Mercedes-Chef Källenius bekräftigt den Elektrokurs
Autobauer will Transformation zügig vorantreiben und zugleich weiterhin Verbrenner anbieten – Kritik an kürzeren Arbeitszeiten und höheren Zöllen
- Auf den ersten Blick ist die deutsche Automobilindustrie nicht zu beneiden: Das über Jahrzehnte bewährte Geschäftsmodell mit Vebrennungsmotoren steht – zumindest mittelfristig – vor dem Aus; und als ob die Transformation hin zum E-Antrieb nicht schon anspruchsvoll genug wäre, tummeln sich auf den Zukunftsmärkten unzählige neue Konkurrenten und die Kunden beißen noch nicht so recht an.
Die Verkaufszahlen von E-Autos bleiben zumindest in Deutschland deutlich hinter den Erwartungen zurück. 2023 sind gut 524.000 Elektrofahrzeuge neu zugelassen worden. Dieses Jahr dürften es kaum mehr werden. Das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen E-Autos bis 2030 liegt in weiter Ferne. Trotzdem zeigt sich Ola Källenius ausgesprochen zuversichtlich und voller Tatendrang.
„Es war noch nie spannender in der Automobilindustrie zu arbeiten als heute – außer vielleicht im Jahr 1886“, scherzte der Vorstandschef von Mercedes-Benz in Anspielung auf die lange Tradition des Autobauers und die Erfindung des Automobils am Ende des 19. Jahrhunderts.
Källenius bekräftigt bei allen Herausforderungen ganz klar die Elektrostrategie des Konzerns. „Wir bei Mercedes-Benz tun alles dafür, um die E-Mobilität weiterzuentwickeln und für unsere Kunden attraktiv zu machen. Wir glauben daran“, sagte er nun vor Wirtschaftsjournalisten in Stuttgart. Das Entwicklungstempo im E-Segment dürfe und werde nicht
nachlassen – auch wenn der Markt für solche Fahrzeuge derzeit doch hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückbleibt. Mercedes-Benz will konsequent auf Elektro setzen, werde aber auch noch Verbrenner anbieten, solange dies die Kunden nachfragen. „Den Zeitpunkt für den letzten Verbrenner kennen wir schlichtweg nicht“, sagte Källenius jüngst entsprechend.
An den Spekulationen zu einem möglichen Ausstieg der Politik aus dem Verbrenner-Aus will sich der Mercedes-Chef bewusst nicht beteiligen. Das Verbot des Verkaufs neuer Verbrennerfahrzeuge in Europa soll laut EU im Jahr 2035 greifen, 2026 allerdings nochmals überprüft werden. Laut Källenius ist es durchaus sinnvoll, den Entwicklungsstand hin zum E-Auto in zwei Jahren „nüchtern zu analysieren“.
Auch wenn der Boss des Nobelherstellers an eine Elektro-Zukunft glaubt und auch voll hinter dem Ziel der CO2-Neutralität steht, benennt er auch Herausforderungen,
die es noch zu lösen gilt: die noch zu hohen Kosten von E-Autos, deren begrenzte Reichweite, die Senkung des Stromverbrauchs und den Aufbau einer ausreichenden Ladeinfrastruktur in Europa.
Die aufziehende Konkurrenz aus China nimmt der Automanager durchaus ernst. Jedoch spricht er sich auch ganz klar gegen höhere Zölle auf Fahrzeuge aus dem Reich der Mitte oder von anderswo aus, mit denen manche Politiker die heimische Industrie schützen wollen. Zum einen aus Prinzip, da freie Märkte die Grundlage für weltweiten Wohlstand seien, zum anderen, da gerade die deutsche Wirtschaft sehr stark vom Welthandel abhängig sei. „Am besten wären sicherlich gar keine Zölle und kein Protektionismus“, sagte der DeutschSchwede,
auch wenn dies derzeit noch utopisch klingen mag.
Herausforderungen für den Industriestandort Deutschland sind laut dem Manager die relativ hohe Steuerlast und die „Energiefrage“, also die Themen Versorgungssicherheit und Kosten. Auch in Sachen Arbeitsmarkt-Flexibilität sieht Källenius noch Luft nach oben: Gedankenspiele zur weiteren Verkürzung der Arbeitszeiten in Deutschland kritisiert er deutlich. Jede politische Entscheidung, die zu einer sinkenden Produktivität hierzulande führen könnte, mache den Standort weniger attraktiv, sagte der Boss des Autobauers unmissverständlich. Im Vergleich zu Ländern wie den USA, China oder der Schweiz stelle man fest, dass die Anzahl der netto geleisteten Stunden dort höher sei als in Deutschland.