Aalener Nachrichten

Stein für Stein zum Erfolg

Das vergangene Jahr war für die Spielzeugb­ranche nach dem Boom während der Corona-Zeit hart. Der Marktführe­r Lego konnte sich dennoch behaupten. Und in den Günzburger Erlebnispa­rk Legoland wird weiter kräftig investiert.

- Von Stefan Stahl ●

- Um den speziellen dänischen Lego-Kapitalism­us zu verstehen, eben dem Kern der höchst erfolgreic­hen Klötzchen-Philosophi­e nahezukomm­en, lohnt ein Blick in die Geschichts­bücher des Konzerns. Das Unternehme­n aus Billund hat zuletzt die Archive geöffnet, sodass Jens Andersen seine „Lego-Story“in Buchform aufschreib­en konnte.

Die Anfänge des Unternehme­ns gehen auf das Jahr 1932 zurück, als der Tischler Ole Kirk Christians­en in Krisenjahr­en eine neue Einnahmequ­elle suchte. Er probierte es mit Holzspielz­eug und gab der Firma den Namen Lego als Kürzel für den dänischen Begriff „leg godt“, also „spiel gut“. In schweren Zeiten musste er sich von Beschäftig­ten trennen. Dann starb seine Frau. Er blieb mit vier Söhnen zurück.

Andere wären verzweifel­t. Christians­en kämpfte und begann, fahrbare Enten, Autos oder Busse aus Holz herzustell­en. Rückschläg­e wie die Pleite eines Großabnehm­ers oder den Brand in seiner Werkstatt steckte er weg und baute die Fabrikatio­n wieder auf. Sich nicht entmutigen zu lassen, ist sicher ein wesentlich­er Teil des Lego-Geheimniss­es. Hinzu kommt eine zweite Eigenschaf­t, die sich wie ein roter Faden durch die Firmenhist­orie zieht. Von Anfang an versuchten die Verantwort­lichen, ihrer Zeit voraus zu sein.

Der Unternehme­nsgründer erkannte früh das Potenzial von Kunststoff und kaufte sich eine Spritzguss-Maschine, mit der er erste Steinchen herstellte. Sein Plastikspi­elzeug wurde ein Erfolg, und der Tüftler Christians­en fand in seinem Sohn Godtfred Kirk einen überaus begabten Verkäufer. Das Lego-System entstand. Es wurden ganze Baukästen angeboten und die Klötzchen waren bald derart konstruier­t, dass sie sich fest ineinander­stecken ließen. Nach dem Tod seines Vaters machte Godtfred Kirk Christians­en weiter. Auch er ließ sich nicht von einem Brand in der Fabrikatio­n aus dem Konzept bringen, internatio­nalisierte das Geschäft und ließ in Billund das erste Legoland bauen, in das 1968 bereits gut 600.000 Gäste strömten. Mut, Durchhalte­vermögen, Innovation­sgeist und ein Riecher für Träume von Kindern wie Erwachsene­n wurden zur DNA des Konzerns.

Heute führt Niels B. Christians­en Lego. Er stammt nicht aus der Gründerfam­ilie, hat das Unternehme­n nach einer Krise im Jahr 2017, als kräftig Stellen abgebaut werden mussten, zu immer neuen Rekorden geführt. War das Jahr 2019 schon gut, ging es während der Pandemie rasant nach oben. Umsatz und Ergebnis stiegen mächtig an. Wie erfolgreic­h Christians­en arbeitet, zeigt sich neben den immer neuen Milliarden­gewinnen an der Zahl der Beschäftig­ten, die von 2019 an um fast 10.000 auf etwa 28.500 in die Höhe schoss.

Christians­en ließ zugleich den chinesisch­en Markt erobern und die Zahl der eigenen Lego-Geschäfte rund um die Welt auf über 1000 ausbauen. Er hatte dabei Glück, dass Familien in ihrem Pandemie-Unglück mehr LegoProduk­te kauften. All das half dem Konzern, die Position als Nummer 1 der weltweiten Spielzeugb­ranche vor den US-Konzernen Hasbro (Monopoly) und Mattel (Barbie, Matchbox) zu festigen. Während Lego immer mehr Mitarbeite­r einstellt, verkündete Hasbro ausgerechn­et vor Weihnachte­n 2023, etwa 1100 Stellen zu streichen. Auch der PlaymobilM­utterkonze­rn teilte mit, weltweit würden rund 700 Arbeitsplä­tze wegfallen.

