Aalener Nachrichten

Mercedes-Chef Källenius bekräftigt den Elektrokur­s

Autobauer will Transforma­tion zügig vorantreib­en und zugleich weiterhin Verbrenner anbieten – Kritik an kürzeren Arbeitszei­ten und höheren Zöllen

- Von Thomas Hagenbuche­r ●

- Auf den ersten Blick ist die deutsche Automobili­ndustrie nicht zu beneiden: Das über Jahrzehnte bewährte Geschäftsm­odell mit Vebrennung­smotoren steht – zumindest mittelfris­tig – vor dem Aus; und als ob die Transforma­tion hin zum E-Antrieb nicht schon anspruchsv­oll genug wäre, tummeln sich auf den Zukunftsmä­rkten unzählige neue Konkurrent­en und die Kunden beißen noch nicht so recht an.

Die Verkaufsza­hlen von E-Autos bleiben zumindest in Deutschlan­d deutlich hinter den Erwartunge­n zurück. 2023 sind gut 524.000 Elektrofah­rzeuge neu zugelassen worden. Dieses Jahr dürften es kaum mehr werden. Das Ziel der Bundesregi­erung von 15 Millionen E-Autos bis 2030 liegt in weiter Ferne. Trotzdem zeigt sich Ola Källenius ausgesproc­hen zuversicht­lich und voller Tatendrang.

„Es war noch nie spannender in der Automobili­ndustrie zu arbeiten als heute – außer vielleicht im Jahr 1886“, scherzte der Vorstandsc­hef von Mercedes-Benz in Anspielung auf die lange Tradition des Autobauers und die Erfindung des Automobils am Ende des 19. Jahrhunder­ts.

Källenius bekräftigt bei allen Herausford­erungen ganz klar die Elektrostr­ategie des Konzerns. „Wir bei Mercedes-Benz tun alles dafür, um die E-Mobilität weiterzuen­twickeln und für unsere Kunden attraktiv zu machen. Wir glauben daran“, sagte er nun vor Wirtschaft­sjournalis­ten in Stuttgart. Das Entwicklun­gstempo im E-Segment dürfe und werde nicht

nachlassen – auch wenn der Markt für solche Fahrzeuge derzeit doch hinter den ursprüngli­chen Erwartunge­n zurückblei­bt. Mercedes-Benz will konsequent auf Elektro setzen, werde aber auch noch Verbrenner anbieten, solange dies die Kunden nachfragen. „Den Zeitpunkt für den letzten Verbrenner kennen wir schlichtwe­g nicht“, sagte Källenius jüngst entspreche­nd.

An den Spekulatio­nen zu einem möglichen Ausstieg der Politik aus dem Verbrenner-Aus will sich der Mercedes-Chef bewusst nicht beteiligen. Das Verbot des Verkaufs neuer Verbrenner­fahrzeuge in Europa soll laut EU im Jahr 2035 greifen, 2026 allerdings nochmals überprüft werden. Laut Källenius ist es durchaus sinnvoll, den Entwicklun­gsstand hin zum E-Auto in zwei Jahren „nüchtern zu analysiere­n“.

Auch wenn der Boss des Nobelherst­ellers an eine Elektro-Zukunft glaubt und auch voll hinter dem Ziel der CO2-Neutralitä­t steht, benennt er auch Herausford­erungen,

die es noch zu lösen gilt: die noch zu hohen Kosten von E-Autos, deren begrenzte Reichweite, die Senkung des Stromverbr­auchs und den Aufbau einer ausreichen­den Ladeinfras­truktur in Europa.

Die aufziehend­e Konkurrenz aus China nimmt der Automanage­r durchaus ernst. Jedoch spricht er sich auch ganz klar gegen höhere Zölle auf Fahrzeuge aus dem Reich der Mitte oder von anderswo aus, mit denen manche Politiker die heimische Industrie schützen wollen. Zum einen aus Prinzip, da freie Märkte die Grundlage für weltweiten Wohlstand seien, zum anderen, da gerade die deutsche Wirtschaft sehr stark vom Welthandel abhängig sei. „Am besten wären sicherlich gar keine Zölle und kein Protektion­ismus“, sagte der DeutschSch­wede,

auch wenn dies derzeit noch utopisch klingen mag.

Herausford­erungen für den Industries­tandort Deutschlan­d sind laut dem Manager die relativ hohe Steuerlast und die „Energiefra­ge“, also die Themen Versorgung­ssicherhei­t und Kosten. Auch in Sachen Arbeitsmar­kt-Flexibilit­ät sieht Källenius noch Luft nach oben: Gedankensp­iele zur weiteren Verkürzung der Arbeitszei­ten in Deutschlan­d kritisiert er deutlich. Jede politische Entscheidu­ng, die zu einer sinkenden Produktivi­tät hierzuland­e führen könnte, mache den Standort weniger attraktiv, sagte der Boss des Autobauers unmissvers­tändlich. Im Vergleich zu Ländern wie den USA, China oder der Schweiz stelle man fest, dass die Anzahl der netto geleistete­n Stunden dort höher sei als in Deutschlan­d.

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FOTO: DPA „Es war noch nie spannender als heute“: Ola Källenius.

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