Separatistenchef möchte Katalonien zurückerobern
Carles Puigdemont kündigt Kandidatur an – Nationaler Haftbefehl noch in Kraft
- Er lässt sich auch sechseinhalb Jahre nach seiner zwangsweisen Absetzung immer noch gerne mit „President” (Präsident) anreden. Entsprechend inszenierte der Separatistenpolitiker Carles Puigdemont seine Ankündigung, in der Katalonienwahl am 12. Mai wieder kandidieren zu wollen, wie ein Staatsmann. Und seine Anhänger spielten mit. Sie empfingen Puigdemont in der südfranzösischen Kleinstadt Elna, 30 Kilometer von der spanischen Grenze entfernt, mit so großem Jubel, als ob er die Wahl in der eigenwilligen spanischen Region Katalonien schon gewonnen hätte.
Der 61-Jährige, der von 2015 bis 2017 katalanischer Ministerpräsident war, erwies sich schon immer als Meister filmreifer Darbietungen.
Das galt bereits für seinen unfreiwilligen Abschied aus Katalonien Ende Oktober 2017. Kurz nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum mitsamt Abspaltungserklärung und seiner darauffolgenden Entmachtung durch die spanische Regierung verschwand er in einer Nachtund-Nebel-Aktion. Er verließ Katalonien im Kofferraum eines Autos, um seine Verhaftung zu vermeiden. Wenig später tauchte er in Brüssel wieder auf.
Der nationale Haftbefehl gegen Puigdemont ist allerdings immer noch in Kraft. Deswegen wird der frühere Separatistenführer wohl nicht persönlich am katalanischen Wahlkampf teilnehmen können. Stattdessen wird er aus der Ferne versuchen, seine Wähler zu mobilisieren. Wobei er keinen Zweifel daran ließ, dass er von seinem Ziel, Katalonien von Spanien abzuspalten, nicht abrücken wird. Es gehe nun darum, sagte er, „den 2017 begonnenen Unabhängigkeitsprozess erfolgreich zu Ende zu bringen”.
Ob Puigdemonts Traum von einer triumphalen Rückkehr an die Macht tatsächlich in Erfüllung gehen wird, ist jedoch eher zweifelhaft. Zwar kann er damit rechnen, dass der spanische Haftbefehl
gegen ihn in den nächsten Monaten aufgehoben wird, weil er mit Spaniens sozialdemokratischem Premier Pedro Sánchez eine Amnestie aushandelte. Aber das Separatistenlager ist zerstritten und wird inzwischen nicht mehr von dem Hardliner Puigdemont, sondern von dem moderaten Unabhängigkeitspolitiker Pere Aragonès angeführt.
Aragonès ist seit 2021 Kataloniens Ministerpräsident. Seine Partei Esquerra Republicana (Republikanische Linke) wünscht auch mehr Autonomie für Katalonien, setzt aber eher auf Verhandlungen und nicht auf Konfrontation mit Spanien.
Aragonès hat klargemacht, dass er nicht daran denkt, Puigdemont den roten Teppich auszurollen. Entsprechend erteilte er der von Puigdemont vorgeschlagenen gemeinsamen Unabhängigkeitsliste für die kommende Wahl eine Absage.
Die Spannungen in Katalonien haben in den letzten Jahren dank des Versöhnungskurses von Spaniens Regierungschef Sánchez spürbar nachgelassen. 2017 hatte Puigdemont annähernd die Hälfte der acht Millionen Einwohner mit seinem kompromisslosen Abspaltungskurs hinter sich.
Heute unterstützen nach den Daten des katalanischen Meinungsinstituts CEO nur noch 42 Prozent der Bevölkerung die Abtrennung von Spanien. Puigdemont hatte die Region mit seinem radikalen Kurs ins Chaos geführt: Katalonien wurde vorübergehend unter spanische Zwangsverwaltung gestellt, Hunderte von Unternehmen packten die Koffer und zogen in politisch stabilere Regionen um.
Dem neuesten CEO-Wahlbarometer zufolge haben Sánchez’ Sozialdemokraten gute Chancen, die Katalonienwahl zu gewinnen. Dies allerdings ohne eine ausreichende Regierungsmehrheit zu erhalten – sie müssten sich also Partner suchen.
Auf dem zweiten Platz liegen die moderaten Separatisten der Esquerra-Partei mit annähernd 19 Prozent, erst danach folgt Puigdemonts Partei Junts mit rund 17 Prozent. Auch zusammen mit der kleinen und ebenfalls separatistischen Partei CUP hätte das Unabhängigkeitslager demzufolge keine Regierungsmehrheit.
Allerdings entstand die Umfrage vor Puigdemonts ComebackAnkündigung. Und Puigdemont war schon immer für eine Überraschung gut. „Ich setzte alles auf eine Karte”, verkündete er vielsagend zum Abschluss seines Wahlauftritts.
So wird zum Beispiel nicht ausgeschlossen, dass er doch noch persönlich im katalanischen Wahlkampf auftaucht und sich vor laufenden TV-Kameras verhaften lässt – in der Hoffnung, dass dies die Stimmung zu seinen Gunsten drehen könnte.