Stein für Stein zum Erfolg
Das vergangene Jahr war für die Spielzeugbranche nach dem Boom während der Corona-Zeit hart. Der Marktführer Lego konnte sich dennoch behaupten. Und in den Günzburger Erlebnispark Legoland wird weiter kräftig investiert.
- Um den speziellen dänischen Lego-Kapitalismus zu verstehen, eben dem Kern der höchst erfolgreichen Klötzchen-Philosophie nahezukommen, lohnt ein Blick in die Geschichtsbücher des Konzerns. Das Unternehmen aus Billund hat zuletzt die Archive geöffnet, sodass Jens Andersen seine „Lego-Story“in Buchform aufschreiben konnte.
Die Anfänge des Unternehmens gehen auf das Jahr 1932 zurück, als der Tischler Ole Kirk Christiansen in Krisenjahren eine neue Einnahmequelle suchte. Er probierte es mit Holzspielzeug und gab der Firma den Namen Lego als Kürzel für den dänischen Begriff „leg godt“, also „spiel gut“. In schweren Zeiten musste er sich von Beschäftigten trennen. Dann starb seine Frau. Er blieb mit vier Söhnen zurück.
Andere wären verzweifelt. Christiansen kämpfte und begann, fahrbare Enten, Autos oder Busse aus Holz herzustellen. Rückschläge wie die Pleite eines Großabnehmers oder den Brand in seiner Werkstatt steckte er weg und baute die Fabrikation wieder auf. Sich nicht entmutigen zu lassen, ist sicher ein wesentlicher Teil des Lego-Geheimnisses. Hinzu kommt eine zweite Eigenschaft, die sich wie ein roter Faden durch die Firmenhistorie zieht. Von Anfang an versuchten die Verantwortlichen, ihrer Zeit voraus zu sein.
Der Unternehmensgründer erkannte früh das Potenzial von Kunststoff und kaufte sich eine Spritzguss-Maschine, mit der er erste Steinchen herstellte. Sein Plastikspielzeug wurde ein Erfolg, und der Tüftler Christiansen fand in seinem Sohn Godtfred Kirk einen überaus begabten Verkäufer. Das Lego-System entstand. Es wurden ganze Baukästen angeboten und die Klötzchen waren bald derart konstruiert, dass sie sich fest ineinanderstecken ließen. Nach dem Tod seines Vaters machte Godtfred Kirk Christiansen weiter. Auch er ließ sich nicht von einem Brand in der Fabrikation aus dem Konzept bringen, internationalisierte das Geschäft und ließ in Billund das erste Legoland bauen, in das 1968 bereits gut 600.000 Gäste strömten. Mut, Durchhaltevermögen, Innovationsgeist und ein Riecher für Träume von Kindern wie Erwachsenen wurden zur DNA des Konzerns.
Heute führt Niels B. Christiansen Lego. Er stammt nicht aus der Gründerfamilie, hat das Unternehmen nach einer Krise im Jahr 2017, als kräftig Stellen abgebaut werden mussten, zu immer neuen Rekorden geführt. War das Jahr 2019 schon gut, ging es während der Pandemie rasant nach oben. Umsatz und Ergebnis stiegen mächtig an. Wie erfolgreich Christiansen arbeitet, zeigt sich neben den immer neuen Milliardengewinnen an der Zahl der Beschäftigten, die von 2019 an um fast 10.000 auf etwa 28.500 in die Höhe schoss.
Christiansen ließ zugleich den chinesischen Markt erobern und die Zahl der eigenen Lego-Geschäfte rund um die Welt auf über 1000 ausbauen. Er hatte dabei Glück, dass Familien in ihrem Pandemie-Unglück mehr LegoProdukte kauften. All das half dem Konzern, die Position als Nummer 1 der weltweiten Spielzeugbranche vor den US-Konzernen Hasbro (Monopoly) und Mattel (Barbie, Matchbox) zu festigen. Während Lego immer mehr Mitarbeiter einstellt, verkündete Hasbro ausgerechnet vor Weihnachten 2023, etwa 1100 Stellen zu streichen. Auch der PlaymobilMutterkonzern teilte mit, weltweit würden rund 700 Arbeitsplätze wegfallen.
