Eine jahrzehntelange Ära in Hüttlingen endet bald
Gebhard Wiedemann schließt seine Metzgerei Ende Juni - Wie es am Standort weitergeht, ist ungewiss
- Ende Juni wird in Hüttlingen nach 40 Jahren eine Ära zu Ende gehen. Am 29. Juni öffnet Gebhard Wiedemann seine Metzgerei in der Bachstraße zum letzten Mal. Aus gesundheitlichen Gründen kann „Gäbe“, wie ihn die Hüttlinger nennen, den Betrieb nicht mehr fortführen. Sollte sich bis dahin kein Nachfolger finden, wird es in Hüttlingen ab Juli keine selbstproduzierende Metzgerei mehr geben.
Der 62-Jährige ist VollblutMetzger, auch bedingt durch seine Familie. Vor rund 130 Jahren erwarb Ur-Großvater Martin Wiedemann den „Grünen Baum“in der Abtsgmünder Straße in Hüttlingen. Dem Gasthof wurde dabei 1927 auch eine Metzgerei angegliedert. Die Metzgerei-Ära begann schließlich 1930. Doch das 100-jährige Jubiläum werden die Wiedemanns nun nicht mehr feiern können. Wiedemann nennt zwei Gründe, weshalb es ab Mitte des Jahres nicht mehr weitergehen werde. „Vor sechs Jahren wurde ich an der rechten Schulter operiert. Lange Zeit war es auch gut, doch seit rund einem Vierteljahr habe ich nun Probleme mit der linken Schulter.“Hinzu kommen noch die personellen Schwierigkeiten. „Uns fehlen zwei Metzger, die man heutzutage nicht ersetzen kann. Es gibt einfach kein Personal“, erklärt Gebhard Wiedemann.
Anders sehe es dagegen im Laden aus: Aktuell habe man ein tolles Team im Laden. „Als ich ihnen mitgeteilt hatte, dass wir die
Metzgerei schließen werden, sind viele Tränen gef lossen. Jetzt wäre es im Laden toll – und nun scheitert es an den Metzgern“, berichtet Gebhard Wiedemanns Ehefrau Sabine, die ebenfalls in der „Metzgerei Wiedemann“arbeitet. Mit einer kleinen Unterbrechung ist Michaela Enzinger bereits
seit 1985 in der Metzgerei beschäftigt. „Für uns alle ist es eine Umstellung. Wir sind alle sehr traurig und auch die Kunden waren teilweise den Tränen nahe, als sie hörten, dass wir schließen.“Man sei derzeit auf der Suche nach einem Nachfolger, der die Metzgerei in der Bachstraße übernehmen könnte. „Es wäre wirklich schade, eine sehr gut laufende Filiale zu schließen. Doch aktuell tut sich nichts. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf“, so Sabine Wiedemann.
Seit 1984 führt Wiedemann die Metzgerei in der Bachstraße. In dieser Zeit habe er einen schweren Wandel festgestellt: teils positiv, teils negativ. „Da wir unsere Wurst in unserem Gasthof Grüner Baum produzieren und diese in die Bachstraße in unsere Metzgerei transportieren, haben wir eine EU-Zulassung benötigt. Das bedeutet konkret, dass man wie ein Großbetrieb behandelt wird“, erklärt Gebhard Wiedemann. Seit dem 1. Januar 2006 gibt es die EU-Zulassung. Wie Sabine Wiedemann ergänzt, benötige man für die „weite Strecke“vom „Grünen Baum“in die Bachstraße noch einen Bus für die Kühlung. „Das ist im Prinzip so, als ob ich meine Ware beispielsweise nach Frankreich fahren würde. Das Ganze hat uns nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit und Nerven gekostet.“Auch die steigenden Kosten für Energie, Wasser und Einkauf bereiten den Wiedemanns Kopfzerbrechen. Doch den treuen Kunden wollte man eine deutliche Erhöhung der Preise ersparen.
Wie die beiden berichten, gab es in den vergangenen fast 40 Jahren sehr viele schöne Momente. Bei der Verabschiedung von Bürgermeister Günter Ensle haben
Gebhard und Sabine Wiedemann 1700 halbe Wecken dekoriert. „Wir haben dann direkt das Feedback von den Gästen bekommen. Das war von allen sehr positiv, das macht einen dann schon stolz“, freut sich Sabine Wiedemann. Wie sie betont, haben die positiven Momente gegenüber den negativen deutlich überwogen. Besonders verbunden sind die Wiedemanns den Handballern aus Hofen. Anfangs noch der TG, seit der Neugründung 2010 der SG Hofen/Hüttlingen. Sabine Wiedemann ist Trainerin der Minis und Sohn Julian spielt in der A-Jugend der SG2H.
Rund 30 Jahre lang bot Gebhard Wiedemann auch einen Partyservice an, anfangs mit Schnitzellieferungen. Dann hatte sich das Ganze entwickelt und erweitert, mit Leberkäse, Braten und Senfbauch, einer Spezialität von Gebhard Wiedemann. Zusätzlich zum normalen Alltag in der Metzgerei, waren die Wiedemanns von Montag bis Samstag in den Abendstunden mit ihrem Partyservice im Einsatz. Doch in der Corona-Zeit haben beide gemeinsam den Entschluss gefasst, dass die Familie wichtiger sei, denn man wolle mit Sohn Julian mehr Zeit verbringen. So endete schließlich die Partyservice-Zeit und Ende Juni wird dann schließlich auch die Ära Metzgerei Wiedemann nach 97 Jahren enden.
„Uns fehlen zwei Metzger. Es gibt einfach kein Personal“, sagt Gebhard Wiedemann.