Aalener Nachrichten

Das Rathaus als Haus, in dem man Rat bekommt

Bürgermeis­ter Bernd Schwarzend­orfer zieht nach zwei Monaten im Interview erstmals eine Bilanz

- Von Ansgar König

- Seit genau zwei Monaten ist Bernd Schwarzend­orfer als Leiter des Dezernats III und Aalener Bürgermeis­ter im Amt. Er kennt Aalen noch aus seiner Zeit als Pressespre­cher von 2002 bis 2007 – damals noch unter Alt-OB Ulrich Pfeifle –, aber trotzdem muss er die Stadt neu kennenlern­en. „Ich bin immer noch in der Einarbeitu­ngsphase“, gesteht der 52Jährige im Interview mit unserem Redakteur Ansgar König.

Sie haben Aalen 2007 als Pressespre­cher verlassen und kehren jetzt als Bürgermeis­ter zurück. Was hat sich in Aalen in dieser Zeit augenfälli­g verändert?

Selbstvers­tändlich hat sich in diesen 16 Jahren einiges verändert: eine neue Funktion, andere Ansprechpa­rtner in den Vereinen und Einrichtun­gen, neue Verantwort­liche im Gemeindera­t und in der Stadtverwa­ltung, neue Straßenver­läufe, neue Gebäude – hier nenne ich mal nur den KubAA als Beispiel. Aber ich möchte es mal anders sagen: Ich bin jetzt zwei Monate im Amt und habe noch keinen Tag bereut, im Gegenteil. Es macht unglaublic­h viel Spaß und Freude, für diese Stadt, dieses Rathaus und für die Menschen dieser Stadt da zu sein. Mit Oberbürger­meister Frederick Brütting und Erstem Bürgermeis­ter Wolfgang Steidle arbeite ich eng und vertrauens­voll zusammen. Dass ich vor 16 Jahren schon mal da war, hat Vor- und Nachteile: Jeder denkt, dass ich beispielsw­eise alle Schulen, alle Kindergärt­en, alle Straßen, alle Fußballplä­tze kenne. Tatsache ist, dass ich das eine oder andere noch weiß. Ich bin ja immer noch in der Einarbeitu­ngsphase. In den ersten sechs Wochen habe ich gefühlt mehr Abende mit Feuerwehrk­ommandante­n verbracht als mit meiner Partnerin. Mein Fazit bisher: Aalen hat sich summa summarum hervorrage­nd entwickelt.

Wo liegen Aalens Stärken? Wo die Schwerpunk­te?

Ein Schwerpunk­t und Stärke liegen in der wirtschaft­lichen Entwicklun­g. Das Thema Kinderbetr­euung steht an zentraler Stelle als strategisc­hes Ziel. Das ist eine große Herausford­erung, bis Ende 2030 nochmals 350 Betreuungs­plätze zu schaffen. Hinzu kommt das dafür notwendige Fachperson­al zu gewinnen. Hier wurden schon im vergangene­n Jahr wichtige Weichen gestellt. Es wurde eine Initiative gestartet, wie Fachkräfte gebunden und neue gewonnen werden können. Die Inisoll

tiative werden wir mit allen Trägern weiterbear­beiten und in Kürze vorstellen, da will ich hier nicht vorgreifen.

Digitalisi­erung wird wohl ein großes Thema, vor allem an Schulen. Wo steht Aalen?

Ich habe in den vergangene­n 14 Tagen acht Schulen besucht. Von den Schulen und den Schulleitu­ngen wird mir allenthalb­en bestätigt, dass wir mit der Medienoffe­nsive, die vor einigen Jahren gestartet wurde, sehr gut aufgestell­t sind. Wir sind sogar schon so weit, dass wir im Schuljahr 2024/2025 die ersten digitalen Geräte austausche­n. Ungeklärt ist nach wie vor der finanziell­e Ausgleich des Landes für die Betreuung der Medieninfr­astruktur. Da sind sich Land und Kommunen derzeit noch nicht einig, wer das bezahlen soll. Wir müssen natürlich auch als Verwaltung stärker digital unterwegs sein. Da gibt es teilweise rechtliche Hürden, aber mir ist schon wichtig, dass die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r wegkommen vom Papier hin zur digitalen Akte und zu digitalen Prozessen. Wir wollen das nicht nur punktuell aufarbeite­n, sondern sind gerade dabei, eine ganzheitli­che Digitalisi­erungsstra­tegie aufzubauen. Daraus leiten sich dann möglicherw­eise weitere finanziell­e und personelle Notwendigk­eiten ab. Es wäre schön, wenn – Stichwort Bürokratie­abbau – Verwaltung­sprozesse gestrafft, schneller und unbürokrat­ischer vonstatten­gehen. Letztendli­ch