Auch die Lego-Klötzchenwelt müsste im vergangenen Jahr ins Wanken geraten sein, „war 2023 doch eines der schlechten Jahre für die Spielzeugbranche seit mehr als 15 Jahren“, wie Konzernchef Christiansen sagt. Das Unternehmen erwies sich dennoch als widerstandsfähig und erwirtschaftete unter dem Strich einen üppigen Gewinn von 13,1 Milliarden dänischen Kronen, was umgerechnet 1,76 Milliarden Euro entspricht. Ein Vergleich mit dem Rekordjahr 2022 zeigt, wie stabil Lego ist, lag das Ergebnis damals doch bei 13,8 Milliarden Kronen, also nicht wesentlich höher als zuletzt.
Um sich dem Erfolgsgeheimnis des bunten Klötzchen-Kosmos anzunähern, ist eine Reise ins Legoland nach Günzburg lehrreich. Dort wurde vor der Saisoneröffnung am 16. März auf Hochtouren gearbeitet, um den Freizeitpark herauszuputzen und neue Attraktionen in Szene zu setzen.
Handwerker, die überwiegend aus der Region kommen, warten auf Einlass am Eingangstor. Eine Gärtnerin fährt mit einem der vielen Elektro-Wägelchen zum Einsatz über das Gelände. In der Miniwelt wirken die Gebäude, ob in Berlin oder in Luzern, herausgeputzt. Sandstrahler kamen zum Einsatz. Gerade rote und orangefarbene Steine bleichen trotz eines speziellen UV-Schutzlacks leichter aus und müssen ersetzt werden. Eigene Modellbauer fertigen in Günzburg neue Figuren und Gebäude an. Saisonkräfte finden sich ein.
Die technischen Einrichtungen werden gründlich überprüft.
Schließlich hat sich das Datum eines Achterbahn-Unglücks am 11. August 2022 bei vielen eingebrannt. Auch wenn alle Verletzten noch am selben Tag das Krankenhaus verlassen konnten und keine Schäden davongetragen haben, sagt Manuela Stone, Chefin von Legoland Deutschland: „Das war der schlimmste Tag in meiner beruflichen Laufbahn. Wir haben alles unternommen, damit sich so ein Vorfall nicht mehr wiederholt.“
In der nachgebauten Münchner Allianz-Arena sind die Ränge voll besetzt. Das Miniland lädt dazu ein, genau hinzuschauen, sich Zeit zu nehmen und herunterzukommen. Beobachter entdecken vielleicht die Taube auf dem Dach eines Wirtshauses oder Außerirdische, die mit Ufos im Weinberg gelandet sind. Weiter geht es an Fahrgeschäften vorbei in Themenwelten. Es warten Begegnungen mit einer Lego-Giraffe mit falsch herum aufgesetztem Baseball-Käppi, dem Dinosaurier samt Vase als Bein oder einem BlumenNashorn. Das ist eine friedliche und lustige Welt, es lockt eine Auszeit für Familien in konfliktreichen Zeiten.
Für Freizeitpark-Leiterin Stone ist die Faszination Lego ungebrochen: „Jeder fängt an zu spielen, wenn eine Handvoll Steine auf dem Tisch liegen. Es eröffnen sich unendliche Möglichkeiten.“Auch im digitalen Zeitalter, ist sie fest überzeugt, bleibe das Spielen mit der Hand. Die Steinchen seien der Schlüssel zum Glück. Die emotionale Seite des Lego-Erfolgs kommt beim Besuch im Günzburger Freizeitpark zum Vorschein.