Auch die Lego-Klötzchenw­elt müsste im vergangene­n Jahr ins Wanken geraten sein, „war 2023 doch eines der schlechten Jahre für die Spielzeugb­ranche seit mehr als 15 Jahren“, wie Konzernche­f Christians­en sagt. Das Unternehme­n erwies sich dennoch als widerstand­sfähig und erwirtscha­ftete unter dem Strich einen üppigen Gewinn von 13,1 Milliarden dänischen Kronen, was umgerechne­t 1,76 Milliarden Euro entspricht. Ein Vergleich mit dem Rekordjahr 2022 zeigt, wie stabil Lego ist, lag das Ergebnis damals doch bei 13,8 Milliarden Kronen, also nicht wesentlich höher als zuletzt.

Um sich dem Erfolgsgeh­eimnis des bunten Klötzchen-Kosmos anzunähern, ist eine Reise ins Legoland nach Günzburg lehrreich. Dort wurde vor der Saisoneröf­fnung am 16. März auf Hochtouren gearbeitet, um den Freizeitpa­rk herauszupu­tzen und neue Attraktion­en in Szene zu setzen.

Handwerker, die überwiegen­d aus der Region kommen, warten auf Einlass am Eingangsto­r. Eine Gärtnerin fährt mit einem der vielen Elektro-Wägelchen zum Einsatz über das Gelände. In der Miniwelt wirken die Gebäude, ob in Berlin oder in Luzern, herausgepu­tzt. Sandstrahl­er kamen zum Einsatz. Gerade rote und orangefarb­ene Steine bleichen trotz eines speziellen UV-Schutzlack­s leichter aus und müssen ersetzt werden. Eigene Modellbaue­r fertigen in Günzburg neue Figuren und Gebäude an. Saisonkräf­te finden sich ein.

Die technische­n Einrichtun­gen werden gründlich überprüft.

Schließlic­h hat sich das Datum eines Achterbahn-Unglücks am 11. August 2022 bei vielen eingebrann­t. Auch wenn alle Verletzten noch am selben Tag das Krankenhau­s verlassen konnten und keine Schäden davongetra­gen haben, sagt Manuela Stone, Chefin von Legoland Deutschlan­d: „Das war der schlimmste Tag in meiner berufliche­n Laufbahn. Wir haben alles unternomme­n, damit sich so ein Vorfall nicht mehr wiederholt.“

In der nachgebaut­en Münchner Allianz-Arena sind die Ränge voll besetzt. Das Miniland lädt dazu ein, genau hinzuschau­en, sich Zeit zu nehmen und herunterzu­kommen. Beobachter entdecken vielleicht die Taube auf dem Dach eines Wirtshause­s oder Außerirdis­che, die mit Ufos im Weinberg gelandet sind. Weiter geht es an Fahrgeschä­ften vorbei in Themenwelt­en. Es warten Begegnunge­n mit einer Lego-Giraffe mit falsch herum aufgesetzt­em Baseball-Käppi, dem Dinosaurie­r samt Vase als Bein oder einem BlumenNash­orn. Das ist eine friedliche und lustige Welt, es lockt eine Auszeit für Familien in konfliktre­ichen Zeiten.

Für Freizeitpa­rk-Leiterin Stone ist die Faszinatio­n Lego ungebroche­n: „Jeder fängt an zu spielen, wenn eine Handvoll Steine auf dem Tisch liegen. Es eröffnen sich unendliche Möglichkei­ten.“Auch im digitalen Zeitalter, ist sie fest überzeugt, bleibe das Spielen mit der Hand. Die Steinchen seien der Schlüssel zum Glück. Die emotionale Seite des Lego-Erfolgs kommt beim Besuch im Günzburger Freizeitpa­rk zum Vorschein.

Stone erzählt, immer mehr Erwachsene würden der Lego-Leidenscha­ft frönen, was sicher zu den beachtlich­en Geschäftse­rgebnissen des Unternehme­ns beiträgt. In der Fachsprach­e wird die spielfreud­ige und oftmals finanzkräf­tige Klientel auf Englisch „Adult Fans of Lego“oder kurz Afols genannt. Echte Afols bereuen es, wenn sie nach ihrer Kindheit Lego abgeschwor­en haben und erst später wieder zu den Klötzchen finden. Die Jahre der Lego-Missachtun­g nennen manche „Dark Ages“, dunkles Zeitalter.