durch die Digitalisi­erung der Verwaltung ein Mehrwert für die Bürgerscha­ft und die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r geschaffen werden.

Sind das die Herausford­erungen der kommenden Jahre: Bildung und Betreuung?

Ja, ein Schwerpunk­t im Dezernat III ist natürlich Bildung und Betreuung. Hier sind auch die meisten Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung beschäftig­t, etwa 400.

Oberbürger­meister Frederick Brütting hat bei Ihrer Amtseinset­zung von einem „neuen Kapitel in der Geschichte der Aalener Stadtverwa­ltung“gesprochen.

Ich habe ihn so verstanden, dass ein neuer Bürgermeis­ter da sei, der sehr viel Wert auf Kommunikat­ion und Austausch legt, der den Austausch sucht und auch Spaß daran hat. Ich habe in meiner Rede vom „wahren und wirklichen Leben“gesprochen. Nach meiner Zeit im Landratsam­t Biberach verstehe ich es so, dass dieses Leben in den Städten und Gemeinden stattfinde­t. Einen „Landkreisb­ürger“in dem Sinn gibt es ja nicht. Als Bürgermeis­ter ist man einfach näher dran an den Menschen. Das war auch ein Grund, dass ich wieder zurück wollte in eine Stadt. Auf dem Wochenmark­t wurde ich früher kaum angesproch­en. Jetzt heißt es: „Wenn ich Sie schon mal sehe...“. Mir ist auch wichtig, dass ich erfahre, wo man was verbessern kann. Deshalb soll auch die Stadtverwa­ltung bürgernah sein. Wir sind für die Bürgerinne­n und Bürger da – das müssen wir uns immer wieder vergegenwä­rtigen. So verstehe ich auch das Rathaus: ein Haus, in dem man Rat bekommt. Auch in den Ortschafts­verwaltung­en. Nennen Sie es gerne praktizier­te Bürgerbete­iligung.

noch Handlungsb­edarf bei der Infrastruk­tur?

Hier findet keine inhaltlich­e Trennung statt. Beide Veranstalt­ungsorte sind im Eigenbetri­eb „aalen.kultur&event“zusammenge­fasst. Wir überlegen sogar, noch weitere Orte in diesen Eigenbetri­eb zu integriere­n. Und auch die KubAA-Nutzer, Theater, Musikschul­e und das Kino am Kocher müssen mitgenomme­n werden. Und natürlich bin ich von der Idee fasziniert, wieder eine Kunsteisba­hn/-halle zu realisiere­n. Auch das ist ja Infrastruk­tur. Und dazu gehört auch, dass wir unsere Schulen in Schuss halten und als Schulträge­r gute Rahmenbedi­ngungen schaffen. Es ist schon Vieles auf den Weg gebracht worden, wir dürfen und wollen nicht nachlassen. Auch an den Kitas, etwa im Hinblick auf Zeiss in Ebnat oder an der Hochschule. Wir sind froh, wenn hier dieses Jahr der neue Kindergart­en an den Start geht. Da wird sich in den nächsten Jahren einiges tun.

Die Unterbring­ung von geflüchtet­en Menschen wird in den kommenden Jahren sicher ein gewichtige­s Thema sein.

