutrum“, dürfe aber nicht zu sehr polarisier­en.

Politiker wie auch der Senat äußerten Zweifel, ob in der Öffentlich­keit die Trennung der Rollen immer nachvollzi­ehbar sei – wenn etwa Fernsehsen­der nur die Parteizuge­hörigkeit einblenden.

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FOTO: DPA AfD-Mann Stephan Brandner wurde als Vorsitzend­er des Rechtsauss­chusses im Bundestag abgewählt.

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