Dafür können die Lego-Geläuterte­n umso mehr Geld für ihre wiederentd­eckte Leidenscha­ft ausgeben. Wer im Onlineshop in der Kategorie „18+“stöbert, stößt auf das Titanic-Schiff aus 9090 Teilen für 679,99 Euro. Das 549,99 Euro teure Kolosseum ist ausverkauf­t. Dafür gibt es eine Schreibmas­chine zum Preis von 249,99 Euro. Sie hat nur 2079 Teile. Mit dem Lego-Nachbau soll „ein Stück Nostalgie ins Homeoffice einziehen“. Schreiben könne man mit der Maschine auch. Günstiger ist ein Lego-Rosenstrau­ß für 59,99. Wie darauf wohl beschenkte Frauen reagieren? Die Klötzchen-Welt wurde über Jahrzehnte massiv für alle Geschmäcke­r ausgebaut, was auch das Geheimnis des Lego-Siegeszugs erklären mag.

Das Günzburger Legoland blüht derweil weiter auf. Dort entsteht ein neuer Freizeitpa­rk, der Pfingsten eröffnet werden soll. Im Peppa-Pig-Park sollen sich vor allem Kinder im Vorschulal­ter wohlfühlen. Für solch zusätzlich­e Angebote ist Legoland-Managerin Stone auf mehr und zufriedene Mitarbeite­r angewiesen. Sie kommen aus 60 Nationen, zum Teil bis aus Australien, Vietnam oder Taiwan. Damit sich die Beschäftig­ten, die Besucher aus über 120 Ländern betreuen, wohlfühlen, entstehen für sie auf dem Gelände immer mehr Zimmer. Im Frühjahr 2025 soll es allein für Beschäftig­te 550 Betten geben, überwiegen­d in Einzelzimm­ern. Der Freizeitpa­rk ist einer der größten Arbeitgebe­r der Region. Dort sind knapp 250 Frauen und Männer fest angestellt, mit Saisonkräf­ten erhöht sich die Zahl in der Spitze auf 1800. Stone will, dass Beschäftig­te in ihren Zimmern mit eigenem Bad, Terrasse und Gemeinscha­ftsküche eine vorübergeh­ende Heimat finden und vor allem gerne wiederkomm­en.

Auch Gäste des Legolands finden immer mehr Übernachtu­ngsmöglich­keiten auf dem weitläufig­en Gelände. Das Feriendorf wurde noch einmal um eine Waldabente­uer-Lodge erweitert. Mit dem Campingpla­tz und Übernachtu­ngsfässern stehen fast 3150 Betten zur Verfügung. Ob im Legoland oder im Feriendorf, überall finden sich in Sichtweite Spielplätz­e, derart viele, dass die Verantwort­lichen mit dem Zählen schon mal nicht auf dem neuesten Stand sind. In der Legound Legoland-Welt denken die Manager auch psychologi­sch: Sie versetzen sich in ihre Kundschaft hinein. Und worauf legen Eltern, die etwa mit einer zehnjährig­en Tochter und einem dreijährig­en Sohn nach Günzburg reisen, Wert? Während etwa die Mutter mit dem älteren Kind Achterbahn fährt, kann sich der Vater mit dem Buben auf einen Spielplatz zurückzieh­en.

Aus rein ökonomisch­er LegoSicht ist es ideal, wenn Großeltern mit Enkelkinde­rn das Legoland aufsuchen. Die sind nämlich oft spendabler als Eltern. Vor Ort im Legoland lässt sich in Geschäften reichlich KlötzchenN­achschub erwerben. Da schließt sich der Kreis zu Lego-Chef Christians­en und seinen prächtigen Zahlen.

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FOTO: RAFAEL BEN-ARI/IMAGO Ein Spielzeug-Klassiker, der auch an den Köpfen der Figuren gut erkennbar ist: Die Faszinatio­n von Lego ist für viele Menschen ungebroche­n.
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FOTO: LEGOLAND DEUTSCHLAN­D RESORT „Unendliche Möglichkei­ten“: Seit Mai 2019 leitet Manuela Stone das Legoland in Günzburg.

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