Stone erzählt, immer mehr Erwachsene würden der Lego-Leidenschaft frönen, was sicher zu den beachtlichen Geschäftsergebnissen des Unternehmens beiträgt. In der Fachsprache wird die spielfreudige und oftmals finanzkräftige Klientel auf Englisch „Adult Fans of Lego“oder kurz Afols genannt. Echte Afols bereuen es, wenn sie nach ihrer Kindheit Lego abgeschworen haben und erst später wieder zu den Klötzchen finden. Die Jahre der Lego-Missachtung nennen manche „Dark Ages“, dunkles Zeitalter.
Dafür können die Lego-Geläuterten umso mehr Geld für ihre wiederentdeckte Leidenschaft ausgeben. Wer im Onlineshop in der Kategorie „18+“stöbert, stößt auf das Titanic-Schiff aus 9090 Teilen für 679,99 Euro. Das 549,99 Euro teure Kolosseum ist ausverkauft. Dafür gibt es eine Schreibmaschine zum Preis von 249,99 Euro. Sie hat nur 2079 Teile. Mit dem Lego-Nachbau soll „ein Stück Nostalgie ins Homeoffice einziehen“. Schreiben könne man mit der Maschine auch. Günstiger ist ein Lego-Rosenstrauß für 59,99. Wie darauf wohl beschenkte Frauen reagieren? Die Klötzchen-Welt wurde über Jahrzehnte massiv für alle Geschmäcker ausgebaut, was auch das Geheimnis des Lego-Siegeszugs erklären mag.
Das Günzburger Legoland blüht derweil weiter auf. Dort entsteht ein neuer Freizeitpark, der Pfingsten eröffnet werden soll. Im Peppa-Pig-Park sollen sich vor allem Kinder im Vorschulalter wohlfühlen. Für solch zusätzliche Angebote ist Legoland-Managerin Stone auf mehr und zufriedene Mitarbeiter angewiesen. Sie kommen aus 60 Nationen, zum Teil bis aus Australien, Vietnam oder Taiwan. Damit sich die Beschäftigten, die Besucher aus über 120 Ländern betreuen, wohlfühlen, entstehen für sie auf dem Gelände immer mehr Zimmer. Im Frühjahr 2025 soll es allein für Beschäftigte 550 Betten geben, überwiegend in Einzelzimmern. Der Freizeitpark ist einer der größten Arbeitgeber der Region. Dort sind knapp 250 Frauen und Männer fest angestellt, mit Saisonkräften erhöht sich die Zahl in der Spitze auf 1800. Stone will, dass Beschäftigte in ihren Zimmern mit eigenem Bad, Terrasse und Gemeinschaftsküche eine vorübergehende Heimat finden und vor allem gerne wiederkommen.
Auch Gäste des Legolands finden immer mehr Übernachtungsmöglichkeiten auf dem weitläufigen Gelände. Das Feriendorf wurde noch einmal um eine Waldabenteuer-Lodge erweitert. Mit dem Campingplatz und Übernachtungsfässern stehen fast 3150 Betten zur Verfügung. Ob im Legoland oder im Feriendorf, überall finden sich in Sichtweite Spielplätze, derart viele, dass die Verantwortlichen mit dem Zählen schon mal nicht auf dem neuesten Stand sind. In der Legound Legoland-Welt denken die Manager auch psychologisch: Sie versetzen sich in ihre Kundschaft hinein. Und worauf legen Eltern, die etwa mit einer zehnjährigen Tochter und einem dreijährigen Sohn nach Günzburg reisen, Wert? Während etwa die Mutter mit dem älteren Kind Achterbahn fährt, kann sich der Vater mit dem Buben auf einen Spielplatz zurückziehen.
Aus rein ökonomischer LegoSicht ist es ideal, wenn Großeltern mit Enkelkindern das Legoland aufsuchen. Die sind nämlich oft spendabler als Eltern. Vor Ort im Legoland lässt sich in Geschäften reichlich KlötzchenNachschub erwerben. Da schließt sich der Kreis zu Lego-Chef Christiansen und seinen prächtigen Zahlen.