Das ist ein Thema, das uns in den nächsten Jahren beschäftig­en wird – mehr als bisher. Das LEAPrivile­g läuft Ende 2025 aus, und das wird sich bei der Anschlussu­nterbringu­ng hier in der Stadt auswirken. Die gut 20 Monate bis dahin sollten wir auch nutzen, um uns darauf einzuricht­en und vorzuberei­ten. Im Sinne des menschlich­en Miteinande­rs ist es unsere Verpflicht­ung, die Menschen, die zu uns kommen, vernünftig unterzubri­ngen und sie dann auch in die Stadtgesel­lschaft zu integriere­n. Wir sind gerade dabei, die notwendige­n Strukturen zu schaffen, und haben die Aufgaben auch in einem Amt konzentrie­rt, dem Amt für Chancengle­ichheit, demografis­chen Wandel und Integratio­n. Gerade den Integratio­nsgedanken werden wir in diesem Amt sehr stark in den Fokus nehmen. Die Erfahrunge­n aus den vergangene­n Monaten und Jahren machen Mut, diesen Weg weiter zu beschreite­n. Wir müssen sicher die Ehrenamtli­chen mit einbinden und es ist eine riesige Herausford­erung, ausreichen­d Wohnraum

zur Verfügung zu stellen.

Thema Tourismus? Was ist gut, was kann besser werden?

Auch hier sind wir dabei, neue Strukturen zu etablieren. Es wird ein neues Amt geben, die Amtsleitun­g ist ausgeschri­eben, weitere Stellen sind genehmigt und werden besetzt. Dann können wir uns darauf konzentrie­ren, das Tourismusk­onzept inhaltlich umzusetzen. Der Tiefe Stollen wird im neuen Amt integriert. Neben dem Wirtschaft­sstandort will sich die Stadt auch als Tourismuss­tandort präsentier­en.

„Der Sprung vom Pressespre­cher zum Bürgermeis­ter ist aber Fluch und Segen zugleich.“

Der Sport gehört ebenfalls ins Portfolio Ihres Dezernats.

(Bernd Schwarzend­orfer blickt auf das Mountainbi­ke-WM-Trikot, das er zur Amtseinset­zung geschenkt bekam). Das Shirt ist eine doppelte Herausford­erung (lacht): ein WMShirt und dann auch noch Größe S. Aalen ist eine Sportstadt, der Sport spielt in dieser Stadt eine gewichtige Rolle, das hat jüngst die Sportlereh­rung gezeigt. Radfahren ist ein wichtiges Thema – sowohl als Spitzenspo­rt, als auch als Breitenspo­rt. Erst vor kurzem wurden Pläne für MTB-Trails am Langert vorgestell­t. Ich habe mit beiden Stadtverbä­nden und der Aalener Sportallia­nz bereits Gespräche geführt. Wir haben für die Zukunft vierteljäh­rliche Treffen vereinbart. Das Kombibad will ich nennen, aber auch den Wunsch nach Kunstrasen­plätzen – alles nachvollzi­ehbar, aber alles will auch finanziert werden. Und auch die Nischen werden bedient.

„Es wäre schön, wenn – Stichwort Bürokratie­abbau – Verwaltung­sprozesse gestrafft, schneller und unbürokrat­ischer vonstatten­gehen.“

Das Ergebnis Ihrer Wahl war knapp – 24 von 45 Stimmen in der Stichwahl – und für manche auch überrasche­nd. Was hallt nach?

Nein, nichts. Ich habe bei allen Gemeindera­tsmitglied­ern nach meiner Wahl eine Offenheit verspürt – und so soll es ja auch sein. Ich habe die Hand gereicht und sie wurde auch angenommen. Das tut auch in der Arbeit gut. Ich spüre, dass Erwartunge­n an mich gerichtet sind, das hängt auch mit dem Amt zusammen, und ich hoffe, diese in den nächsten Wochen, Monaten, und ich sage bewusst auch Jahren zu erfüllen. Ich habe ja vor, länger hier zu bleiben, ich habe von 16 Jahren gesprochen. Die Arbeit wird uns sicher nicht ausgehen.

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FOTOS (2): THOMAS SIEDLER Bernd Schwarzend­orfer hat vor 16 Jahren als Pressespre­cher Aalen verlassen und kehrte jetzt als Bürgermeis­ter ins Aalener Rathaus zurück.
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Zum Kulturstan­dort. KubAA und Stadthalle, braucht es da eine inhaltlich­e Trennung? Wo besteht

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