Abschluss wird lange nachwirken
Bahnreisende können nach dem Tarifabschluss von Deutscher Bahn und Lokführergewerkschaft GDL zunächst einmal aufatmen: Es drohen keine weiteren Streiks. Der Osterverkehr wird nicht beeinträchtigt, auch weitere Streiks in diesem Jahr sind nicht zu erwarten – die nächste Verhandlungsrunde, dann mit der GDL-Konkurrenz EVG, steht erst 2025 an.
Auf lange Sicht aber werden die DB und ihre privaten Wettbewerber an der jetzt erzielten Einigung schwer zu kauen haben. Niemand missgönnt den Lokführern einen Gehaltszuwachs. Das Problem ist die Arbeitszeitreduzierung auf 35 Stunden. Mit ihrer Kernforderung hat sich die GDL durchgesetzt. Damit verschärft sie den ohnehin gravierenden Lokführermangel. Dieser wirkt sich schon jetzt auf die Betriebsqualität aus. Dass Zugausfälle mit einem „kurzfristigen Personalausfall“entschuldigt werden, haben Reisende etwa auf der Südbahn in diesem Winter immer wieder erlebt. Wenn sich morgens der Lokführer mit Grippe krankmeldet, gibt es oft keinen Kollegen, der kurzfristig einspringen kann. Dieses Problem wird sich weiter verschärfen. Erst recht droht der für einen attraktiven Schienenverkehr gerade in der Fläche notwendige Angebotsausbau ausgebremst zu werden. Immerhin wird die Arbeitszeitverkürzung auf mehrere Stufen gestreckt, um die Auswirkungen der Personalnot abzufedern.
Im Übrigen trifft der Tarifabschluss nicht nur die DB, sondern die ganze Branche. Private Wettbewerber wie Go Ahead oder SWEG hatten sich von der GDL zwar bereits die 35-Stunden-Woche abverhandeln lassen, aber mit einer Klausel, die Anpassungen bei einem anderweitigen „marktprägenden“Tarifabschluss – also dem der GDL mit dem Marktführer DB – vorgesehen hätten. Die Konkurrenz dürfte gehofft haben, dass das DB-Management hart bleibt. Pech gehabt.
Den Unternehmen bleibt zu wünschen, dass sich möglichst viele ihrer Mitarbeiter dafür entscheiden, für zusätzliches Geld freiwillig im bisherigen Umfang zu arbeiten. Wählen viele Lokführer diese Option, sollte die GDL in Zukunft darüber nachdenken, ob sie in ihren Arbeitskämpfen die richtigen Schwerpunkte setzt.